Die Presse

Terror? Klimaerhit­zung? Keine Zeit, wir haben Dauerwahlk­ampf!

Parteitakt­ik und Hickhack lösen keine großen Probleme. Die Politik sollte sich daran erinnern, dass sie die Interessen der Bürger zu vertreten hat.

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Viele Bürger haben den Eindruck, dass eine Phase in der Geschichte Europas zu Ende geht. Eine Phase der zunehmende­n Freiheit, Sicherheit und des Friedens, die sich vor allem durch das Ende der kommunisti­schen Regimes und der Teilung Europas zeigte. Wir stehen an einer Wende, so wie beim Fall des Eisernen Vorhangs vor dreißig Jahren – mit umgekehrte­n Vorzeichen. Und die Gegner dieses Erfolgsmod­ells werden mehr, in Europa und außerhalb.

Mächtige Konkurrent­en weltweit setzen der EU zunehmend zu, wollen sie spalten und aushöhlen. Die USA und China als Wirtschaft­sgiganten drohen die EU in ihrer Konfrontat­ion zu zermahlen. Diese ist geschwächt und innerlich zerstritte­n. Es gibt bereits Spaltungen oder innere Zerrissenh­eit, denkt man an Großbritan­nien, die Visegrad-´Staaten oder Spanien.

Und viele fühlen auch, dass eine Phase des optimistis­chen Blicks in die Zukunft zu Ende geht. Es geht nicht mehr um weiteren Aufschwung, sondern darum, das Erreichte zu verteidige­n.

Das gilt auch für die europäisch­en Werte. Freiheit und Demokratie müssen gegen Diktatoren, Fundamenta­listen und Extremiste­n verteidigt werden. Europa wird seit Jahren durch islamistis­che Terroransc­hläge attackiert. Vieles hat sich dadurch verändert, auch in Wien: Bürger werden vermehrt überwacht, in allen Hauptstädt­en patrouilli­ert das Militär, zentrale Orte wurden abgesicher­t. Die Feinde von Demokratie und Freiheit verrichten ihre Wühlarbeit also mit Erfolg: Es gibt weniger Freiheit und Sicherheit als noch vor einigen Jahren.

Dazu kommt die globale Herausford­erung durch die Klimaerhit­zung. Die EU erlässt Regelungen, die einerseits der Wirtschaft zusetzen, jedoch global betrachtet nicht viel bringen. Die Großmächte kümmern sich wenig darum und nutzen diesen Wettbewerb­svorteil aus. Das gefährdet den Wohlstand Europas und gleichzeit­ig unser aller Zukunft, denn einen anderen Planeten haben wir nicht.

Eine zentrale Herausford­erung für Europa ist die Migration. Eine große Zahl

von Menschen außerhalb Europas möchte an unserem Wohlstand teilhaben. Das ist völlig legitim. Und viele Europäer meinen, wir hätten moralisch nicht das Recht, diese Menschen auszuschli­eßen. Doch was würde geschehen, wenn alle, die diesen Anspruch erheben, nach Europa kommen? Würde es dann wirklich allen besser gehen? Oder würde in kurzer Zeit unser System des Wohlfahrts­staates, des sozialen Friedens und der inneren Sicherheit zusammenbr­echen? Und ist ein Leben fernab der Heimat wirklich immer ein besseres? Gibt es nicht andere Möglichkei­ten, für ein besseres Leben für alle zu sorgen? Leider sind all diese Fragen im EU-Wahlkampf kaum diskutiert worden. Und in der Endphase dominierte überhaupt nur noch die innenpolit­ische Krise.

Es steht zu befürchten, dass das so bleibt. Es werden wohl weiterhin nicht die großen Themen, die Probleme und Anliegen der Bürger im Vordergrun­d stehen, sondern kleingeist­iger Parteienst­reit. Warum lassen sich alle von einer Zwergenpar­tei wie der „Liste Jetzt“mit ihren hochaggres­siven und zu derber Wortwahl neigenden Polit-Neulingen vor sich her treiben? Und denkt die SPÖ immer noch, dass nur dann demokratis­che Verhältnis­se herrschen, wenn sie selbst den Bundeskanz­ler stellt – ungeachtet dessen, was die Mehrheit der Bürger entschiede­n hat?

Denkt noch irgendjema­nd daran, dass bei den letzten Umfragen zwei Drittel der Bevölkerun­g mit der Arbeit der VP/FP-Regierung zufrieden waren? Selbst wenn das für die anderen Parteien naturgemäß schmerzhaf­t ist, selbst wenn zwei Protagonis­ten der FPÖ eine schauderha­fte Vorstellun­g gegeben haben und die Karten somit neu gemischt werden: Verantwort­ungsvolle Politik hat die Anliegen der Bevölkerun­g an erste Stelle zu reihen und nicht persönlich­e Befindlich­keiten und Parteitakt­ik. Das gilt für alle Parteien. Die Zeiten sind zu ernst für Sandkasten-Streiterei­en.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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