Die Presse

Das Wettschwit­zen im Peloton

Radsport. Die Hitzewelle hat die Tour de France im Griff. Im Gegensatz zu früher werden Menge und Kompositio­n der Getränke genau kalkuliert. Die Bergetappe­n verspreche­n etwas Abkühlung

- VON SENTA WINTNER

Bei der Tour de France wird geschwitzt. Was angesichts der extremen Belastunge­n über drei Wochen keine Überraschu­ng ist, wird durch die aktuelle Hitzewelle in Europa noch einmal verschärft. So kletterte das Thermomete­r am zweiten und letzten Ruhetag am Montag in Nˆımes auf fast 40 Grad Celsius. Da hatten die Profis noch den Vorteil sich in Innenräume­n oder im Schatten aufzuhalte­n, im Gegensatz zur folgenden Flachetapp­e rund um die Stadt mit ihren römischen Sehenswürd­igkeiten. „Alles, was über der Körpertemp­eratur ist, ist nicht gesund. Aber 3500 km im Juli durch Frankreich zu fahren, ist sicher auch nicht gesund. Die Kombinatio­n ist nicht einfach“, sagte Altstar Andre´ Greipel.

Ein bis eineinhalb Liter Flüssigkei­t pro Rennstunde nehmen die Profis zu sich, über den gesamten Tag kommen sie auf gut zehn Liter. „Die Hitze ist zusätzlich­er Stress für den Körper, weil die Thermoregu­lation nicht mehr richtig funktionie­rt“, erklärte Teamarzt Jan-Niklas Droste vom Bora-Rennstall um Patrick Konrad und den Gesamtsech­sten Emanuel Buchmann. Für das deutsche Leichtgewi­cht (62 kg bei 1,81 m) könnten die hohen Temperatur­en gar zum Vorteil werden, er fürchtet sie jedenfalls nicht. „Lieber so ein Wetter als Kälte“, betonte Buchmann. Die Kombinatio­n aus wenig Fett, starker Durchblutu­ng und Dehydrieru­ng führt übrigens zu jenem starken Hervortret­en der Venen in den Beinen, das auf Fotos immer wieder Fans schockiert.

Noch vor wenigen Jahren sorgte der frühere Teamarzt Roger Palfreeman vom damaligen SkyRennsta­ll für Aufregung, als er propagiert­e, dass Chris Froome durch „funktional­e Dehydratio­n“(höherer Gewichts- als Leistungsv­erlust) 47 Sekunden hinauf nach Alpe d’Huez gewinnen könne. Dafür solle man Fahrer zudem im Unklaren über den Status der (De)Hydrierung lassen. Stattdesse­n setzen die Teams auf das genaue Gegenteil: genaue Messungen und individuel­le Trinkpläne. An heißen Tagen wie diesen werden vor allem hypotonisc­he Drinks mit wenig Zucker gereicht, damit große Mengen aufgenomme­n werden können ohne zu viele Kohlenhydr­ate zuzuführen und Verdauungs­beschwerde­n hervorzuru­fen. Zusätzlich kommen Spezial-Sonnencrem­es und Kühlpacks zum Einsatz.

Alkohol ist freilich nicht nur an heißen Tagen ein Tabu – Anstoßen nach dem Etappensie­g ausgenomme­n. In früheren Jahren war das noch mehr Gewohnheit denn Ausnahme. Vom Tour-Sieger 1904, Henri Cornet, ist beispielsw­eise überliefer­t, dass er elf Liter heiße Schokolade, vier Liter Tee, Champagner und 1,5 kg Milchreis pro Tag zu sich nahm. Damals saßen die Teilnehmer allerdings auch keine fünf, sondern bis zu 18 Stunden pro Tag im Sattel.

Die herrschend­en Extrembedi­ngungen kennen die Fahrer von Vuelta oder Tour Down Under, trotzdem werden sich die ohnehin

(Lotto) sprintete auf dem 16. Teilstück um Nˆımes (177 km) in 3:57:08 Stunden zu seinem zweiten Tagessieg, das Peloton hatte 2 km vor dem Ziel die fünfköpfig­e Fluchtgrup­pe eingeholt. In der Gesamtwert­ung führt weiter Julian Alaphilipp­e vor Geraint Thomas (+1:35 Min.).

(12.15 Uhr, live Eurosport) geht es von Pont du Gard über einen Berg der vierten und einen der dritten Kategorie nach Gap (200 km). bereits angezehrte­n Kraftreser­ven in der letzten Woche der Rundfahrt noch einmal verknappen. „Natürlich macht das jedem zu schaffen und man muss aufpassen“, befand Steven Krujswijk und auch Jakob Fuglsang war überzeugt: „Jeder kleine Fehler kann einen hohen Preis kosten.“

Kühler, wenn auch nicht weniger schweißtre­ibend, verspreche­n die kommenden Bergetappe­n in den Alpen zu werden: Angeführt vom Col d’Iseran, mit 2770 m Höhe das Dach der diesjährig­en Tour, warten bis Samstag acht der zehn höchsten Wertungen. Schon beim Anstieg auf den Tourmalet und im Zeitfahren vergangene Woche hat Titelverte­idiger Geraint Thomas verloren und die Temperatur­en mitverantw­ortlich dafür gemacht. Nun relativier­te der Waliser: „Jeder hat Auf und Abs. Die Hitze ist für alle gleich.“

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[ AFP ]

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