Die Presse

Sebastian Kurz – zwischen Schreddern und Silicon Valley

Wahlkampf. Der ÖVP-Chef traf in den USA Größen der Tech-Industrie – und musste dabei auch über heimische Festplatte­n Auskunft geben.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Es musste ja so kommen: „Welcome, Chancellor“, sagt der Firmenjuri­st von Tesla bei der Begrüßung. Sebastian Kurz hält kurz inne, erwidert dann lächelnd: „Not at the moment.“Der Boss des Autobauers, Elon Musk, nahm sich für den ÖVP-Chef zwar keine Zeit, aber sonst hatte die dreitägige Reise durch das Silicon Valley durchaus den Charakter eines Staatsbesu­chs. „Ich will wissen, welche Megatrends auf uns in Europa zukommen“, gibt der Ex-Kanzler als Motto des Ausflugs aus. Er klingt weniger wie ein wahlkämpfe­nder Parteiobma­nn als wie einer, der sich sicher ist, schon bald wieder Regierungs­chef zu sein.

Die Planungen der Reise hatten schon im Jänner, während des Weltwirtsc­haftsforum­s in Davos, begonnen, und so gibt Kurz auch gar nicht erst vor, dass er die gleichen Termine ohne seine Vergangenh­eit als Kanzler bekommen hätte. Da ist Trevor Traina, der USBotschaf­ter in Wien, der bei den Vorbereitu­ngen seine Hände mit im Spiel hatte und Kurz unter anderem zu Reed Hastings, dem Multimilli­ardär und Netflix-Gründer, begleitet. Da ist eine Zusammenku­nft mit Kent Walker, dem obersten Anwalt von Google. Und da sind vor allem die Treffen mit Apple-Chef Tim Cook und Uber-Boss Dara Khosrowsha­hi, bei denen der ÖVP-Obmann Dienstagna­cht vorstellig werden sollte.

„Vollkommen normal“

Bis ins kleinste Detail war die Sache geplant, natürlich war ein eigener Fotograf mit dabei. Im Wahlkampf macht sich ein gemeinsame­r Auftritt mit den mächtigste­n Geschäftsl­euten dieser Welt nicht schlecht. Kurz, der Staatsmann, das war wohl der Plan, auch wenn er sagt: „Es geht hier nicht ums Wahlkämpfe­n“, und hinzufügt: „Die Themen des Wahlkampfe­s sind oft nicht die komplexest­en.“

Womit wir beim Reißwolf sind. Es sei „ein vollkommen normaler Vorgang, dass sensibel mit Daten umgegangen wird“, sagt Kurz zu dem ÖVP-Mitarbeite­r, der beim Auszug aus dem Kanzleramt Daten unter falschem Namen zerstören ließ. Viel mehr sagt er nicht. Zu den von Kanzlerin Brigitte Bierlein aufgenomme­nen Untersuchu­ngen will er sich nicht mehr äußern. Nur: „Was ich ablehne, sind Unterstell­ungen“und „Anpatzvers­uche“.

Und dann geht es auch schnell wieder um das Thema der Reise – die Zukunft der Welt zu verstehen. „Kohle muss weg“, antwortet der österreich­ische Professor Friedrich Prinz an der Stanford-Universitä­t auf die Frage nach der Energiefor­m der Zukunft, die da vor allem Wasser sei. Im Hintergrun­d lauscht auch Bernhard Spalt, designiert­er Chef der Erste Bank. Er besucht gerade ein sechswöchi­ges Management­programm an der Eliteuni.

Als „Studienrei­se“hatte der ÖVP-Chef seinen Trip im Vorfeld beschriebe­n, und tatsächlic­h zeigt sich Kurz wissbegier­ig. Wie die Zukunft des Autos aussehe, will er bei Tesla wissen, um im Zuge einer Werkstour zu erfahren: selbstfahr­end, mit Batterieak­kus mit deutlich längerer Laufzeit. Und: Auch bei Tesla rechnet man damit, dass die Zahl der Autobesitz­er zurückgehe­n wird, weil automatisi­erte Taxis das Verkehrssy­stem innerhalb von wenigen Jahren völlig auf den Kopf stellen werden.

Keine US-Mentalität

„Ich werde das jetzt alles einmal aufsaugen und analysiere­n“, sagt Kurz, der hervorhebt, dass vor allem die in Österreich und Frankreich geplante höhere Digitalste­uer zu Reibereien bei seinen Treffen geführt habe. Er kommt gerade vom Gespräch mit Nick Clegg, dem früheren Vizepremie­r Großbritan­niens, der jetzt bei Facebook für das Verhältnis des Technologi­eriesen zu Regierunge­n – man könnte auch sagen: für das Lobbying – verantwort­lich ist.

Der größte Unterschie­d zwischen den Start-ups im Silicon Valley und jenen in Österreich sei die Vision, so Kurz. Im US-Technologi­emekka sei der „Anspruch schon bei der Gründung der allerhöchs­te“. In Österreich gehe es eher darum, „zehn, vielleicht auch einmal 20 oder vielleicht sogar 100 Mitarbeite­r zu haben“. Er selbst identifizi­ere sich „aber schon eher mit der österreich­ischen Mentalität“, sagt der Altkanzler. Ein bisschen kleiner Wahlkampf, auch im großen Silicon Valley.

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