Behutsamer Höllengalopp unter freiem Himmel
Musiksommer Grafenegg. Die Musiciens du Louvre würdigten zum 200. Geburtstag des Komponisten im Wolkenturm auch die weniger bekannten Facetten von Jacques Offenbachs musiktheatralischem Schaffen.
Abgesehen von wenigen Stücken wie „Les contes d’Hoffmann“, „Belle Hel`´ene“oder „Orphee´ aux enfers“, ist das Schaffen Jacques Offenbachs hierzulande wenig präsent. Zu dessen 200. Geburtstag sollte eine Gala im Wolkenturm von Grafenegg dem entgegenwirken. Sie huldigte dem Jubilar, ohne den die Wiener Operette nicht entstanden wäre, nicht nur mit den üblichen Ohrwürmern, sondern auch mit weniger Bekanntem.
Vielleicht hätte dieses Konzept mehr Eindruck hinterlassen, wenn ein kundiger Moderator durch den Abend geführt hätte. Denn der Mix wirkte mehr dem Zufall und den Vorlieben der Mitwirkenden als überlegter Dramaturgie geschuldet. Schade, denn mit den Musiciens du Louvre hatte man ein Orchester engagiert, das sich auf dieses Repertoire besonders versteht, wie man von zahlreichen Aufführungen und mustergültigen Einspielungen weiß.
Dass es diesmal weniger moussierenden Charme, pointierten Witz und subtile Brillanz ausstrahlte, lag am Dirigenten Sebastien´ Rouland, Generalmusikdirektor des Saarländischen Staatstheaters Saarbrücken. Er konnte die klanglichen Möglichkeiten des Ensembles schon bei der „Orpheus“-Ouvertüre nur bedingt nutzen. Selbst bei einem Bravourstück wie dem Höllengalopp kostete er die Effekte kaum aus, blieb ungewohnt zurückhaltend. Misstraute er dem Schwung der Musik? Wollte er eine Interpretation abseits der Klischees? Mehr Pfiff hätte dieser „Galop infernal“durchaus vertragen. Erst recht in der Grafenegger Freiluftatmosphäre.
Im zweiten Teil des Sommernachtskonzerts wirkten Orchester und Dirigent lockerer, ebenso die drei Solisten: der solide Tenor Thomas Bettinger, der anfangs um Tiefenschärfe ringende Bariton Alexandre Duhamel und die auch mit Spitzentönen souverän kokettierende Mezzosopranistin Aude Extremo,´ zuletzt bei den Pfingstfestspielen Salzburg als Perichole´ zu Gast. Daraus gab sie auch in Grafenegg einiges zum Besten.
Zu den Glanzpunkten zählten das mit lyrischem Schmelz gebotene „Rondo des Brasilianers“aus „La vie parisienne“, das von pointiertem Augenzwinkern begleitete Duett „Lieschen und Fritzchen“aus der gleichnamigen „Conversation alsacienne“und Hoffmanns populäre Ballade von „Klein Zack“, bei der das enthusiasmierte Publikum nicht lang genug warten wollte, um dem zur Bestform auflaufenden Thomas Bettinger heftig zu akklamieren. Aude Extre-´ mo präsentierte sich zudem als Helena und besonders eindrucksvoll als Niklausse. Alexandre Duhamel beeindruckte eher als Dapertutto denn als Lindorf und Coppelius.´
Der wichtigste Beitrag zur Offenbachiade stand mit dem Essay des führenden Offenbach-Forschers der Gegenwart, Ralf-Olivier Schwarz, im Programmheft.