Athen will Deal mit der EU brechen
Strom. Auf dem Stromsektor will die neue Regierung tunlichst keine privaten Konkurrenten für den staatlichen Platzhirsch DEI. Ihm schulden übrigens zwei Millionen Kunden Geld.
Wieder einmal ist in Athen eine Regierung angetreten, die staatliche Stromgesellschaft (DEI) zu sanieren. Kostis Chatzidakis, Umwelt- und Energieminister des neuen konservativen Kabinetts, stellte am Montag im Parlament einen Rettungsplan für das schwer angeschlagene Unternehmen vor.
Wer jedoch mit einer Privatisierung oder mit einer entschlossenen weiteren Öffnung des Marktes für private Anbieter gerechnet hatte, wurde enttäuscht. Es kommt nämlich gänzlich anders – und zwar auch anders, als es der EUKommission und den Gläubigern Griechenlands vorschwebt. Sie hatten ja eine Beschränkung der marktbeherrschenden Position auf dem Strommarkt erzwungen. Chatzidakis will nun, dass das Unternehmen wächst, indem diese Beschränkungen wieder rückgängig gemacht werden.
Zur Vorgeschichte: Die EU-Kommission und die Gläubiger Griechenlands vereinbarten mit der Regierung Tsipras, dass das Unternehmen außer dem Verkauf von drei Braunkohle-E-Werken zwar nicht weiter privatisiert werden, der Marktanteil des griechischen Stromgiganten jedoch auf 50 Prozent zurückgestutzt werden sollte. Diesen Plan erklärte Chatzidakis am Montag für gescheitert. Die Braunkohlewerke wurden zweimal zum Verkauf ausgeschrieben, fanden jedoch keinen Abnehmer. Und die Politik, den Marktanteil zu verkleinern, habe den Konzern an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht, so der Minister.
Die Stromgesellschaft stützt ihre Produktion stark auf die schmutzige Braunkohle, besitzt sie doch eigene Braunkohleminen, was die Produktion billig macht, dem Unternehmen aber, so die EU, einen wettbewerbsverzerrenden Marktvorteil verschafft. Nachdem kein Abnehmer für die Braunkohlewerke gefunden werden konnte, scheint Chatzidakis keinen weiteren Versuch machen zu wollen, sie abzustoßen. Er sprach am Montag nur noch unbestimmt von einem „schrittweisen“Rückzug aus der Produktion von Braunkohle.
Auch der Einstieg eines strategischen Investors in das Unternehmen sei beim derzeitigen Zustand von DEI unrealistisch, so der Minister. Der Konzern mit seinen über 15.000 Angestellten hatte 2018 einen Umsatz von 4,7 Milliarden Euro, die laufenden Verluste betrugen eine halbe Milliarde Euro, der Schuldenstand 3,7 Milliarden Euro – nicht gerade attraktiv für einen Investor.
Stattdessen setzt die Regierung anscheinend auf ein bewährtes Rezept: den Schutz des Staatsbetriebes vor der privaten Konkurrenz. Chatzidakis geißelte in seiner Rede die „Abwertung“des Unternehmens durch die Verkleinerung des Marktanteils. Erreicht wurde das durch den Verkauf von Strom auf dem Tagesmarkt unter dem Marktwert. Dadurch seien dem Unternehmen, so der Minister, in den vergangenen zwei Jahren Einkünfte von 600 Millionen Euro entzogen worden. Er will die Auktionen aussetzen und mit der EUKommission eine Aufstockung des zulässigen Marktanteils für DEI erreichen. Er tritt also, wie schon so viele vor ihm, für eine „große und starke“öffentliche Stromgesellschaft ein, wie er betonte – auf Kosten der privaten Anbieter.
Um das Unternehmen finanziell wieder flottzumachen, soll einerseits die Tochtergesellschaft, die das Mittel- und Niedrigspannungsnetz betreibt, teilprivatisiert werden. Als Vorbild dient hier die Gesellschaft für das Hochspannungsnetz, bei der vor einigen Jahren die staatliche chinesische State Grid einstieg. Andererseits sollen von nun an große Schuldner nachdrücklicher zur Kasse gebeten werden. Über zwei Millionen Kunden sind die Begleichung ihrer Rechnungen schuldig geblieben, allein 60.000 davon schulden insgesamt 800 Millionen Euro – auf sie will man sich konzentrieren. Auch der Strompreis soll erhöht werden, allerdings „kostenneutral“für die Haushalte: Die erhöhte Stromrechnung will Energieminister Chatzidakis durch eine Senkung der Mehrwertsteuer und eine Abschaffung einer Sonderabgabe für erneuerbare Energien ausgleichen.
Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion von DEI sei „beschämend“niedrig, erklärte der Minister. Das soll sich nun ändern. Beschleunigen will der Minister auch die Anbindung der Inseln an das Festlandverbundnetz. Hier wird zurzeit vor allem die Anbindung von Kreta betrieben, andererseits die „große“Anbindung Richtung Attika.