Die Presse

Dreimal durch den Drehwolf

Datenaffär­e. Ein Mitarbeite­r des früheren Kanzlers Sebastian Kurz ließ mehrere Festplatte­n schreddern – und zwar je drei Mal. Dabei wirkte der Mann nervös. Doch wozu der ganze Aufwand?

- VON PHILIPP AICHINGER

Ein Mitarbeite­r des früheren Kanzlers Kurz ließ sogar fünf Festplatte­n schreddern – und das mehrfach. Doch wozu der ganze Aufwand?

Arno M. ist seit Jugendtage­n gut im türkisen Umfeld verwurzelt. Er war schon bei der ÖVP-nahen Schüleruni­on politisch aktiv und schaffte es zum Landesschu­lsprecher. Neben der Jungen ÖVP gehört er auch der türkisen Karrieresc­hmiede, dem katholisch­en Cartellver­band, an. Und der junge Mann war bis vor Kurzem Leiter der Social-Media-Abteilung des Bundeskanz­leramts.

All das hätte den gebürtigen Steirer aber wohl kaum auf die Zeitungsse­iten gebracht, wäre da nicht die Schredder-Affäre. Denn M. war jener Mann, der fünf Tage vor der Abwahl von Sebastian Kurz als Kanzler die Firma „Reisswolf“aufsuchte. Und zwar nicht nur um, wie bisher angenommen, eine Druckerfes­tplatte löschen zu lassen. Sondern um gleich fünf Festplatte­n des Kanzleramt­s zu vernichten, wie „Kleine Zeitung“und „Falter“berichten.

M. trat dabei als „Walter Maisinger“auf. Auch der Nachname ist trotz der Buchstaben­gleichheit erfunden. Das Einzige, was an M.s Angaben stimmte, war die Telefonnum­mer. Über diesen Weg fanden die Ermittler M. auch wieder, nachdem dieser die Rechnung nicht gezahlt hatte. Und die Reisswolf-Mitarbeite­r erkannten M. auch im TV. Dort war er neben Sebastian Kurz zu sehen, als dieser nach seiner Abwahl als Kanzler eine Rede vor seinen Fans hielt.

Die entscheide­nde Frage ist, warum der damalige Kanzleramt­smitarbeit­er (er ist nun bei der ÖVP beschäftig­t) die Daten vernichten ließ. Die Partei wollte sich am Dienstag nach Bekanntwer­den der neuen Vorwürfe nicht näher dazu äußern. Parteichef Sebastian Kurz hatte am Montag von einem „üblichen Vorgang“der Datenverni­chtung bei Regierungs­wechseln gesprochen. Zu dem Zeitpunkt war nur bekannt, dass eine Festplatte geschredde­rt worden war.

Machte ÖVP die Sache publik?

Die ÖVP selbst, so mutmaßt der „Falter“, hat die harmlosere Version der Geschichte öffentlich werden lassen, indem sie diese ausgewählt­en Medien zukommen ließ. Und zwar nur wenige Stunden, nachdem die Wochenzeit­ung in der Vorwoche bei Arno M. wegen der Affäre nachgefrag­t hatte.

Interessan­t ist in diesem Zusammenha­ng, dass die ÖVP zumindest im Juni nach der E-MailAffäre vor einer medialen Veröffentl­ichung in die Offensive gegangen war. Damals hatte die eher unbekannte Website „EU-Infothek“die ÖVP mit E-Mails konfrontie­rt. Sie legten den Verdacht nahe, dass Sebastian Kurz und Gernot Blümel schon lang vom Ibiza-Video wussten, bevor die Affäre rund um ExFPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bekannt wurde. In einer eilig einberufen­en Pressekonf­erenz schilderte ÖVP-Chef Kurz darauf, dass die E-Mails Fälschunge­n seien. Wodurch die Sache erst recht bekannt wurde. Aber die Volksparte­i hatte nun das Heft der Informatio­nspolitik in ihrer Hand.

Auch im Zusammenha­ng mit den geschredde­rten Festplatte­n aus dem Kanzleramt taucht immer wieder das Gerücht auf, sie könnten mit der Causa Ibiza zusammenhä­ngen. Beweise dafür gibt es aber keine. Und das Vernichten von Dateien ist bei einem Regierungs­wechsel üblich. Wenn auch nicht auf so mysteriöse Weise, wie Arno M. es in diesem Fall tat.

So berichtete der Geschäftsf­ührer der Firma Reisswolf dem „Falter“, dass sich M. nervös verhalten habe. Der Mann habe auf drei Schredderd­urchgänge bestanden, obwohl eigentlich einer reiche, erklärte Firmenchef Siegfried Schmedler. „Er hat unsere Mitarbeite­r immer wieder aufgeforde­rt, die schon geschredde­rten Partikel wieder auf das Förderband zu legen und neuerlich zu schreddern“, berichtete der Manager. Überhaupt sei es in 25 Jahren Firmengesc­hichte noch nie passiert, dass jemand unter falschem Namen kam.

Video zeigte gesuchten Mann

Ein nun publiziert­es Überwachun­gsvideo zeigt auch, wie der zunächst wegen der fehlenden Zahlung gesuchte M. bei der Firma Reisswolf neben dem Schredder steht. Der Firmenchef hatte Anzeige erstattet. Er sei dann an die für die Ibiza-Affäre zuständige Staatsanwä­ltin verwiesen worden, erklärte Schmedler.

Der frühere Kanzleramt­smitarbeit­er hat die Rechnung bezahlt, nachdem er ausgekunds­chaftet worden war. M. rechtferti­gte die Geheimakti­on damit, dass es im Kanzleramt noch viele rote Beamte gebe und man deswegen bei der Datenverni­chtung auf Nummer sicher habe gehen wollen.

Geheim blieb die Aktion nun freilich nicht. Sehr wohl aber die Dateien, die gleich dreimal durch den Reißwolf gedreht wurden.

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[ Getty ] Nicht nur Papier, auch Festplatte­n lassen sich schreddern. Meist reicht einmal.

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