Kein Strache-Effekt in Ungarn
Ungarn. Das Ibiza-Interview hatte keinen wesentlichen Einfluss auf das ungarische Wahlergebnis. Der Fidesz durfte mit einem klaren Sieg rechnen.
Budapest. Alle Kritik aus dem Ausland am ungarischen Ministerpräsidenten, Viktor Orban,´ scheint diesen daheim stets nur zu stärken. Das Artikel-7-Verfahren der EU gegen Ungarn, das Ausschlussverfahren gegen die Regierungspartei Fidesz in der Europäischen Volkspartei (EVP), Orbans´ Nähe zum gestürzten FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache – in den letzten Umfragen vor der Europawahl hatte all das keinen Effekt auf die Wählersympathien. Sämtliche Meinungsforscher sahen den Fidesz kurz vor der Wahl zwischen 50 und 55 Prozent.
Nur eine Oppositionspartei war im Aufwind: Die neue, liberale Momentum sollte demnach aus dem Stand bis zu sieben Prozent erreichen und erstmals einen oder gar zwei Abgeordnete entsenden.
Die einst radikal rechts auftretende Jobbik-Partei, die sich seit einigen Jahren gemäßigt darstellt, wäre der große Verlierer. Sie hat zu ihren besten Zeiten mehr als 20 Prozent der Wählerstimmen errungen. Jetzt aber könnte sie unter zehn Prozent rutschen. Der Grund: Die Partei ist durch innere Machtkämpfe gelähmt und hat so gut wie keine Anstrengungen unternommen, ihre Anhänger für die Europawahl zu mobilisieren. Auch die grüne LMP hat sich durch innere Streitigkeiten praktisch selbst zerstört und könnte an der FünfProzent-Hürde scheitern. Die MSZP (Sozialisten) stagniert bei zehn Prozent und könnte sogar von der von ihr abgespaltenen Demokratischen Koalition (DK) überholt werden.
Austrittswelle aus EVP?
Der Fidesz bleibt – das war schon vor der Wahl klar – unschlagbar. Er dürfte das Ergebnis der letzten EUWahlen (51,5%) halten oder verbessern. Die Frage ist nun, wie viele Abgeordnete verbündeter Parteien in anderen Ländern mit ihm die EVP nach den Wahlen verlassen werden, wenn nicht doch noch eine Aussöhnung erfolgt. Die Fidesz-Mitgliedschaft in der EVP ist suspendiert, und seit Orban´ EVPSpitzenkandidat Manfred Weber seine Unterstützung entzogen hat, scheint das Tischtuch zerschnitten.
Eine Aussöhnung ist nur dann denkbar, wenn es Orban´ gelingt, einem anderen Kandidaten als Weber aus den Reihen der EVP zum angestrebten EU-Kommissionsvorsitz zu verhelfen. Gerüchteweise will der Fidesz den Franzosen Michel Barnier unterstützen.
In Slowenien ist die konservative SDS eng mit dem Fidesz verbündet. Sie hat gedroht, im Fall eines EVP-Ausschlusses des Fidesz ebenfalls zu gehen. In den Umfragen war sie die stärkste Partei des Landes, aber schwächer als vor fünf Jahren. In der Slowakei ist die MKP, eine Partei der ungarischen Minderheit, als Fidesz-Ableger mit Orban´ verbündet. Ob sie allerdings ins EU-Parlament kommt, war offen. Werden alle Fidesz- und verbündete Abgeordnete der EVP zusammengezählt, könnte sein Ausschluss die Fraktion um bis zu 18 Sitze reduzieren.