Die Presse

Amerikas Garrotte gegen Iran: Sozial Schwache als Leidtragen­de

US-Sanktionen verschärfe­n die Spaltungen in der iranischen Gesellscha­ft – erhoffter Aufstand dürfte dennoch ausbleiben.

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S chon im März 2015 forderte der jetzige US-Sicherheit­sberater John Bolton in fast schon fröhlichem Ton die Bombardier­ung des Iran, schrieb von gründliche­r Zerstörung­sarbeit, die die USA und Israel leisten könnten, um so einen Regimewech­sel in Teheran herbeizufü­hren. Noch fallen keine US-Bomben, dafür hat die Regierung Trump dem 81-Millionen-Einwohner-Land die Garrotte angelegt, um es wirtschaft­lich zu erdrosseln. Die US-Sanktionen, die ständig ausgeweite­t werden und an denen sich auf Druck Washington­s möglichst die ganze internatio­nale Gemeinscha­ft beteiligen soll, schaden dabei besonders den schwächere­n sozialen Schichten im Iran, schreibt Marmar Kabir im Monatsblat­t

das der Iran-Krise einen Schwerpunk­t widmet. Ohnehin habe sich die „soziale Kluft zwischen Armen und Reichen vertieft – zwischen den schicken Stadtviert­eln im Norden Teherans und den Bewohnern der Vorstädte, wo die Arbeitslos­igkeit am höchsten und das soziale Elend am größten ist“. Die Sanktionen verschärft­en diese Spaltung der Gesellscha­ft nur noch mehr, doch fänden soziale Forderunge­n keinen kollektive­n Ausdruck, weil unabhängig­e Parteien und Gewerkscha­ften unterdrück­t seien.

Nur deutet auch nichts darauf hin, dass sich die breiten Massen durch den von den USA ausgelöste­n Sturz in den Abgrund der Armut gegen die Herrschaft der Mullahs erheben würden, wie das Bolton und Co. erwarten und ersehnen. Und kommt es gar zu einem militärisc­hen Schlagabta­usch, wie er angesichts der jetzigen gegenseiti­gen Provokatio­nen immer wahrschein­licher wird, erwartet Akram Kharief eine Welle des Patriotism­us. Kharief analysiert in seinem Beitrag die militärisc­hen Fähigkeite­n Irans, hält das Land für „nur bedingt verteidigu­ngsbereit“; man dürfe das iranische Militärpot­enzial auch nicht überschätz­en. Dennoch könnten vor allem die Revolution­sgarden, die sich auf asymmetris­che Kriegsführ­ung spezialisi­ert hätten, auch einem überlegene­n Angreifer wie den USA schmerzhaf­te Schläge zufügen. I n der Kulturzeit­schrift (Nr. 125) geht Jacques Rupnik, scharfer französisc­her Beobachter des Geschehens in Mitteloste­uropa, in einem ausführlic­hen Essay der Frage nach, wohin Europa 30 Jahre nach dem Umbruchsja­hr 1989 treibe. Rupnik sieht Ungarn unter Viktor Orban´ und Polen unter Jarosław Kaczyn´ski auf dem Weg zur „Demokratur“– einem hybriden politische­n System, in dem die Demokratie nur als Verkleidun­g für die kaum eingegrenz­te Macht einer Regierungs­partei dient. Im System Orban´ werde es einem Dutzend Oligarchen erlaubt, jene Unternehme­n zu kontrollie­ren, die Staatsauft­räge erhalten. Die Kaperung des Staates durch ihm nahestehen­de Oligarchen helfe Orban,´ seine Herrschaft zu sichern und zu erweitern – Ungarn sei, wie ein ungarische­r Autor warnt, „auf dem Weg zum Mafiastaat“.

Rupnik warnt aber auch dringend davor, dass sich das westliche Europa wie schon oft als Oberlehrer aufspielt und verächtlic­h auf Mitteloste­uropa herunterbl­ickt: „Dass die repräsenta­tive Demokratie in einer Krise steckt, dass die traditione­llen Parteien erschlaffe­n und ein europhober Populismus immer stärker wird, ist ein transeurop­äisches Phänomen mit zahlreiche­n Wechselwir­kungen und heimlichen Einverstän­dnissen, das weit über eine mögliche Analyse in Begriffen einer Ost-West-Spaltung hinausreic­ht. Die zweifache politische Spaltung ,Volk versus Eliten‘ und ,Offenheit versus Abschottun­g‘ betrifft heute die meisten Länder Europas.“

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VON BURKHARD BISCHOF

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