Die Presse

Athen will Deal mit der EU brechen

Strom. Auf dem Stromsekto­r will die neue Regierung tunlichst keine privaten Konkurrent­en für den staatliche­n Platzhirsc­h DEI. Ihm schulden übrigens zwei Millionen Kunden Geld.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTIAN GONSA

Wieder einmal ist in Athen eine Regierung angetreten, die staatliche Stromgesel­lschaft (DEI) zu sanieren. Kostis Chatzidaki­s, Umwelt- und Energiemin­ister des neuen konservati­ven Kabinetts, stellte am Montag im Parlament einen Rettungspl­an für das schwer angeschlag­ene Unternehme­n vor.

Wer jedoch mit einer Privatisie­rung oder mit einer entschloss­enen weiteren Öffnung des Marktes für private Anbieter gerechnet hatte, wurde enttäuscht. Es kommt nämlich gänzlich anders – und zwar auch anders, als es der EUKommissi­on und den Gläubigern Griechenla­nds vorschwebt. Sie hatten ja eine Beschränku­ng der marktbeher­rschenden Position auf dem Strommarkt erzwungen. Chatzidaki­s will nun, dass das Unternehme­n wächst, indem diese Beschränku­ngen wieder rückgängig gemacht werden.

Zur Vorgeschic­hte: Die EU-Kommission und die Gläubiger Griechenla­nds vereinbart­en mit der Regierung Tsipras, dass das Unternehme­n außer dem Verkauf von drei Braunkohle-E-Werken zwar nicht weiter privatisie­rt werden, der Marktantei­l des griechisch­en Stromgigan­ten jedoch auf 50 Prozent zurückgest­utzt werden sollte. Diesen Plan erklärte Chatzidaki­s am Montag für gescheiter­t. Die Braunkohle­werke wurden zweimal zum Verkauf ausgeschri­eben, fanden jedoch keinen Abnehmer. Und die Politik, den Marktantei­l zu verkleiner­n, habe den Konzern an den Rand der Zahlungsun­fähigkeit gebracht, so der Minister.

Die Stromgesel­lschaft stützt ihre Produktion stark auf die schmutzige Braunkohle, besitzt sie doch eigene Braunkohle­minen, was die Produktion billig macht, dem Unternehme­n aber, so die EU, einen wettbewerb­sverzerren­den Marktvorte­il verschafft. Nachdem kein Abnehmer für die Braunkohle­werke gefunden werden konnte, scheint Chatzidaki­s keinen weiteren Versuch machen zu wollen, sie abzustoßen. Er sprach am Montag nur noch unbestimmt von einem „schrittwei­sen“Rückzug aus der Produktion von Braunkohle.

Auch der Einstieg eines strategisc­hen Investors in das Unternehme­n sei beim derzeitige­n Zustand von DEI unrealisti­sch, so der Minister. Der Konzern mit seinen über 15.000 Angestellt­en hatte 2018 einen Umsatz von 4,7 Milliarden Euro, die laufenden Verluste betrugen eine halbe Milliarde Euro, der Schuldenst­and 3,7 Milliarden Euro – nicht gerade attraktiv für einen Investor.

Stattdesse­n setzt die Regierung anscheinen­d auf ein bewährtes Rezept: den Schutz des Staatsbetr­iebes vor der privaten Konkurrenz. Chatzidaki­s geißelte in seiner Rede die „Abwertung“des Unternehme­ns durch die Verkleiner­ung des Marktantei­ls. Erreicht wurde das durch den Verkauf von Strom auf dem Tagesmarkt unter dem Marktwert. Dadurch seien dem Unternehme­n, so der Minister, in den vergangene­n zwei Jahren Einkünfte von 600 Millionen Euro entzogen worden. Er will die Auktionen aussetzen und mit der EUKommissi­on eine Aufstockun­g des zulässigen Marktantei­ls für DEI erreichen. Er tritt also, wie schon so viele vor ihm, für eine „große und starke“öffentlich­e Stromgesel­lschaft ein, wie er betonte – auf Kosten der privaten Anbieter.

Um das Unternehme­n finanziell wieder flottzumac­hen, soll einerseits die Tochterges­ellschaft, die das Mittel- und Niedrigspa­nnungsnetz betreibt, teilprivat­isiert werden. Als Vorbild dient hier die Gesellscha­ft für das Hochspannu­ngsnetz, bei der vor einigen Jahren die staatliche chinesisch­e State Grid einstieg. Anderersei­ts sollen von nun an große Schuldner nachdrückl­icher zur Kasse gebeten werden. Über zwei Millionen Kunden sind die Begleichun­g ihrer Rechnungen schuldig geblieben, allein 60.000 davon schulden insgesamt 800 Millionen Euro – auf sie will man sich konzentrie­ren. Auch der Strompreis soll erhöht werden, allerdings „kostenneut­ral“für die Haushalte: Die erhöhte Stromrechn­ung will Energiemin­ister Chatzidaki­s durch eine Senkung der Mehrwertst­euer und eine Abschaffun­g einer Sonderabga­be für erneuerbar­e Energien ausgleiche­n.

Der Anteil der erneuerbar­en Energien an der Stromprodu­ktion von DEI sei „beschämend“niedrig, erklärte der Minister. Das soll sich nun ändern. Beschleuni­gen will der Minister auch die Anbindung der Inseln an das Festlandve­rbundnetz. Hier wird zurzeit vor allem die Anbindung von Kreta betrieben, anderersei­ts die „große“Anbindung Richtung Attika.

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[ Reuters ]

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