Adelsaufhebung: Wie die Behörden Namen dritteln
Umbenennung. Die Österreichische Botschaft in Bern verweigerte einer französisch-österreichischen Doppelstaatsbürgerin einen Reisepass mit einem „de“im Namen. Doch strich sie dabei nicht nur das vermeintliche Adelsprädikat.
Clarisse de Milhe´ de Saint Victor soll nicht mehr so heißen. Sondern Clarisse Milhe.´ Das entspricht zwar nicht dem Willen der in der Schweiz lebenden französisch-österreichischen Doppelstaatsbürgerin, wurde ihr aber von der Österreichischen Botschaft in Bern per Bescheid mitgeteilt. Die diplomatische Vertretung berief sich auf das Adelsaufhebungsgesetz und die dazu ergangene höchstgerichtliche Rechtsprechung. So eindeutig wie behauptet ist die Rechtslage allerdings nicht.
Die 31-Jährige hat 2016 den Franzosen Florent Olivier Marie de Milhe´ de Saint Victor geheiratet. Dabei hat sie seinen Nachnamen angenommen, sodass sie (wie auch die gemeinsamen Kinder) in Frankreich und der Schweiz offiziell stets als „de Milhe´ de Saint Victor“oder nur als „de Saint Victor“geführt wird: ob bei Behörden, in der Arbeit oder bei der Bank.
Nicht so vor Österreichs Behörden: Als sie bei der Botschaft in Bern einen österreichischen Pass lautend auf „de Milhe´ de Saint Victor“beantragte, scheiterte sie: Denn Österreich hat als Folge des Zerfalls der Monarchie 1919 den Adel abgeschafft. Seither dürfen keine Adelsprädikate mehr geführt werden. Aber ist ein französisches „de“ein Adelsprädikat? Übersetzt heißt das Wort nicht nur „von“, sondern zum Beispiel auch „aus“und kommt in Frankreich auch bei nicht adeligen Familien vor.
Warten auf die Höchstgerichte
Die Botschaft zitiert eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (2008/17/0114), wonach das Verbot von Adelsprädikaten auch „de“erfasse, selbst dann, wenn der Namensträger es in Frankreich oder der Schweiz als Teil des bürgerlichen Namens führen dürfe. Das Problem daran: In dieser Entscheidung ist von „de“keine Rede (sondern von einem „Graf von X und Y“). „Es gibt zu ,de‘ und anderen vermeintlichen Adelsbezeichnungen in Fremdsprachen noch kein Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshoferkenntnis“, sagt Rechtsanwalt Clemens Grünzweig, der sich viel mit behördlich erzwungenen Umbenennungen beschäftigt. Es gebe aber bereits Fälle, die zum Höchstgericht kommen könnten, so Grünzweig zur „Presse“.
„Ich glaube nicht, dass man ausländische Namensbestandteile so einfach übersetzen kann“, meint Grünzweig. Sie würden einem Österreicher vielleicht gar nichts sagen, sodass auch nicht gleich der Anschein adeliger Herkunft entstehe. Das niederländische „van“, wie es Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Namen führt, scheine überhaupt niemanden zu interessieren. Die Verwaltungspraxis wirkt nach Grünzweigs Erfahrung aber generell „ein bisschen willkürlich“.
Im Fall (de) Milhe´ hält Grünzweig die Entscheidung der Botschaft keinesfalls für zulässig. Denn hier würde nicht bloß das „de“gestrichen, sondern auch ein doppelt so langer Namensteil wie das verbleibende Milhe,´ nämlich „de Saint Victor“. In anderen Fällen würde üblicherweise bloß das Adelszeichen weggelassen und durch einen Bindestrich ersetzt.
Der EuGH hat einst entschieden, dass Österreich Ilonka Fürstin von Sayn-Wittgenstein verbieten darf, „Fürstin von“im Namen zu führen. Die Immobilienmaklerin Ilonka Havel hatte sich vom deutschen Lothar Fürst von Sayn-Wittgenstein adoptieren lassen, was dem Fall eine eigene Note gab. Grünzweig: „Damit ist nicht gesagt, dass der EuGH den Namenserwerb durch Abstammung oder Heirat gleich behandeln würde.“(kom)