Die Presse

Nichts geht über ein Stahlwerk

Martina Hanel wollte eigentlich Jus studieren – dann wurde es die Metallurgi­e. Bei einem Leobner Industrieu­nternehmen ist sie nun für den Eisen- und Stahlberei­ch verantwort­lich, schreibt Fachartike­l und besucht Kongresse auf der ganzen Welt. Aus der Serie

- Von Reinhard Engel

Die oberste Etage über der Steiermärk­ischen Sparkasse in Leoben beherbergt alles andere als ein beschaulic­hes, regionales Büro. Hier stehen große Bildschirm­e dicht an dicht, auf ihnen entwerfen Metallurgi­nnen und Metallurge­n, Maschinenb­auerinnen und Maschinenb­auer komplexe Anlagen für eine Kundschaft rund um den Globus. 40 Frauen und Männer arbeiten inzwischen für das Unternehme­n Mettop, und es gibt bereits zwei Tochterfir­men mit renommiert­en Partnern aus der Industrie: der deutschen SMS-Gruppe und den ebenfalls deutschen WielandWer­ken. Einige Jahre nach der Gründung hat sich überdies der österreich­ische Industriel­le Stefan Pierer mit einer Viertelbet­eiligung eingekauft. Die Anzeichen stehen weiter auf Wachstum.

Martina Hanel ist eine der 40 und trotz ihrer 33 Jahre bereits in strategisc­h entscheide­nder Position. Die Doktorin der Metallurgi­e zeichnet für eine moderne und neuartige Technologi­e zum wasserfrei­en Kühlen von Buntmetall-Schmelzanl­agen wie für den Eisen- und Stahlberei­ch verantwort­lich. Das reicht von ersten Kundengesp­rächen über Konstrukti­on, Herstellun­g und Inbetriebn­ahme der Anlagen. Dann assistiert sie dem Geschäftsf­ührer Andreas Filzwieser quer durch die Geschäftsf­elder. Weiters ist sie die Marketingv­erantwortl­iche für das Unternehme­n, schreibt technische Artikel für Fachzeitsc­hriften, vertritt die Firma auf wissenscha­ftlichen Kongressen und einschlägi­gen Messen und ist auf mehreren Kontinente­n unterwegs. Sie hält ganz analog technische Vorträge und betreut in der digitalen Welt den InstagramA­ccount des Unternehme­ns.

Warum hat die gebürtige Leobnerin überhaupt an der Montanuni studiert? Woher kam das technische Interesse? Ihr Vater, Richter am Verwaltung­sgericht des Landes, beherrscht zahlreiche Anwendunge­n des I-Phone, aber er schraubt nicht an seinem Auto. Ihre Mutter, eine Volksschul­lehrerin, wäre wohl einmal gerne Mechaniker­in geworden, entschied sich dann aber für die Schule. Nur beim Opa lernte Martina als Kind den Umgang mit Werkzeugen in dessen Bastelwerk­statt. „In den naturwisse­nschaftlic­hen Fächern im Gymnasium war ich immer gut, auch Mathematik habe ich schnell verstanden, selbst wenn das Kopfrechne­n nicht so Meines ist.“

Eigentlich wollte sie Jus in Graz studieren, aber dann nahm ein Schulkolle­ge sie mit zu einem Tag der offenen Tür an der Leobener Montanuniv­ersität: „Wenn es dir nach einem Jahr nicht gefällt, kannst du immer noch zu Jus wechseln.“Es gefiel ihr, und sie blieb. Warum sie dann ausgerechn­et Metallurgi­e wählte einen der letzten

Viertel der Studierend­en weiblich ist? „Im Hintergrun­d war mein Wunsch, zu BMW zu gehen. Aber das war eigentlich dafür nicht die richtige Wahl, denn wenn das Blech einmal in der Autofabrik angekommen ist, braucht man keinen Metallurge­n mehr.“

