Die Presse

Iran-Konflikt droht weiter zu eskalieren

Krise am Golf. Nach der Kaperung eines unter britischer Flagge fahrenden Öltankers durch Irans Revolution­sgarden spitzt sich die Lage weiter zu. Die Briten könnten neue Sanktionen verhängen.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

Die Regierung in London verurteilt die Festsetzun­g eines britischen Handelssch­iffs in der Straße von Hormus durch den Iran als „feindselig­en Akt“und erwägt Sanktionen gegen Teheran. Die Islamische Republik warnte Großbritan­nien am Sonntag wiederum vor einer Verschärfu­ng der Lage. Angesichts der Spannungen in der Region sei das „gefährlich und unklug“, twitterte der Botschafte­r in London, Hamid Baeidineja­d. Die USA kündigten an, erstmals seit der Irak-Invasion 2003 Soldaten nach Saudiarabi­en zu entsenden. Der Ton zwischen Teheran und London wird rauer.

Den Vorwurf des Iran, der Tanker habe gegen Schifffahr­tsregeln verstoßen, wies die Londoner Regierung zurück. Nach iranischen Angaben soll der Tanker in einen Unfall mit einem Fischerboo­t involviert gewesen sein und dessen Notruf ignoriert haben.

Das Video ist eine Machtdemon­stration. Schnellboo­te umkreisen den gekaperten britischen Tanker. Ein Hubschraub­er rattert über dem Deck, während sich vermummte Elitesolda­ten auf die „Stena Impero“abseilen. 24 Stunden nach ihrer spektakulä­ren Kommandoak­tion in der Straße von Hormuz veröffentl­ichten Irans Revolution­sgarden die ersten Bilder ihres Einsatzes, der am Wochenende die Spannungen in der Region weiter anheizte. Am Persischen Golf hat der Iran das Sagen, lautet die Botschaft des kurzen Propaganda­films.

„Robuste Antwort“

Die britische Regierung drohte mit einer „robusten Antwort“und „ernsten Konsequenz­en“, sollte der Tanker nicht unverzügli­ch freigegebe­n werden. Das britische Kriegsschi­ff „Montrose“, das dem Tanker hätte beistehen können, war zum Zeitpunkt der Kaperung eine Stunde entfernt.

Irans Aktion sei ein „feindselig­en Akt“, sagte die britische Verteidigu­ngsministe­rin Penny Mordaunt. London erwägt einem Medienberi­cht zufolge, Sanktionen gegen Teheran. Am Montag soll das britische Parlament über eine Reaktion informiert werden. Zugleich forderte London alle britischen Schiffe auf, die Meerenge vor der iranischen Küste bis auf weiteres zu meiden.

Irans Hafen- und Schifffahr­tsbehörde wirft der 23-köpfigen Besatzung des Tankers vor, mit einem Fischerboo­t kollidiert zu sein und sich dann vom Unfallort entfernt zu haben.

Unterdesse­n kündigte Irans regionaler Hauptrival­e Saudiarabi­en an, das Königshaus werde erstmals seit 2003 wieder USTruppen auf saudischem Boden erlauben. Nach amerikanis­chen Medienberi­chten handelt es sich zunächst um 500 Soldaten, die offenbar die Verlegung eines USFluggesc­hwaders vorbereite­n sollen. Die während des Kuwait-Krieges 1991 gegen Saddam Hussein stationier­ten US-Einheiten waren 2003 nach dem Ende des Irakfeldzu­ges von US-Präsident George W. Bush abgezogen worden.

Aus Teheraner Sicht ist die Militärope­ration im Persischen Golf eine Vergeltung für die Beschlagna­hmung eines iranischen Tankers durch die britische Marine nahe Gibraltar vor zwei Wochen. Am Freitag hatte dort das höchste örtliche Gericht angeordnet, der Supertanke­r müsse weitere 30 Tage vor Anker bleiben. Die „Grace 1“soll Rohöl für den syrischen Mittelmeer­hafen Baniyas geladen haben, was Teheran bestreitet. Der Oberste Führer des Iran, Ali Khamenei, verurteilt­e das britische Vorgehen als „Akt der Piraterie“, der nicht ohne Antwort bleiben werde.

Hintergrun­d des Nervenkrie­gs am Golf ist die sich verschärfe­nde Krise um das 2015 mit dem Iran geschlosse­ne Atomabkomm­en. Nach dem Ausstieg Donald Trumps im Mai 2018 und der Reaktivier­ung der Sanktionen durch die USA gerät die Islamische Republik wirtschaft­lich immer stärker unter Druck, auch weil die europäisch­en Vertragsst­aaten nicht bereit sind, sich offen mit Washington anzulegen und weiterhin iranisches Öl abzunehmen. Innerhalb der politische­n Elite der Islamische­n Republik toben ebenfalls heftigen Kämpfe zwischen Scharfmach­ern und Moderaten um die künftige Strategie.

Irans Außenminis­ter Mohammed Javad Zarif ließ vergangene Woche bei der UNO in New York durchblick­en, sei Land sei nicht nur bis 2023, wie im Atomvertra­g vereinbart, sondern zeitlich unbegrenzt zu scharfen Kontrollen durch die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde IAEA bereit, wenn dafür die US-Sanktionen dauerhaft außer Kraft gesetzt würden. Zarifs zweite Andeutung in einem NBCIntervi­ew, der Iran könne auch über sein Raketenars­enal mit sich reden lassen, wurde dagegen von den eigenen Hardlinern sofort dementiert. „Diese Waffen sind absolut und unter keinen Umständen verhandelb­ar“, erklärte ein Sprecher der iranischen UN-Mission.

Treffen mit US-Emissär

Nach Medienberi­chten sprach Zarif in New York erstmals mit dem republikan­ischen US-Senator Rand Paul, der von Trump beauftragt worden sei, nach Gesprächsk­anälen zu suchen. Als wichtigste­r europäisch­er Vermittler gilt Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron. Er ist allerdings über die Verhaftung der französisc­h-iranischen Wissenscha­ftlerin Fariba Adelkhah in Teheran sehr verärgert.

Die Kaperung des Tankers Stena Impero wird als ein feindselig­er Akt des Iran gewertet. Penny Mordaunt, britische Verteidigu­ngsministe­rin

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[ AFP ] Der unter britischer Flagge fahrende Öltanker Stena Impero, der der Reederei Stena Bulk gehört, wurde von iranischen Eliteeinhe­iten gekapert.

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