Österreichs Seen als unerreichbare Fata Morgana
Österreich ist ein Land der Seen in bester Qualität. Nur bleibt der Großteil der Ufer von Atter-, Traun- und Wörthersee für die Allgemeinheit unzugänglich.
Fährt man an einem heißen Sommertag auf der Südautobahn in Kärnten, leuchtet der Wörthersee mit seinem klaren, türkisfarbenen Wasser schillernd unterhalb der Fahrbahn, zum Greifen nah. Wer fühlt sich da nicht verlockt, in das reine, kühle Nass zu springen und sich zu erfrischen? Ähnlich ergeht es einem bei einer Fahrt entlang des Traunsees in seinem geheimnisvoll dunklen Grün oder am Attersee.
Doch der gelernte Österreicher weiß, dass ein Bad nur unter größten Mühen, an einzelnen oft unwegsamen Stellen oder in den wenigen überlaufenen Seebädern möglich ist. Diese Seen sind zwar im Besitz der Allgemeinheit, nicht jedoch ihre Ufer. Diese sind sorgfältig eingezäunt, und überall schrecken Schilder ab mit der Aufschrift: „Privatbesitz! Betreten verboten!“
Das wirkt auf hitzegeplagte Touristen und Gäste, die von türkis schimmernden Seen inmitten leuchtend grüner Wälder und Wiesen in bunten Prospekten für einen Urlaub in Österreich geworben wurden, nicht eben einladend. Man fühlt sich nicht willkommen, sondern weggescheucht. Hier ist kein Platz für Fremde, wird ganz klar signalisiert.
Die jüngste Analyse des Mediums „Addendum“hat bestätigt, was Beobachter bereits vermuteten: Nur einzelne Fleckchen an Österreichs Seeufern sind öffentlich zugänglich. Der überwiegende Teil ist in privater Hand und sorgsam abgesperrt. Schon vor Jahrzehnten wurde von den Seegemeinden der folgenreiche Fehler begangen, es zuzulassen, dass Österreichs Seegrundstücke an Privatleute verkauft werden. Anders als in Italien, wo Meeresstrände in einer bestimmten Breite frei bleiben müssen, kann man unsere Seen meist nur aus der Entfernung bewundern. Die unmittelbaren Uferzonen nicht vor dem Verkauf an Private geschützt zu haben, ist ein klares politisches Versäumnis und nur sehr schwer wieder gutzumachen.
Das hat auch dem Tourismus nachhaltig geschadet, denn es profitieren nur jene vom See, die auch einen eigenen Zugang bieten können, und das ist nur
ein kleiner Teil der Beherbergungsbetriebe. Dennoch ergreift man auch heute nicht die Gelegenheit; etwa, als die Besitzerin des Mondsees diesen an die öffentliche Hand verkaufen wollte. Der Deal kam nicht zustande.
Wer will schon Urlaub an einem See machen, in dem man nicht baden kann, weil er abgezäunt ist? Und wer fährt Hunderte Kilometer zu uns, um seine Ferien in einem überfüllten öffentlichen Bad zu verbringen? Das kann er in seiner Heimatstadt auch tun. In manchen Bundesländern, wie etwa in Nieder- und Oberösterreich, gelang es, einzelne Seen an längeren Uferabschnitten öffentlich zugänglich zu halten, so etwa den Erlaufsee oder den Wolfgangsee. Es ist nicht nur ein Problem des Tourismus, sondern auch ein Verlust eines harmonischen Landschaftsbildes, wenn man bei Uferwanderungen statt malerischer Ausblicke nur auf meterhohe Thujenhecken und Zäune blickt.
Es sei all jenen, die ein Haus an einem See gekauft oder geerbt haben, gegönnt, sich an diesen schönen Plätzen erholen zu dürfen. Doch ist es schwer argumentierbar, dass ein See, der auf Kosten der Öffentlichkeit saniert wurde, der im Staatsbesitz ist, der Nutzung der Allgemeinheit entzogen wird. Wir erinnern uns an den katastrophalen Zustand der Kärntner Seen in den 1970er-Jahren, die Wasserqualität war sehr schlecht. Erst durch teure Ringwasserleitungen, die von allen Bürgern finanziert werden mussten, konnten sie saniert werden. Heute weisen sie Trinkwasserqualität auf. Profitiert haben aber nur wenige Privilegierte.
Österreich als Tourismusland muss mit Destinationen auf der ganzen Welt konkurrieren, bei Einheimischen und bei Gästen aus dem Ausland alles dazu tun, damit sie hier ihren Urlaub verbringen wollen. Erfrischende und saubere Seen sind dabei ein guter Trumpf. Man muss ihn aber auch ausspielen können und nicht unter Panzerglas verbergen.