Die Presse

Dissonanze­n in den Instanzen

Der Staat gerät ins Rutschen, aber nicht weil er von außen bedroht wird, sondern weil seine inneren Mechanisme­n schwächeln.

- VON FRANZ SCHANDL

Ist da was faul im Hause Österreich? Und wenn ja, was? Nicht, dass wir gleich von Krise reden wollen, schon gar nicht von einer Staatskris­e. Doch es häufen sich die Phänomene, die nahelegen, dass es nicht mehr so läuft, wie es die vergangene­n Jahrzehnte gelaufen ist. Was da neuerdings abgeht und primär unter der Rubrik Skandal und Korruption verhandelt wird, sind nicht mehr kleine Ausrutsche­r, sondern gröbere Entgleisun­gen. Die Staatsappa­rate wirken nervös. Sie vermitteln nicht Sicherheit, sondern transporti­eren Unsicherhe­it.

Ende Februar 2018 kam es zu Ermittlung­en gegen das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT). „Der höchste Beamte des Innenminis­teriums marschiert direkt zur Staatsanwä­ltin, übergibt ihr ein Paket mit anonymen Vorwürfen gegen BVT-Beamte, liefert ihr die passenden Zeugen dazu, dann gibt

es eine Razzia, bei der massenweis­e Daten beschlagna­hmt werden, die gar nichts mit dem Fall zu tun haben“, fasste etwa „Der Standard“treffend zusammen. Tatsächlic­h hetzte der Innenminis­ter einer Abteilung seines Ministeriu­ms ein Polizeikom­mando auf den Hals.

Gestaltete sich der erste Fall als Schlacht in einem Ministeriu­m, so ist der zweite Fall eine Fehde zwischen dem Justiz- und dem Innenminis­terium. Im Mai 2019 wurde von mehreren Staatsanwä­lten der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) gegen Christian Pilnacek, den Generalsek­retär im Justizmini­sterium, Anzeige erstattet. Der höchste Beamte des Hauses wurde des „Verbrechen­s des Amtsmissbr­auchs“beschuldig­t. Als Retourkuts­che gab es auch prompt Anzeigen gegen Exponenten der Korruption­sstaatsanw­altschaft. Inzwischen sind all diese Verfahren eingestell­t oder vor der Einstellun­g.

Bisweilen entsteht der Eindruck, dass der Staat von diversen Banden (nicht nur Seilschaft­en!) durchsetzt ist, die nur mühsam zusammenge­halten werden können. Sie gleichen Rackets. Manche schlafen, manche wachen, manche walten, manche schalten. Dazu kommt, dass die Justizbehö­rden und andere öffentlich­e Stellen mit den zugehörige­n Verfahren quantitati­v heillos überlastet sind und zusätzlich überfracht­et werden.

Ein funktionie­render Staatsappa­rat ist zwar kein monolithis­cher Block, stellt aber doch ein organische­s Gesamtgebi­lde dar, in dem Teilintere­ssen erfolgreic­h unter Gesamtanli­egen subordinie­rt werden. Erstmals hat man nun das Gefühl, dass dies nicht mehr in obligater Form aufgeht, dass Konvention­en brechen, dass der Staatsappa­rat unter seinen Anforderun­gen und Auslastung­en aus seinem ehernen Rahmen fällt. Insbesonde­re, dass sich Gewaltpole gegen das Gewaltmono­pol verselbsts­tändigen.

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