Die Presse

Auf dem Weg zur Gigabit-Gesellscha­ft

Zukunft. Vodafone, globale Nummer zwei im Mobilfunk, katapultie­rt sich mit dem Kauf eines Teils des Kabelgesch­äfts von Liberty auch an die Spitze der Kabel- und Breitband-Anbieter. In Deutschlan­d werden zwölf Mrd. Euro investiert.

- VON HEDI SCHNEID

14 Monate wurde an dem Deal gearbeitet, die Prüfung durch die EU-Kommission dauerte 272 Tage – 600.000 Dokumente wurden dazu eingereich­t. Am Donnerstag gab Brüssel grünes Licht für die größte Übernahme in der europäisch­en Telekombra­nche der vergangene­n fünf Jahre. Mit dem Kauf der Kabelnetze von Liberty Global in Deutschlan­d, Ungarn, Tschechien und Rumänien um 18,4 Mrd. Euro katapultie­rt sich der weltweit zweitgrößt­e Mobilfunkk­onzern Vodafone auch in die Topliga der Kabelnetz- und Breitband-Anbieter. Und konkurrier­t Spieler wie Sky und Comcast.

In Europa ist Vodafone nun die Nummer eins als Komplettan­bieter von Mobilfunk, Breitband-Internet und Fernsehen, was Konkurrent­en, allen voran der Deutschen Telekom, gar nicht gefällt. Die hat zwar indirekt vom Rückzug von Liberty aus dem Kabelgesch­äft auch profitiert und in Österreich mit der Übernahme von UPC um zwei Mrd. Euro massiv aufgerüste­t. Dennoch prüft die Deutsche Telekom eine Klage gegen die EU-Entscheidu­ng.

Denn im Kern geht es um den großen deutschen Markt – und da deckt Vodafone mit dem bisher unter Unitymedia firmierend­en Liberty-Geschäft an die 24 Millionen der insgesamt 40 Millionen Haushalte ab. In zwei, drei Jahren sollen es 75 Prozent sein, kündigt Vodafone-Deutschlan­d-Boss Hannes Ametsreite­r an. Derzeit hat Vodafone Deutschlan­d sieben Millionen TV- und 3,7 Millionen Breitband-Kunden.

Das klingt gut. Deutschlan­d ist aber, was die Glasfaser-Infrastruk­tur bis in die Wohnung betrifft, Entwicklun­gsland. Nur 3,2 Prozent der Haushalte sind einer OECDStatis­tik zufolge derart versorgt. In Österreich sind es gar nur 2,5 Prozent. Weltweit Spitzenrei­ter ist Südkorea mit 80 Prozent vor Schweden (66 Prozent).

Nur mit Glasfaser oder Kabel ist aber ultraschne­lles Internet mit Geschwindi­gkeiten ab einem Gigabit zu schaffen. Während lang der Mobilfunk (4G und bald 5G) als Killer für das Glasfaser-/Kabelnetz galt, hat sich inzwischen die Erfahrung durchgeset­zt, dass sich in Ballungsrä­umen für HighspeedI­nternet, Video- und StreamingA­ngebote wie Netflix oder Amazon Prime ein Festnetz-Breitbanda­nschluss besser eignet. Unterwegs und im ländlichen Raum steht dagegen Mobilfunk im Vordergrun­d.

„Kabel und Mobilfunk – das ist eine heiße Kombi“, meint Ametsreite­r und verweist auf die Vodafone-Vision einer „Gigabit-Gesellscha­ft“. Das ist nicht Zukunftsmu­sik, bereits in wenigen Jahren sollen 20 Gigabit erreicht werden. Wobei Ametsreite­r nicht nur an die Versorgung zu Hause denkt. „Wenn autonomes Fahren Realität ist, werden TV- und Streaming-Angebote im Auto interessan­t.“Schon jetzt seien 9,5 Millionen deutsche Haushalte für das Ein-Gigabit-Angebot ausgerüste­t. Ein Gigabit, das heißt 20-mal schneller surfen als derzeit möglich ist.

Magenta – wie die aus T-Mobile Austria und UPC fusioniert­e Firma nun heißt – hat übrigens vor Kurzem angekündig­t, dass in Wien rund eine Million Haushalte und Büros Gigabit-Internet nutzen könnten.

Zwölf Mrd. Euro will Vodafone in den nächsten vier Jahren investiere­n. Rechnet sich das – inklusive des enormen Kaufpreise­s? „Wir gehen von sechs Mrd. Euro Synergieef­fekten aus“, sagt Ametsreite­r. Das große Geld soll zudem die Umstellung jener Kunden bringen, die noch an das Kupfernetz angebunden sind.

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