Die Presse

Was der neue Premier leisten muss

Großbritan­nien. Boris Johnson wird voraussich­tlich der neue Chef der Konservati­ven und der Regierung. Auf ihn warten viele schwierige Aufgaben.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

London. Der britischen Politik stehen dramatisch­e Tage bevor: Am Dienstag dürfte Boris Johnson als Gewinner aus der Wahl um die Parteiführ­ung der Konservati­ven hervorgehe­n, am Mittwoch würde er dann zum Premier ernannt werden. An seinem Sieg besteht kaum Zweifel. Seine erste Aufgabe wird sein, den EU-Austritt umzusetzen. Doch das wird nicht die einzige Herausford­erung.

Brexit

Johnson hat die Wahrschein­lichkeit eines No-Deal-Brexit zwar mit „eins zu eine Million“beziffert, zugleich aber klargestel­lt, dass er „hart auf hart“zu diesem Schritt bereit wäre. Er will die EU zu Änderungen des vorliegend­en Abkommens bewegen. Vor allem die Auffanglös­ung für Nordirland („Backstop“) wollen die Brexit-Hardliner loswerden. Dass Brüssel neue Verhandlun­gen kategorisc­h ausschließ­t, wischt Johnson beiseite und stellt die Erfüllung der britischen Zahlungsve­rpflichtun­gen von 39 Milliarden Pfund infrage.

Regierung

Unmittelba­r nach Johnsons Ernennung wird eine umfassende Regierungs­umbildung erwartet. Er wolle „ein Team, das geschlosse­n an den Brexit glaubt“, kündigte er bereits an. Schatzkanz­ler Philip Hammond wird nur der prominente­ste Minister sein, der auf die Hinterbänk­e des Unterhause­s wechseln muss. Ein radikaler Umbau ist aber nicht ohne Risiko: Hammond etwa hat bereits angekündig­t, im Parlament „alles zu tun, um einen No-Deal-Brexit zu verhindern“.

Parlament

Selbst mit der (wankelmüti­gen) Unterstütz­ung der nordirisch­en DUP wird Johnson im Parlament eine Mehrheit von nur drei Mandaten haben. Das Unterhaus schob am Donnerstag mit einer Mehrheit von 42 Stimmen Johnsons Überlegung, das Parlament auf Zwangsurla­ub zu schicken und so einen NoDeal-Brexit durchzuset­zen, einen Riegel vor.

Neuwahlen

Johnson spekuliert offen über Neuwahlen. Man wolle die Gunst der Stunde nutzen, „solange Jeremy Corbyn noch unser Gegner ist“. Gegen den Labour-Chef rechnet sich Johnson zwar Chancen auf einen klaren Sieg aus. Aber Johnson hat die Konservati­ven zu einer so radikalen Brexit-Partei gemacht, dass sie in Gefahr ist, gemäßigte Wähler an die Liberaldem­okraten zu verlieren.

Außenpolit­ik

Johnson wurde zum „am wenigsten erfolgreic­hen Außenminis­ter“seit 1945 gekürt (Thinktank Chatham House), dennoch wird nach seinem Amtsantrit­t ein diplomatis­ches Furioso erwartet. Auch ein Abstecher nach Washington soll geplant sein, erhoffen sich die Briten von US-Präsident Donald Trump doch einen Megahandel­svertrag. Den britischen Botschafte­r in Washington, Kim Darroch, hat Johnson bereits geopfert.

Investitio­nen

Als Bürgermeis­ter Londons (2008–16) liebte Johnson teure Projekte. Als Premier wird er über Infrastruk­turvorhabe­n für Jahrzehnte entscheide­n. Massive Staatsinte­rventionen werden nötig sein, um die Folgen eines NoDeal-Brexit aufzufange­n, die Schatzkanz­ler Hammond auf 90 Milliarden Pfund beziffert. Johnson nennt die Kosten „verschwind­end gering, wenn wir vorbereite­t sind“.

Kriminalit­ät

Johnson verspricht mehr Polizei und Härte bei der Kriminalit­ätsbekämpf­ung. Besonders in den Großstädte­n werden die Behörden der Gewalt nicht Herr. Allein in London wurden im Vorjahr 132 Menschen getötet. Über zehn Jahre Budgetkürz­ungen unter Tory-Regierunge­n spricht Johnson nicht.

Einwanderu­ng

Seit dem Brexit-Referendum 2016 ist die Zuwanderun­g aus der EU auf einen Tiefstand gefallen, während die Einwanderu­ng aus anderen Gebieten steigt. Johnson will ein Punktesyst­em einführen, „mit dem wir die besten Talente aus der ganzen Welt holen“.

Schottland

Nirgendwo ist Johnson so umstritten wie in Schottland, wo ihn die eigenen Parteifreu­nde verhindern wollten. 53 Prozent der Schotten wollen lieber das Vereinigte Königreich verlassen, als von einem Premier Johnson regiert zu werden. Für die schottisch­en Nationalis­ten ist sein Amtsantrit­t der Auftakt für die nächste Unabhängig­keitsbeweg­ung.

„Always look on the bright side of life“

Nach den bleiernen May-Jahren verspricht Johnson, die Briten aus dem „Hamsterrad der Düsternis“zu führen. Ex-Spitzendip­lomat George Walden: „Johnsons Anziehungs­kraft beruht auf zwei Dingen: patriotisc­her Nostalgie und der Illusion mühelosen Aufstiegs.“

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[ AFP ] Showman Boris Johnson. Der Favorit für den Posten des neuen Chefs der Konservati­ven und damit auch der britischen Regierung lässt sich beim Schafesche­ren fotografie­ren.

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