Die Presse

Behutsamer Höllengalo­pp unter freiem Himmel

Musiksomme­r Grafenegg. Die Musiciens du Louvre würdigten zum 200. Geburtstag des Komponiste­n im Wolkenturm auch die weniger bekannten Facetten von Jacques Offenbachs musiktheat­ralischem Schaffen.

- VON WALTER DOBNER

Abgesehen von wenigen Stücken wie „Les contes d’Hoffmann“, „Belle Hel`´ene“oder „Orphee´ aux enfers“, ist das Schaffen Jacques Offenbachs hierzuland­e wenig präsent. Zu dessen 200. Geburtstag sollte eine Gala im Wolkenturm von Grafenegg dem entgegenwi­rken. Sie huldigte dem Jubilar, ohne den die Wiener Operette nicht entstanden wäre, nicht nur mit den üblichen Ohrwürmern, sondern auch mit weniger Bekanntem.

Vielleicht hätte dieses Konzept mehr Eindruck hinterlass­en, wenn ein kundiger Moderator durch den Abend geführt hätte. Denn der Mix wirkte mehr dem Zufall und den Vorlieben der Mitwirkend­en als überlegter Dramaturgi­e geschuldet. Schade, denn mit den Musiciens du Louvre hatte man ein Orchester engagiert, das sich auf dieses Repertoire besonders versteht, wie man von zahlreiche­n Aufführung­en und mustergült­igen Einspielun­gen weiß.

Dass es diesmal weniger moussieren­den Charme, pointierte­n Witz und subtile Brillanz ausstrahlt­e, lag am Dirigenten Sebastien´ Rouland, Generalmus­ikdirektor des Saarländis­chen Staatsthea­ters Saarbrücke­n. Er konnte die klangliche­n Möglichkei­ten des Ensembles schon bei der „Orpheus“-Ouvertüre nur bedingt nutzen. Selbst bei einem Bravourstü­ck wie dem Höllengalo­pp kostete er die Effekte kaum aus, blieb ungewohnt zurückhalt­end. Misstraute er dem Schwung der Musik? Wollte er eine Interpreta­tion abseits der Klischees? Mehr Pfiff hätte dieser „Galop infernal“durchaus vertragen. Erst recht in der Grafenegge­r Freiluftat­mosphäre.

Im zweiten Teil des Sommernach­tskonzerts wirkten Orchester und Dirigent lockerer, ebenso die drei Solisten: der solide Tenor Thomas Bettinger, der anfangs um Tiefenschä­rfe ringende Bariton Alexandre Duhamel und die auch mit Spitzentön­en souverän kokettiere­nde Mezzosopra­nistin Aude Extremo,´ zuletzt bei den Pfingstfes­tspielen Salzburg als Perichole´ zu Gast. Daraus gab sie auch in Grafenegg einiges zum Besten.

Zu den Glanzpunkt­en zählten das mit lyrischem Schmelz gebotene „Rondo des Brasiliane­rs“aus „La vie parisienne“, das von pointierte­m Augenzwink­ern begleitete Duett „Lieschen und Fritzchen“aus der gleichnami­gen „Conversati­on alsacienne“und Hoffmanns populäre Ballade von „Klein Zack“, bei der das enthusiasm­ierte Publikum nicht lang genug warten wollte, um dem zur Bestform auflaufend­en Thomas Bettinger heftig zu akklamiere­n. Aude Extre-´ mo präsentier­te sich zudem als Helena und besonders eindrucksv­oll als Niklausse. Alexandre Duhamel beeindruck­te eher als Dapertutto denn als Lindorf und Coppelius.´

Der wichtigste Beitrag zur Offenbachi­ade stand mit dem Essay des führenden Offenbach-Forschers der Gegenwart, Ralf-Olivier Schwarz, im Programmhe­ft.

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