Notenbanken am Zug
Geldpolitik. Für Investoren werden die nächsten Tage überaus spannend, den Notenbanken sei Dank. Die Zeichen stehen auf offene Geldschleusen, trotzdem ist das Potenzial für Kursverluste enorm.
Die Zeichen stehen auf offene Geldschleusen, trotzdem ist das Potenzial für Kursverluste enorm.
Man kann das, was sich in der globalen Geldpolitik in den kommenden zehn Tagen abspielen wird, gar nicht überbewerten. Erstmals seit der großen Krise von vor zehn Jahren wird die Notenbank Fed nächste Woche wieder die Zinsen senken – es sei denn, sie hat einen der schwersten Kommunikationsfehler aller Zeiten begangen. Die Europäische Zentralbank wiederum könnte schon diese Woche Hinweise auf ein weiteres Kaufprogramm für Anleihen geben. Selbst eine Zinsreduktion ist nicht ausgeschlossen, auch wenn diese weitgehend erst für September erwartet wird.
Spannende Zeiten also, zumal die globale Geldpolitik etwas wagt, was es in dieser Form noch nie gegeben hat. Jüngere Investoren werden sich nicht erinnern, aber ein Zinsniveau von null in Europa und etwas mehr als zwei Prozent in den USA ist ungewöhnlich niedrig. Von solch einem Niveau aus erneut die Geldschleusen zu öffnen, ist gewagt. Was soll’s: Aktionäre können sich grundsätzlich darüber freuen, zumindest kurz- bis mittelfristig. Schließlich feuert eine expansive Geldpolitik in der Regel die Kurse an, ihr ist es zu verdanken, dass die wichtigsten US-Indizes zuletzt neue Rekorde vermeldet haben.
EZB könnte jetzt schon lockern
Trotzdem ist das Potenzial für herbe Kursverluste in den kommenden zwei Wochen enorm. Das liegt weniger an der EZB, deren Treffen diese Woche in Frankfurt stattfindet. Die Mehrheit der Marktteilnehmer rechnet mit einem unveränderten Zinssatz. Selbst eine vage Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi, dass eine Reduktion des Einlagesatzes beziehungsweise ein neuerliches Kaufprogramm ab September möglich sind, dürfte ausreichen, um ein Kursgemetzel abzuwenden. Sollte die EZB hingegen tatsächlich jetzt schon die Zügel lockern, würden sich Anleger freuen: Ein Feuerwerk wäre möglich.
Das kurzfristigere Problem aus Sicht von in den Aktienmarkt investierten Anlegern stellt die Fed dar. Eine Zinsreduktion am 31. Juli ist zu 100 Prozent eingepreist, darauf deuten die Kurse an der Optionsbörse CME in Chicago hin. Fed-Chef Jerome Powell bereitet die Märkte seit Wochen auf einen Zinsschritt vor, und solange er nicht von allen guten Geistern verlassen worden ist, wird er auch liefern. Einzig: Eine Reduktion um einen Viertelpunkt ohne weitere Zeichen einer Lockerung wird nicht ausreichen, um eine Talfahrt an den wichtigsten Aktienmärkten abzuwenden.
Das hat weniger mit Donald Trump zu tun, schließlich fordert der Präsident ein Minus von einem Prozentpunkt, und jeder Investor bei Sinnen weiß, dass es das nicht spielen wird. Doch hat Powell selbst Anfang des Monats indirekt einen Schritt um 0,5 Prozentpunkte nicht ausgeschlossen. „Absolut“, antwortete der weltwichtigste Notenbanker während seiner Anhörung vor dem US-Kongress auf die Frage, ob das sogenannte „neutrale Zinslevel“niedriger als bisher angenommen sein könnte. Soll heißen: Die Zinspolitik war „weniger akkommodativ“, als die Fed dachte, erklärte Powell.
Oder anders ausgedrückt: Die letzte Erhöhung im Dezember könnte ein Fehler gewesen sein, weswegen nun ein größerer Schritt nach unten angebracht wäre. So würde Powell das niemals sagen, zumal er damit eingestehen würde, dass der Präsident mit seiner Kritik teilweise Recht gehabt hätte. Doch haben die Märkte die Daten nach der letzten Zinssitzung der Fed im Juni zum Teil so interpretiert. Ende Juni deutete die Futures-Börse auf die Wahrscheinlichkeit von knapp 50 Prozent einer Senkung um 0,5 Prozentpunkte hin. Entsprechend eilten die Aktienkurse in Richtung neuer Rekorde davon.
Fed könnte zu wenig senken
Wer das nun als Haarspalterei abtun will, unterschätzt die Bedeutung eines noch so kleinen Zinsschrittes der Fed. Wir sprechen hier nicht von leichten Kursänderungen. Wenn die Fed nicht liefert, kann es schnell sehr deutlich nach unten gehen. Und „nicht liefern“heißt in diesem Fall eben: eine Reduktion um einen Viertelpunkt ohne weitere Zeichen einer Lockerung. Das Problem hierbei ist allerdings, dass die Daten der vergangenen Tage darauf hindeuten, dass es gar nicht so schlecht um die US-Wirtschaft steht. Entsprechend denken manche Banker, dass eine radikale Zinsreduktion nicht gerechtfertigt ist. Einzig: Nun ist es zu spät, um den Märkten die Hoffnung darauf ohne Kursgemetzel zu nehmen.
So bescheinigte etwa der Junireport vom Arbeitsmarkt bessere Zahlen als erwartet. Das ist für die Fed von Bedeutung, weil ihr Mandat – im Gegensatz zur EZB – nicht nur die Teuerung, sondern auch die Arbeitslosigkeit umfasst. Auch die Junidaten aus der Industrie und dem Einzelhandel waren solide, was wiederum viele Ökonomen dazu veranlasste, eine Zinsreduktion um 0,5 Prozentpunkte als unwahrscheinlich einzustufen.
Für Powell ist es eine NoWin-Situation. Senkt er um 0,25 Prozentpunkte, werden Investoren – und Donald Trump – enttäuscht sein. Senkt er um 0,5 Punkte, werden sich Investoren fragen, ob die Konjunkturlage schlechter als angenommen ist, oder ob Powell letztlich doch dem Druck des Präsidenten nachgibt. Beide Szenarien könnten an den Aktienmärkten mittelfristig zu Verlusten führen, auch wenn ein Zinsschritt um einen halben Prozentpunkt vielleicht kurzfristig noch einmal ein Plus brächte.
Anleger könnten verlieren
Für den herkömmlichen Kleinanleger lässt sich daraus eine einfache Strategie ableiten: Vorsicht walten lassen und abwarten. Klar kann es sein, dass die Fed um 0,25 Punkte senkt, gleichzeitig aber eine weitere Lockerung in Aussicht stellt. Weitere Kursgewinne wären möglich, weshalb von einem totalen Abverkauf vor der Zinssitzung abzuraten ist.
Doch gerade jetzt auf Einkaufstour zu gehen, wäre gewagt: Dafür ist die Chance, dass die Fed auslässt, zu groß. Im Gegenteil: Wer auf Nummer sicher gehen will, etwa weil in naher Zukunft Kapital gebraucht wird, kann auch noch vor der Fed-Sitzung einen Teil seiner
Aktien verkaufen.