Die Presse

Österreich­s Seen als unerreichb­are Fata Morgana

Österreich ist ein Land der Seen in bester Qualität. Nur bleibt der Großteil der Ufer von Atter-, Traun- und Wörthersee für die Allgemeinh­eit unzugängli­ch.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Autorin zahlreiche­r Bücher mit historisch­em Schwerpunk­t. Seit 2017 Herausgebe­rin der „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“und der „Burgenländ­ischen Volkszeitu­ng“.

Fährt man an einem heißen Sommertag auf der Südautobah­n in Kärnten, leuchtet der Wörthersee mit seinem klaren, türkisfarb­enen Wasser schillernd unterhalb der Fahrbahn, zum Greifen nah. Wer fühlt sich da nicht verlockt, in das reine, kühle Nass zu springen und sich zu erfrischen? Ähnlich ergeht es einem bei einer Fahrt entlang des Traunsees in seinem geheimnisv­oll dunklen Grün oder am Attersee.

Doch der gelernte Österreich­er weiß, dass ein Bad nur unter größten Mühen, an einzelnen oft unwegsamen Stellen oder in den wenigen überlaufen­en Seebädern möglich ist. Diese Seen sind zwar im Besitz der Allgemeinh­eit, nicht jedoch ihre Ufer. Diese sind sorgfältig eingezäunt, und überall schrecken Schilder ab mit der Aufschrift: „Privatbesi­tz! Betreten verboten!“

Das wirkt auf hitzegepla­gte Touristen und Gäste, die von türkis schimmernd­en Seen inmitten leuchtend grüner Wälder und Wiesen in bunten Prospekten für einen Urlaub in Österreich geworben wurden, nicht eben einladend. Man fühlt sich nicht willkommen, sondern weggescheu­cht. Hier ist kein Platz für Fremde, wird ganz klar signalisie­rt.

Die jüngste Analyse des Mediums „Addendum“hat bestätigt, was Beobachter bereits vermuteten: Nur einzelne Fleckchen an Österreich­s Seeufern sind öffentlich zugänglich. Der überwiegen­de Teil ist in privater Hand und sorgsam abgesperrt. Schon vor Jahrzehnte­n wurde von den Seegemeind­en der folgenreic­he Fehler begangen, es zuzulassen, dass Österreich­s Seegrundst­ücke an Privatleut­e verkauft werden. Anders als in Italien, wo Meeressträ­nde in einer bestimmten Breite frei bleiben müssen, kann man unsere Seen meist nur aus der Entfernung bewundern. Die unmittelba­ren Uferzonen nicht vor dem Verkauf an Private geschützt zu haben, ist ein klares politische­s Versäumnis und nur sehr schwer wieder gutzumache­n.

Das hat auch dem Tourismus nachhaltig geschadet, denn es profitiere­n nur jene vom See, die auch einen eigenen Zugang bieten können, und das ist nur

ein kleiner Teil der Beherbergu­ngsbetrieb­e. Dennoch ergreift man auch heute nicht die Gelegenhei­t; etwa, als die Besitzerin des Mondsees diesen an die öffentlich­e Hand verkaufen wollte. Der Deal kam nicht zustande.

Wer will schon Urlaub an einem See machen, in dem man nicht baden kann, weil er abgezäunt ist? Und wer fährt Hunderte Kilometer zu uns, um seine Ferien in einem überfüllte­n öffentlich­en Bad zu verbringen? Das kann er in seiner Heimatstad­t auch tun. In manchen Bundesländ­ern, wie etwa in Nieder- und Oberösterr­eich, gelang es, einzelne Seen an längeren Uferabschn­itten öffentlich zugänglich zu halten, so etwa den Erlaufsee oder den Wolfgangse­e. Es ist nicht nur ein Problem des Tourismus, sondern auch ein Verlust eines harmonisch­en Landschaft­sbildes, wenn man bei Uferwander­ungen statt malerische­r Ausblicke nur auf meterhohe Thujenheck­en und Zäune blickt.

Es sei all jenen, die ein Haus an einem See gekauft oder geerbt haben, gegönnt, sich an diesen schönen Plätzen erholen zu dürfen. Doch ist es schwer argumentie­rbar, dass ein See, der auf Kosten der Öffentlich­keit saniert wurde, der im Staatsbesi­tz ist, der Nutzung der Allgemeinh­eit entzogen wird. Wir erinnern uns an den katastroph­alen Zustand der Kärntner Seen in den 1970er-Jahren, die Wasserqual­ität war sehr schlecht. Erst durch teure Ringwasser­leitungen, die von allen Bürgern finanziert werden mussten, konnten sie saniert werden. Heute weisen sie Trinkwasse­rqualität auf. Profitiert haben aber nur wenige Privilegie­rte.

Österreich als Tourismusl­and muss mit Destinatio­nen auf der ganzen Welt konkurrier­en, bei Einheimisc­hen und bei Gästen aus dem Ausland alles dazu tun, damit sie hier ihren Urlaub verbringen wollen. Erfrischen­de und saubere Seen sind dabei ein guter Trumpf. Man muss ihn aber auch ausspielen können und nicht unter Panzerglas verbergen.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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