Gläubiger stellen sich gegen Athen
Steuern. Die Pläne der neuen Regierung in Athen, dem Wirtschaftswachstum mit Steuererleichterungen nachzuhelfen, stoßen bei den Kreditgebern auf Widerstand.
In der zweiten Woche nach Amtsantritt konnte die neue Regierung in Athen gleich einen großen finanzpolitischen Erfolg verbuchen. Sie hat den Vertrauensvorschuss, den ihr die Märkte entgegenbringen, in bare Münze umgesetzt und am Dienstag eine Staatsanleihe mit siebenjähriger Laufzeit aufgelegt, mit der sie 2,5 Mrd. Euro eingenommen hat. Die Rendite ist mit 1,9 Prozent geradezu sensationell niedrig. Damit hat Athen dieses Jahr insgesamt 7,5 Mrd. Euro aufgenommen und das Planziel für 2019 bereits erfüllt.
Der neue Mann im Finanzministerium, der Konservative Christos Staikouras, kommentierte erfreut den „überaus erfolgreichen“Ausflug auf die Kapitalmärkte – und beschäftigte sich mit Plänen für die Umverteilung dieser und anderer Kassenbestände. Schon bei seiner Amtsübernahme kündigte er ein Steuererleichterungspaket von insgesamt sechs Mrd. Euro an. Keine Kleinigkeit für ein Land, das bis 2022 laut Vereinbarung mit den Gläubigern einen Primärüberschuss, das heißt ein Budgetplus ohne Abzug des Zinsendienstes von 3,5 Prozent erwirtschaften muss. Staikouras will unter anderen die Unternehmensbesteuerung von derzeit 28 auf 20 Prozent und den Mehrwertsteuerhöchstsatz von 24 auf 22 Prozent senken, aber auch die Einkommensteuer für natürliche Personen und die Besteuerung der Immobilien reduzieren. Dazu kommen noch die Maßnahmen der Vorgängerregierung, die die Konservativen mitgetragen haben. Hier wäre vor allem die Aussetzung der seit Langem geplanten Reduzierung der Steuerfreigrenze ab 1. 1. 2020 zu nennen, und eine kostspielige Regelung zur Abzahlung von Schulden an den Fiskus, bei der unter gewissen Bedingungen sämtliche Strafzinsen gestrichen werden. Ach ja, und auch die Sozialversicherungsbeiträge sollen gesenkt werden.
Für die griechischen Haushalte, die seit Beginn der Schuldenkrise zu Anfang dieses Jahrzehnts durchschnittlich um die 5000 Euro einbüßten, wären das natürlich wichtige Erleichterungen. Nach den Vorstellungen der Regierung würden die Maßnahmen den Konsum anregen und damit auch das Wirtschaftswachstum steigern – eines ihrer Hauptziele. Gleichzeitig will Athen mit den Gläubigern auch über eine Senkung der hohen Primärüberschüsse diskutieren, um das Programm zu finanzieren.
Doch diese Woche ist endgültig klar geworden, dass die europäischen Partner nicht bereit sind, mitzuspielen. Klaus Regling, Chef des europäischen Rettungsschirmes (ESM), des größten Gläubigers Griechenlands, kam im Rahmen einer Tagung nach Athen, wünschte der neuen Regierung alles Gute, machte seinen Kratzfuß beim neuen Finanzminister und bremste in der Folge den ersten Enthusiasmus der frisch gewählten Regierung, die wie schon ihre Vorgänger ihr Wahlprogramm mit der finanzpolitischen Realität verwechselt. Regling lag mit seiner Botschaft an Athen übrigens ganz auf der Linie von EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds, die in ihren jüngsten Berichten Sorgen über das Erreichen der Budgetziele in Griechenland geäußert hatten.
Zunächst hat der ESM-Chef klargestellt, dass an den Primärüberschüssen von 3,5 Prozent bis 2022 und in der Folge von um die zwei Prozent nicht zu rütteln sei, denn allein sie gewährleisten die mittelfristige Finanzierbarkeit der immensen Staatsschuld Griechenlands von um die 180 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das ist zu erwarten gewesen, die europäischen Partner wollen zunächst einmal abwarten, ob die Neuen in Athen in der Lage sind, Budgets zu erstellen, die halten, bevor sie über Erleichterungen diskutieren. Doch Regling schrieb Finanzminister Staikouras noch einen weiteren Wunsch ins Stammbuch, der den wenig gefreut haben wird. So erklärte er, dass eine Steuersenkung „mit der Erweiterung der Steuerbasis“gekoppelt sein sollte. Das ist eine Umschreibung für die Senkung der Steuerfreigrenze, deren Aussetzung die Konservativen bereits mitbeschlossen haben, die von den Gläubigern aber wieder aufs Tapet gebracht wird. Der Grund ist einfach: Ohne sie dürfte die Budgetrechnung für das Jahr 2020 nicht aufgehen. Athen wird sich damit abfinden müssen, dass dieses Thema für die Gläubiger noch nicht abgehakt ist.
Das Korsett für die neue griechische Regierung wird also weiterhin eng sein, der Job des Finanzministers schwierig. Denn die Probleme bleiben, trotz erfolgreicher Kapitalaufnahme auf den Märkten, gewaltig: hohe Arbeitslosigkeit, Armut, ein starrer Arbeitsmarkt, immense Schulden und Banken, die immer noch durch die hohen faulen Kredite in ihren Bilanzen gelähmt sind.