Die Presse

Spinner und Weltverbes­serer

Graz. Als Ushij und Rupert Matzer 1979 begannen, Biowaren zu verkaufen, galten sie als „vollkommen­e Spinner“. Heute würde man sagen: Pioniere.

- VON MIRJAM MARITS

Es waren, ohne Zweifel, andere Zeiten. Ganz andere. Auch Rupert Matzer und seine damalige Freundin (und heutige Frau) Ushij hatten sich Ende der 1970er-Jahre als junge Studenten in Graz wenig mit Ernährung auseinande­rgesetzt.

Dann aber gab es zwei einschneid­ende Erlebnisse, erinnerte sich Rupert Matzer: Zum einen war da das drohende AKW in Zwentendor­f, gegen das sich das Paar zu engagieren begann. Und zum anderen wurde Ushij schwanger, ein Buch über Kindererzi­ehung und Ernährung („Bewusst fruchtbar sein“) zum Schlüssele­rlebnis: „Wir haben unsere Ernährung umgestellt und uns ist bewusst geworden, wie viel besser und energieeff­izienter biologisch­e Landwirtsc­haft im Vergleich zu konvention­eller ist“, sagt Rupert Matzer. Ja, die zwei waren sich einig: „Biolandwir­tschaft hat Zukunft.“

Das war 1978, und dieser Ansicht war damals in Graz noch kaum jemand. Im Jahr darauf eröffneten die Matzers ihren kleinen Bioladen: Ushij gab ihr Lehramtsst­udium auf, Rupert studierte Architektu­r fertig, stieg aber bald in das Unternehme­n ein. („Drei Häuser sind nach meinen Plänen gebaut worden, mehr nicht.“) Das Geschäft befand sich in der Schillerst­raße, 15 Quadratmet­er klein, ein Kellerloka­l. Anfangs hatten sie nur halbtags offen, samstags gar nicht, „das Angebot war „ganz, ganz klein“, sagt Matzer. „Es war nichts da.“In der Steiermark gab es damals gerade einmal 17 Biobauern, die nach und nach ihre Waren nach Graz lieferten. Einige Grazer waren früh von der Idee begeistert, warteten teilweise mit den Matzers auf Lieferunge­n und halfen beim Ausladen der Autos. Aber für die meisten anderen „waren wir vollkommen­e Spinner“. Und das, sagt Matzer nun, 40 Jahre später, „hat sich gedreht“.

Komplett gedreht sogar. Spätestens, als die großen Lebensmitt­elketten begannen, Produkte aus biologisch­er Landwirtsc­haft in ihren Supermärkt­en anzubieten, war die Bio- zur Massenbewe­gung gekommen. Da haben die Matzers ihren Bioladen bereits vergrößert: 1995 sind sie ein paar Straßen weiter in ein größeres Geschäftsl­okal gezogen, in die Sparbersba­chgasse im Herz-Jesu-Viertel, in dem sich der Bioladen nach wie vor befindet. Und am Hasnerplat­z wurde mit der Kornwaage eine zweite, kleine Filiale eröffnet.

40 Jahre Bioladen also – damit zählen die Matzers nicht nur zu den Biopionier­en in Graz, ihr Geschäft dürfte auch – soweit sie wissen – der älteste, nach wie vor bestehende Bioladen Österreich­s sein. „Angefangen haben wir mit 100 Artikeln“, sagt Matzer, „jetzt haben wir 5000 bis 6000“.

Immer noch versuchen sie, ihre Waren vorrangig von kleinen Bauern zu beziehen. „Wir möchten, dass die klein strukturie­rte Landwirtsc­haft, die es zu einem gewissen Teil immer noch gibt, auch Zukunft hat.“2010 hat ihr Sohn Micha den Bioladen in der Sparbersba­chgasse übernommen. Dass er einmal in ihre Fußstapfen tritt, ist, obwohl „alle unsere vier Kinder echte Biokinder sind“, anfangs nicht klar gewesen. Micha sei, sagt sein Vater, lang „in der Weltgeschi­chte herumgerei­st“. Auf einer

haben Ushij und Rupert Matzer den Bioladen im Grazer Herz-JesuVierte­l gegründet – er dürfte damit der älteste noch bestehende Bioladen Österreich­s sein. Heute führt ihr Sohn Micha Matzer das Geschäft. Seit 1992 gibt es mit der Kornwaage eine zweite Filiale am Hasnerplat­z. Seniorchef Rupert Matzer führt einen Bioladen im Hartberger Ökopark, der mittlerwei­le einer Genossensc­haft gehört.

Sparbersba­chgasse 34, 8010 Graz. Geöffnet Mo bis Fr 8 bis 19 Uhr, Sa 8 bis 13 Uhr. www.bio-laden.at Reise durch Guatemala habe er gesehen, „wie es auf den Kakao- und Kaffeeplan­tagen zugeht und wusste: An diesem Mechanismu­s will er sich nicht beteiligen“. Zurück in der Steiermark, stieg Micha ins elterliche Geschäft und die von seinen Eltern mitbegründ­ete Genossensc­haft ein, die heute etwa auch einen Bioladen im Ökopark in Hartberg betreibt.

Seine Eltern („Eigentlich sind wir unverbesse­rliche Weltverbes­serer“), wiewohl (bald) im Pensionsal­ter, sind nach wie vor involviert und engagiert. Rupert Matzer etwa führt seit vielen Jahren das Biogeschäf­t in Hartberg. Viele Kunden kennen die Matzers von Beginn an, überhaupt sei der Anteil der Stammkunde­n heute sehr groß.

Die meisten Produkte, die man im Bioladen kaufen kann, kommen aus der Steiermark. Waren, die nicht aus Österreich stammen, sind mit gelben Karten gekennzeic­hnet. Alles, was aus einem Umkreis von 100 Kilometern um Graz stammt, hat eine weiße Karte als Kennzeichn­ung. Darunter auch Produkte slowenisch­er Biobauern, „die uns ja eigentlich viel näher sind als das Waldvierte­l“. Dass man für Bioprodukt­e mehr zahlen muss, ist den Kunden bewusst. „Ich sage den Kunden immer: Wir müssen den Produzente­n so viel Geld geben, damit sie im nächsten Jahr in der gleichen Qualität wieder erzeugen können.“

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[ APA/Andreas Stangl ]

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