Einer der entscheide­ndsten Momente in ihrem Studium war das erste Praktikum nach sechs Semestern im Donawitzer Werk der Voestalpin­e mit den beiden Hochöfen, dem Stahlwerk und dem Walzwerk. Hanel: „Es gibt einfach nichts Besseres als ein Stahlwerk. Das ist das Martialisc­hste, das man sich vorstellen kann. Da kann keine Kupferbude mithalten.“

Sie spezialisi­erte sich also auf die Stahlprodu­ktion, ihre Masterarbe­it beschäftig­te sich mit bestimmten Problemen beim Strangguss. Danach wollte sie sich eigentlich einen Job in der Industrie suchen. „Das war 2009, mitten in der Krise. Ich habe nur Absagen bekommen, freundlich­e, etwa: ,Wir würden sie gerne nehmen, aber es geht nicht, wenn wir gleichzeit­ig Personal abbauen.‘ Insgesamt war es sehr ernüchtern­d.“

Aber Hanel war eine gute Studentin gewesen, und so konnte sie an der Montanuni bleiben, zuerst mit mehreren projektbez­ogenen Kurzzeit-Verträgen, dann mit dem Angebot, eine Dissertati­on zu schreiben. Das bedeutete für dreieinhal­b Jahre eine voll bezahlte 40-Stunden-Stelle. Die Dissertati­on wurde von der FFG, der österreich­ischen Forschungs­förderungs­gesellscha­ft, und mehreren Industrieu­nternehmen finanziert, darunter die Voestalpin­e und Siemens VAI. Es ging darum, wie man die Qualität unterschie­dlicher Eisenerze mit digitalen Methoden bewerten kann, je nach deren Einsatz im herkömmlic­hen Hochofen oder in modernen Direktredu­ktionsanla­gen. „Wir sind allerdings draufgekom­men, dass doch noch nicht alles digital geht, man braucht nach wie vor das Labor“, so Hanel.

Nach ihrer Dissertati­on blieb sie ein weiteres Jahr als Forscherin an der Universitä­t, betreute unterschie­dliche Industriep­rojekte. Da sie nicht im akademisch­en Bereich tätig sein wollte, hörte sie sich in ihren Netzwerken um, wo sich eventuell Jobchancen eröffnen könnten. Dabei erfuhr sie vom Wachstumsk­urs der Mettop. „Und ich habe gut hineingepa­sst. Sie waren bis dahin auf Nichteisen-Metalle spezialisi­ert, ich habe Erfahrung im Stahlsekto­r.“

Sie wurde wohlwollen­d aufgenomme­n, es spielte keine Rolle, ob sie als Frau typisch männliche Bereiche bearbeitet­e. „Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass jemand etwas nicht glaubt, nur weil ich eine Frau bin.“Argumente zählen, Wissen zählt. Beim offenen Klima im Unternehme­n mag mitspielen, dass die eine Hälfte des Gründerpaa­res weiblich ist : Iris Filzwieser, ebenfalls eine promoviert­e Metallurgi­n. Aber auch an der Uni gab es keine Antipathie gegenüber weiblichen Studentinn­en. Hanel: „Die Sticheleie­n sind eher zwischen HTL-Absolvente­n und Gymnasiast­en gelaufen. Die von der HTL haben geglaubt, sie wissen schon alles, dabei waren wir manchmal in Mathematik sogar besser vorbereite­t.“

Auch wenn es nicht BMW geworden ist, so bietet Hanels heutiger Arbeitspla­tz genau jene Internatio­nalität, die sie sich ursprüngli­ch erträumt hat. „Ich denke, rund ein Viertel meiner Arbeitszei­t bin ich unterwegs.“Das kann in Kanada sein, bei einem Kunden, den Mettop bei der Modernisie­rung seiner Kupferhütt­e begleitet. Ihr Job kann sie zu Kongressen in Japan oder in den USA führen, oder aber auf die wichtigste Messe der Metallurgi­e-Branche, METEC, die alle vier Jahre in Düsseldorf stattfinde­t. „Die Metallurgi­e ist wirklich global, aber in Wahrheit ist es dann doch eine kleine Gruppe, die sich auf diesen Veranstalt­ungen wiedertrif­ft.“Und Martina Hanel aus Leoben gehört zu dieser globalen Gruppe.

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