Dissonanzen in den Instanzen
Der Staat gerät ins Rutschen, aber nicht weil er von außen bedroht wird, sondern weil seine inneren Mechanismen schwächeln.
Ist da was faul im Hause Österreich? Und wenn ja, was? Nicht, dass wir gleich von Krise reden wollen, schon gar nicht von einer Staatskrise. Doch es häufen sich die Phänomene, die nahelegen, dass es nicht mehr so läuft, wie es die vergangenen Jahrzehnte gelaufen ist. Was da neuerdings abgeht und primär unter der Rubrik Skandal und Korruption verhandelt wird, sind nicht mehr kleine Ausrutscher, sondern gröbere Entgleisungen. Die Staatsapparate wirken nervös. Sie vermitteln nicht Sicherheit, sondern transportieren Unsicherheit.
Ende Februar 2018 kam es zu Ermittlungen gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). „Der höchste Beamte des Innenministeriums marschiert direkt zur Staatsanwältin, übergibt ihr ein Paket mit anonymen Vorwürfen gegen BVT-Beamte, liefert ihr die passenden Zeugen dazu, dann gibt
es eine Razzia, bei der massenweise Daten beschlagnahmt werden, die gar nichts mit dem Fall zu tun haben“, fasste etwa „Der Standard“treffend zusammen. Tatsächlich hetzte der Innenminister einer Abteilung seines Ministeriums ein Polizeikommando auf den Hals.
Gestaltete sich der erste Fall als Schlacht in einem Ministerium, so ist der zweite Fall eine Fehde zwischen dem Justiz- und dem Innenministerium. Im Mai 2019 wurde von mehreren Staatsanwälten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Christian Pilnacek, den Generalsekretär im Justizministerium, Anzeige erstattet. Der höchste Beamte des Hauses wurde des „Verbrechens des Amtsmissbrauchs“beschuldigt. Als Retourkutsche gab es auch prompt Anzeigen gegen Exponenten der Korruptionsstaatsanwaltschaft. Inzwischen sind all diese Verfahren eingestellt oder vor der Einstellung.
Bisweilen entsteht der Eindruck, dass der Staat von diversen Banden (nicht nur Seilschaften!) durchsetzt ist, die nur mühsam zusammengehalten werden können. Sie gleichen Rackets. Manche schlafen, manche wachen, manche walten, manche schalten. Dazu kommt, dass die Justizbehörden und andere öffentliche Stellen mit den zugehörigen Verfahren quantitativ heillos überlastet sind und zusätzlich überfrachtet werden.
Ein funktionierender Staatsapparat ist zwar kein monolithischer Block, stellt aber doch ein organisches Gesamtgebilde dar, in dem Teilinteressen erfolgreich unter Gesamtanliegen subordiniert werden. Erstmals hat man nun das Gefühl, dass dies nicht mehr in obligater Form aufgeht, dass Konventionen brechen, dass der Staatsapparat unter seinen Anforderungen und Auslastungen aus seinem ehernen Rahmen fällt. Insbesondere, dass sich Gewaltpole gegen das Gewaltmonopol verselbstständigen.