Börse hat sich nicht geirrt: Firmen geht es unerwartet gut
Aktien. In der laufenden Berichtssaison gibt es bisher mehr gute als böse Überraschungen. Höhere Gewinne allein reichen Anlegern aber nicht.
Die Börsen haben heuer die Delle vom Vorjahr mehr als wettgemacht. Der Dow Jones ist heuer bis dato um 17 Prozent gestiegen und hat kürzlich ein neues Allzeithoch erreicht. Der DAX zog ebenfalls um 16 Prozent an.
Einige Marktteilnehmer haben befürchtet, dass die Märkte zu optimistisch wären, dass die Kurse also nachgeben würden, wenn die Unternehmen mit ihren Zahlen für das zweite Quartal enttäuschen. Bis dato überwiegen aber die positiven Überraschungen. So kletterte die Aktie des weltgrößten börsenotierten Unternehmens, Microsoft, auf einen neuen Rekord, nachdem der Softwarekonzern im abgelaufenen Geschäftsjahr (per Ende Juni) Umsatz und Gewinn zweistellig steigern konnte. Das CloudGeschäft (Bereitstellen von Speicherplatz im Internet) floriert, zudem erhöht sich die Nachfrage nach Software durch das Ausmustern der Version Windows 7.
Nicht immer reicht ein Erfolg im Cloud-Geschäft aus, um die Aktionäre zu begeistern: Auch beim deutschen Softwarekonzern SAP läuft diese Sparte gut, Umsatz und operativer Gewinn konnten im zweiten Quartal gesteigert werden. Der Nettogewinn sank jedoch, weil Abfertigungen für Tausende ausscheidende Mitarbeiter das Ergebnis belasteten. Die Aktie fiel.
Die IBM- Aktie konnte dagegen zulegen, obwohl das Unternehmen, welches sich in einem tiefgreifenden Umbau befindet, schon wieder einen Umsatzrückgang vermelden musste. Dank geringerer Kosten stieg jedoch der Gewinn. Das gefiel den Anlegern.
American Express nahmen sie dagegen übel, dass die Kosten zunahmen: Der Kreditkartenanbieter hat zwar Gewinn und Erträge im zweiten Quartal wegen der Konsumfreudigkeit der Amerikaner gesteigert. Das verdankt das Unternehmen jedoch auch der Tatsache, dass es mehr Geld für Rabattprogramme ausgegeben hat. Die Aktie gab nach der Zahlenpräsentation nach.
Bei den großen Banken zeigte sich, dass sich mit Investmentbanking derzeit nicht viel verdienen lässt, wohl aber mit Privatkunden. Morgan Stanley musste wegen der Schwäche des Investmentbankings im zweiten Quartal einen Gewinnrückgang hinnehmen. Wegen der Angst vor Handelskrieg und Konjunkturflaute schwächelt das Geschäft mit Übernahmen und Fusionen, und Anleger halten sich mit Investitionen zurück. Bei Goldman Sachs fiel der Gewinn aus dem gleichen Grund. Das konnte den Aktien nichts anhaben, die Anleger hatten offenbar Schlimmeres erwartet. JP Morgan, Bank of America und Citigroup haben im Gegensatz zu Morgan Stanley und Goldman Sachs ein starkes Privatkundengeschäft. Sie konnten ihre Gewinne steigern, was auch an der Börse gut ankam.
Auch von der zuletzt eher leidgeplagten Autobranche gab es Positives zu berichten: Der schwedische Lkw-Bauer Volvo (nicht zu verwechseln mit dem Pkw-Hersteller Volvo Cars) muss sich zwar mit rückläufigen Auftragseingängen herumschlagen, dank des hohen Auftragsbestands sowie weggefallener Lieferengpässe hat das Unternehmen jedoch einen unerwarteten Gewinnsprung verbucht. Die Aktie legte kräftig zu.
Der Schweizer Pharmakonzern Novartis profitierte im ersten Halbjahr von steigenden Erlösen beim Mittel Cosentyx gegen Schuppenflechte und beim Herzmedikament Entresto. Also erhöhte der Konzern seine Umsatz- und Ergebnisprognose, was der Aktie Schub verlieh.
Wer befürchtet hatte, dass die Unruhen in Hongkong und die abflauende Konjunktur in China dem Schweizer Uhren- und Schmuckhersteller Richemont zusetzen würde, wurde eines Besseren belehrt: Der Umsatz legte zweistellig zu, vor allem in Asien. Die Anleger ließen sich aber nicht blenden: Zum einen verdankt das Unternehmen das starke Plus teilweise Zukäufen, auch das Geschäft mit Uhren läuft nicht mehr so gut.
Die einzige schwere Enttäuschung unter den großen Unternehmen, die bereits ihre Quartalszahlen bekannt gegeben haben, hat der Onlinevideoanbieter Netflix geliefert. Auch dort stieg der Umsatz, das verdankte das Unternehmen aber satten Preiserhöhungen. Netflix gewann weniger neue Kunden dazu als erwartet, in den USA war die Kundenzahl gar rückläufig. Die Aktie gab daraufhin zweistellig nach. Umsatz- und Gewinnanstiege reichen eben längst nicht mehr aus, um Aktionäre zu begeistern.