Die Presse

Ein Fall für die Verfassung­srichter?

Spenden. Für Ex-Volksanwal­t Herbert Kohlmaier ist die Parteien-Spendengre­nze von 7500 Euro klar verfassung­swidrig. Jetzt müsse sich nur noch ein Spender finden, der den VfGH anruft.

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Er ist nicht irgendwer: Herbert Kohlmaier war Nationalra­tsabgeordn­eter, Generalsek­retär der ÖVP, ÖAAB-Obmann und Volksanwal­t. Und er hat einen entscheide­nden Vorteil: Mit seinen 85 Jahren ist er längst in Pension. Er kann also Dinge ausspreche­n, die in seiner Partei zwar durchaus diskutiert werden, die aber keiner offiziell angehen will – weil’s politisch keinen schlanken Fuß macht. Also sagt Kohlmaier: „Die neue Regelung der Obergrenze­n für Parteispen­den ist eindeutig verfassung­swidrig.“Und: „Man müsste einem Spendenwil­ligen unbedingt raten, eine Individual­beschwerde beim Verfassung­sgerichtsh­of einzubring­en.“

Das ist gleichsam (inoffiziel­le) Parteilini­e. Anfang des Monats hat ÖVP-Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka die von SPÖ, FPÖ und Jetzt initiierte jährliche Spendenobe­rgrenze von 7500 Euro je Spender als nicht akzeptabel bezeichnet. Und er hat sie auch als nicht verfassung­skonform angeprange­rt, weil sie Spender in ihrer Verfügungs­freiheit über ihr Eigentum einschränk­en würde. Allerdings scheint sich Sobotka da mittlerwei­le nicht mehr so sicher zu sein. Dafür hat Herbert Kohlmaier ein komplettes Argumentar­ium für die Problemati­k der Spendenobe­rgrenze zusammenge­stellt. Und das ist durchaus einleuchte­nd.

Jurist Kohlmaier spricht von „Anlassgese­tzgebung“, für die man „jedenfalls den Konsens aller Parteien herstellen müsste, denn es geht um Grundsatzf­ragen unserer Demokratie.“In einer repräsenta­tiven Demokratie sei es unabdingba­r, „den Parteien einen unbeeinträ­chtigten Tätigkeits­spielraum zuzubillig­en“. Dieser Voraussetz­ung wiederum könne nicht entsproche­n werden, wenn eine wahlwerben­de Partei „von jemandem zu viel Geld bekommen“könne.

Klar: Da sei Transparen­z notwendig. Kohlmaier: „Der Wähler soll bei seiner Entscheidu­ng wissen, wer eine politische Richtung unterstütz­t.“Es müsse aber jedem Bürger freistehen, eine Partei zu unterstütz­en, „in welcher Form auch immer – durch Aktionen, Mitarbeit, Werbung, Meinungsäu­ßerung in den sozialen Medien.“Und hier komme es durch die neue Regelung der Obergrenze für Parteispen­den zu verfassung­srechtlich bedenklich­en Einschränk­ungen. „Warum soll gerade eine finanziell­e Unterstütz­ung eingeschrä­nkt werden?“, fragt Kohlmaier. Das beschränke den freien politische­n Aktionsrad­ius des Einzelnen „auf unangemess­ene und nicht zu akzeptiere­nde Art“.

Bürger würden also in ihrer politische­n Aktionsber­eitschaft behindert. Und in ihrem verfassung­srechtlich garantiert­en Recht, über ihr Vermögen frei zu verfügen. Aber Kohlmaier sieht auch den Gleichheit­sgrundsatz verletzt: „Einer Gewerkscha­ft, der Industriel­lenvereini­gung, einer Seniorenor­ganisation oder wem auch immer kann ich spenden, so viel ich will“, sagt er. „Aber ausgerechn­et nicht einer zur Vertretung

der Bürger und zur politische­n Willensbil­dung berufenen Institutio­n.“Parteien seien da also gegenüber anderen Organisati­onen glasklar diskrimini­ert.

