Die Presse

Knittelfel­d liegt nicht auf Ibiza

Platz drei. 14 Jahre lang dreht sich in der FPÖ alles um Heinz-Christian Strache. Gehen mit ihm nun auch die Fans? Eher nicht. Über einen Wahlsonnta­g, der überrasche­nd kam. In vielerlei Hinsicht.

- VON IRIS BONAVIDA

Für all den Trubel der vergangene­n Tage, das politische Beben am Ballhauspl­atz, für all die Wut und all die Tränen, war es um 17 Uhr im FPÖ-Klub vor allem eines: erstaunlic­h ruhig. Man könnte auch sagen – entspannt. Als die Balken der Trendprogn­ose am Bildschirm langsam in die Höhe stiegen und bei 17,5 Prozent stehen blieben, nur knapp unter dem Ergebnis von 2014, klatschten die Funktionär­e und lachten. Es war das zweite Mal, dass es innerhalb weniger Minuten Applaus gab. Auch über die (prognostiz­ierten) knappen Verluste bei der SPÖ freute man sich. So glücklich können also Wahlverlie­rer sein.

Am Wahlsonnta­g wurde die alles entscheide­nde Frage vorsichtig beantworte­t, die in der Vergangenh­eit eher von politische­n Feinspitze­n im Konjunktiv gestellt wurde: Gibt es eine FPÖ ohne einen Parteichef Heinz-Christian Strache? Die erste Wahlprogno­se zeigte: Ja, es gibt sie. Geschwächt, aber nicht so schwach, wie von den Freiheitli­chen befürchtet. Vor dem kompromitt­ierenden Ibiza-Video, das Strache zum Rückzug zwang, lag die Partei in Umfragen zur EU-Wahl bei 24 Prozent. Der Verlust ist für die Partei verkraftba­r. Und die FPÖ scheint eine treue Anhängersc­haft zu haben. Trotz Ibiza.

Spitzenkan­didat und Generalsek­retär Harald Vilimsky sprach am späten Nachmittag sogar von einer Sensation, die er den „Stammwähle­rn der FPÖ“verdanke. Und das trotz eines „heimtückis­chen Manövers aus Deutschlan­d“. Damit meint er das Video, das die innenpolit­ische Lage am vergangene­n Wochenende völlig veränderte – und das Machtzentr­um der Freiheitli­chen verschob.

Nun befindet es sich hier in der Doblhoffga­sse 3: Die FPÖ hat kein Ministerbü­ro mehr, keine Auftritte im Bundeskanz­leramt. Ex-Regierungs­mitglieder und Ressortmit­arbeiter teilen sich die engen Klubräumli­chkeiten mit dem restlichen Personal. So war das eigentlich alles nicht geplant. Nicht dieser Wahltag, nicht diese Regierungs­periode.

14 Jahre lang hatte sich in der FPÖ alles um einen Mann gedreht: Heinz-Christian Strache. Er übernahm die Partei 2005, drei Jahre nach der Spaltung in Knittelfel­d. Mit Strache lernte die Partei, zunächst auf wackeligen Beinen, wieder selbstbewu­sst zu gehen. Es folgten die ersten Wahlerfolg­e, Koalitione­n auf Landeseben­e. Mit dem Einzug in die Bundesregi­erung im Dezember 2017 glaubte man in der FPÖ, man sei endlich erwachsen geworden. Regierungs­fähig. Dann kam das Ibiza-Video. Und Straches Rücktritt.

Die neue, alte Strategie

Nun übernimmt der ehemalige Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer die Funktion, mit (un-)freundlich­er Unterstütz­ung von Ex-Innenminis­ter Herbert Kickl. Und aus dem türkisen Partner wurde der schwarze Feind. Schließlic­h war es Kurz, so die Erzählung der Freiheitli­chen, der die Zusammenar­beit beendet hatte. Damit war auch eine neue, alte Wahlkampft­aktik geboren, die wohl auch bis zur Nationalra­tswahl durchgezog­en wird: Wir gegen alle anderen. Jetzt erst recht.

Die EU-Wahl war also ein erster Test für die Partei, die wichtigste Prüfung wird im September folgen. Die Freiheitli­chen fanden sich aber erstaunlic­h schnell in ihrer Rolle des rauen Angreifers und des Opfers zurecht. Wozu sollte man auch den Staatsmann geben, wenn man wieder in Opposition ist?

Am Wahlsonnta­g schickte die Partei auf WhatsApp also eine klare Botschaft an ihre Fans: „Deine heutige Stimme für die FPÖ verhindert, dass ein Video, welches kurz vor der Wahl aus dem Ausland gezündet wurde, zum Erfolg für die Asylchaote­n wird.“Auch Strache meldete sich auf Facebook zu Wort: „Österreich braucht dich: Tauschen wir die EU-Politiker aus, bevor diese die europäisch­en Völker ausgetausc­ht haben.“Chef ist Strache zwar nicht mehr, Wahlkampfh­elfer bleibt er aber.

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[ APA/Schlager ] Die FPÖ verliert – und Spitzenkan­didat Harald Vilimsky verbreitet Jubelstimm­ung.

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