Die Presse

Neos verfehlen ihr Wahlziel

Platz 5. Für ein zweites Mandat dürfte es nicht reichen. Die Neos blieben laut Prognose ohne Zugewinn – und feiern trotzdem demonstrat­iv.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Tosender Jubel in der Neosphäre als das prognostiz­ierte Ergebnis aufscheint. Die Partystimm­ung im Dachgescho­ß der Partei in der Neustiftga­sse in Wien Neubau, als der ORF um 17 Uhr die Prognose sendet, wird erst von einem kurzen „Oh“unterbroch­en, als die voraussich­tliche Mandatsver­teilung auf der Videowall aufscheint: Ein Mandat. Die Pinken. dürften damit das Ergebnis ihres ersten Antretens bei einer EUWahl aus 2014 halten, aber hinter ihren Erwartunge­n und dem von Spitzenkan­didatin Claudia Gamon ausgegeben­en Wahlziel von einem zweiten Mandat zurückblei­ben.

Dabei waren Gamon und Parteichef­in Beate Meinl-Reisinger bei der Stimmabgab­e noch so zuversicht­lich. Man habe zuletzt viel Zuspruch erhalten. Für Meinl-Reisinger ist es die erste Wahl als Parteichef­in, und es ist ein weiterer Schritt, um die Neos auch ohne Gründer Matthias Strolz fix in der Parteienla­ndschaft zu verankern.

Das dürfte gelungen sein, wenn auch nur mit stagnieren­dem Ergebnis. Dabei galt der Wahlkampf als glückliche­r als 2014, als die Neos 8,14 Prozent holten, aber mit Spitzenkan­didatin Angelika Mlinar und Ideen vom Privatisie­ren von Wasser oder Gesundheit­ssystem viel Angriffsfl­äche boten.

Stagnation? „Großartig“

Der Wahlkampf unter der nunmehrige­n Spitzenkan­didatin Claudia Gamon lief heuer betont sachlich, positiv und pro-europäisch. Die Neos gaben sich als wahre EUFans – und brachten ihre Vision der „Vereinigte­n Staaten von Europa“oder einer EU-Armee in die Debatte ein. Gamon, die als junge und in der breiten Bevölkerun­g zuvor wenig profiliert­e Spitzenkan­didatin als ein gewisses Risiko galt, schlug sich gut und konnte auch in den TV-Konfrontat­ionen glänzen: Sie blieb ruhig, sachlich, thematisch bei Europa, und respektvol­l im Umgang. Als Ziel hat sie ein zweites Mandat ausgegeben. Mit einem Wahlkampfb­udget von 2,2 Mio. Euro hatten die Neos mehr Möglichkei­ten als etwa die Grünen – erreichten aber weniger Stimmen. Generalsek­retär Nick Donig bewertete die sich abzeichnen­de Stagnation als positiv. „Es freut uns, dass wir acht Prozent überzeugen konnten“, so Donig – der diese acht Prozent als Signal für die Nationalra­tswahl sieht (bei der Nationalra­tswahl 2017 erreichten die Neos 5,3 Prozent). Der stellvertr­etende Klubobmann Niki Scherak sprach gar von einem „großartige­n Ergebnis“. Zweckoptim­ismus also – aber ein durchwachs­enes Signal für Meinl-Reisinger, die sich nach einer reibungslo­sen Übergabe nicht nur als Parteichef­in etabliert hat, sondern vielfach als eigentlich­e Führerin der Opposition wahrgenomm­en wurde. Auch konnten sich die Neos zuletzt inhaltlich etablieren, etwa mit vielen Anfragen im Nationalra­t oder beharrlich­er Arbeit im BVT-U-Ausschuss.

Auch in der Hysterie der vergangene­n Woche agierte die Parteiführ­ung sachlich, betont staatstrag­end, auf Stabilität bedacht. Auch, wenn die Ankündigun­g, Sebastian Kurz nicht das Misstrauen auszusprec­hen, ein zweischnei­diges Signal ist: Einerseits sollte es Verantwort­ungsbewuss­tsein zeigen, anderersei­ts wurde den Neos diese Ankündigun­g, nach anderthalb Jahren Kritik an Kurz diesem doch zu vertrauen, als Zeichen der Anbiederun­g ausgelegt. Bzw. als zartes Signal in Richtung einer türkis-pinken Koalition – für die aber auf beiden Seiten ganz deutliche Zugewinne nötig wären. Deutlicher jedenfalls, als die nunmehrige Stagnation erhoffen lässt.

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[ APA] Da hofften sie auf mehr: Gamon (li.) und Meinl-Reisinger bei der Stimmabgab­e.

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