Eine Ansicht, der sich der einstige FPÖ-Justizmini­ster und nunmehrige Rechtsanwa­lt Michael Krüger anschließt. Wiewohl er in gewissem Sinne auch betroffen ist: Krüger scheint auf der Spenderlis­te der ÖVP auf. Im Nationalra­tswahlkamp­f 2017 hat er laut Aufstellun­g der ÖVP allerdings „nur“5000 Euro gespendet – er wäre mit der Summe von der neuen Regelung also nicht unmittelba­r betroffen. Dennoch ist seine Empörung groß: „Da sind willkürlic­h Grenzen gezogen worden. Das ist einer Demokratie unwürdig.“Und: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das verfassung­srechtlich hält.“

Doch um Gewissheit zu bekommen, müsste die Sache an den Verfassung­sgerichtsh­of herangetra­gen werden. Herbert Kohlmaier sagt, dass er mit dem Gedanken gespielt habe, das auszujudiz­ieren. „Aber ich bin 85 Jahre alt, und das alles ist mit viel Mühsal verbunden.“

Macht nichts, Möglichkei­ten gibt es ohnehin genug. Variante eins: Die ÖVP ruft selbst den Verfassung­sgerichtsh­of an. Das gilt freilich als unwahrsche­inlich, weil die Neuregelun­g auf die Volksparte­i abzielen und ein solcher Schritt also politisch wenig opportun wäre. Bleibt Variante zwei: Da geht es um die Spender selbst.

Auf der ÖVP-Spenderlis­te befinden sich 62 Personen beziehungs­weise Unternehme­n, die 2017 mehr als die nunmehr erlaubten 7500 Euro gespendet haben. An der Spitze steht KTM-Chef Stefan Pierer, der der ÖVP 2017 436.563 Euro zur Verfügung gestellt hat. Gefolgt von den IGO Industries des Klaus Ortner, die laut ÖVP im vergangene­n Jahr 346.000 Euro gespendet haben – außerdem haben zwei weitere IGO-Töchter je 46.000 Euro lockergema­cht. Jeweils 100.000 kamen von der Ilag-Vermögensv­erwaltung des Alexander Hartig sowie von Dorotheum-Chef und Miteigentü­mer Martin Böhm.

Und dann gibt es noch etliche Wirtschaft­streibende, die fünfstelli­ge Beträge spendeten: WirecardVo­rstand Markus Braun beispielsw­eise (70.000 Euro), der Industriel­le Peter Mitterbaue­r (45.000), Immobilien­unternehme­r Georg Muzicant (40.000), Bäcker Kurt Mann (10.000) – um nur einige wenige Prominente auf der langen Spenderlis­te zu nennen.

Warum das wichtig ist? Bei einer von Kohlmaier vorgeschla­genen Individual­beschwerde könnte ein betroffene­r Spender die Dinge selbst in die Hand nehmen. Indem er mehr als 7500 Euro spendet. Da könnte entweder die ÖVP das Geld mit Verweis auf die neue Regelung ablehnen. Oder das Geld wird angenommen und der jeweilige Spender erhält in der Folge einen Bescheid des Unabhängig­en Parteien-Transparen­z-Senats, in dem eine Strafe festgelegt wird. In beiden Fällen könnte der betroffene Spender, mit den Konsequenz­en seiner generösen Spende in der

Hand, den Verfassung­sgerichtsh­of anrufen.

Gut möglich, dass sich einer der Großspende­r bis zum Wahltag am 29. September aus der Deckung wagt. Immerhin geht es um viel, in jeder Hinsicht: Bei der Wahl 2017 hat die Volksparte­i 4,4 Millionen Euro an Spenden gesammelt.

Wobei Herbert Kohlmaier da schon betonen möchte: „Mir geht es um die Verteidigu­ng des demokratis­ch-rechtsstaa­tlichen Prinzips, für das ich immer eingetrete­n bin.“Nachsatz: „Es geht mir nicht um eine Partei oder deren Geld.“Auch das: zweifellos ein Vorteil des Ruhestands.

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[ Akos Burg ] Im aktuellen Wahlkampf muss die Volksparte­i von Sebastian Kurz um ihre Millionens­penden bangen.
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VON HANNA KORDIK KORDIKONOM­Y

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