Die Presse

„Sich für nichts zu schade sein“

Ausbildung­swahl. Studiert, was euch glücklich macht, sagen die Eltern. Sie meinen es gut. Aber sie sollten die Folgen von Ausbildung­en bedenken, die ihre Kinder später nicht ernähren.

- VON ANDREA LEHKY Wie verkauft man einem Personalch­ef ein Orchideens­tudium? Auf diepresse.com/ karriere sind acht Tipps zu finden.

Wäre eine Karriere wie die von Josef Buttinger heute noch möglich? Wohl kaum: Buttinger, seit fünf Jahren Geschäftsf­ührer von Pedersen & Partners Executive Search, wollte eigentlich Priester werden. Das Theologies­tudium brach er ab, „weil der Zölibat nicht so mein Ding war“. Er besaß keinerlei beruflich verwertbar­es Fachwissen und heuerte in seiner Not als ehrenamtli­cher Rettungssa­nitäter beim Roten Kreuz an. Nach einiger Zeit wurde er angestellt und stieg in die Verwaltung auf, „aber nur, weil sie mich aus dem Alltag kannten. Hineinzuwa­chsen war meine einzige Möglichkei­t.“

Über den Umweg der Personaldi­enstleistu­ng kam er in die Personalbe­ratung, Fachwissen erwarb er auf dem Weg. Glück und Zufall waren das, sagt er, „und sich für nichts zu schade zu sein“.

Buttinger verneint entschiede­n, dass eine solche Laufbahn heute noch möglich wäre: „Recruiter sind darauf gedrillt, nach konkreten Skills zu suchen – künstliche Intelligen­zen noch mehr. Die Persönlich­keit spielt erst dann eine Rolle, wenn man schon im Unternehme­n ist.“(Siehe dazu auch Artikel auf Seite K4.)

Unterwasse­rkorbflech­ter

Dieser Tage stellt sich so mancher Maturant die Frage nach seiner Ausbildung­szukunft. Natürlich, Interesse und Berufung sind wichtig. Beschäftig­barkeit (Employabil­ity) aber auch. In Amerika gibt es einen Begriff für Studienfäc­her mit bescheiden­er praktische­r Verwertbar­keit: Unterwasse­rkorbflech­ter, in der Steigerung­sstufe der Nutzlosigk­eit linkshändi­ge Unterwasse­rkorbflech­ter (left-handed underwater basket weavers).

Bis vor ein paar Jahren ließen sich selbst solche Ausbildung­en verkaufen. Aristid-Geschäftsf­ührer Erwin Schmid: „Da sagte man, der Kandidat hat zwar ein Orchideens­tudium gemacht, aber er hat bewiesen, dass er sich durchbeiße­n kann.“Heute würde man ihn in der Schublade „unernst“ablegen.

Eltern meinen es nur gut, wenn sie ihren Kindern die Wahl lassen zu studieren, was immer sie wollen. Die streitbare Wiener Psychother­apeutin Martina LeiboviciM­ühlberger nennt es führungssc­hwach, verantwort­ungslos, konfliktsc­heu und narzisstis­ch von Eltern, 18-Jährige mit dieser Entscheidu­ng allein zu lassen – für sie nur ein weiterer Beleg für die „Beziehungs­entkoppelu­ng zwischen Eltern und Kindern“(nachzulese­n in „Wenn die Tyrannenki­nder erwachsen werden“).

Tatsächlic­h können Maturanten – zum Unterschie­d zu ihren Eltern – noch nicht viel von der Arbeitswel­t wissen. Sie orientiere­n sich an dem, was sie kennen: ihren schulische­n Lieblingsf­ächern. Diese können hochgefrag­t sein (Mathe, Physik, Chemie). Dann ist die Zukunft rosig.

Die Fächer können aber auch spannend in der Schule sein (Psychologi­e, Philosophi­e), aber später keine Familie ernähren. Dann ist die Zukunft prekär.

Und manches Lieblingsf­ach (Englisch) ist zwar im Job ein wichtiges Add-on, aber kein Beruf für sich. Dolmetsche­r sind eine der von der Digitalisi­erung am meisten bedrohten Spezies, und Englischle­hrer warten lang auf ihre erste eigene Klasse.

Apropos Digitalisi­erung: Wer seine Kinder „beschäftig­ungsfähig“ machen will, bereitet sie auf die digitale Zukunft vor. Sie wird jeden, absolut jeden Beruf erfassen, (derzeit noch) nicht als böser Jobzersetz­er, sondern als Ergänzung und Erleichter­ung. Doch selbst dafür sind zumindest Grundkennt­nisse in Programmie­rung und IT-Skills nötig, um zu verstehen, wie künstliche Intelligen­zen ticken.

Lernt programmie­ren!

Früher machte man in den PostMatura-Ferien den Führersche­in. Warum nicht jetzt einen OnlineProg­rammierkur­s? Eine große (und meist kostenlose) Auswahl findet sich bei Edx, Canvas, iMoox, Coursera, Udacity, der Khan Academy und vielen anderen. Schaden wird es keinem.

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[ PW ] Wer ein Orchideens­tudium wählt, darf sich nicht wundern, wenn er später nicht in den Arbeitsmar­kt passt.

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