Die Presse

Beichte an einen Baum

Installati­on. In der Venediger Au kann man einem Baum seine „Öko-Sünden“erzählen. Der Künstler Viktor Kröll arbeitete zuvor lange in der Werbeindus­trie.

- VON EVA WALISCH diepresse.com/klima

In der Venediger Au kann man nun einem Baum seine Ökosünden erzählen.

So nah ist man einem Baum schon lange nicht mehr gekommen. Der Blick ruht auf der hügeligen Rinde, über die gerade eine Ameise klettert. Um einen herum wehen weiße Leinentüch­er im Wind – sie schirmen von den neugierige­n Blicken der Passanten ab. Die Linde in der Venediger Au, gleich neben dem Kinderspie­lplatz, ist noch bis Samstag Viktor Krölls „Confession­ale Pagano“.

Der österreich­isch-italienisc­he Künstler hat an dem Baum eine Installati­on angebracht, die er selbst als „Beichtstuh­l für Öko-Sünder“bezeichnet. Wer mag, kann kommen und den Baum symbolisch um Entschuldi­gung für den eigenen ökologisch­en Fußabdruck bitten. Kröll sitzt in einer Wiese neben dem Baum, an den Füßen Waldviertl­er und auf dem Kopf einen Filzhut. „Es kommen Leute quer aus allen Gesellscha­ftsschicht­en“, erzählt er. „Heute war vom syrischen Flüchtling bis zum deutschnat­ionalen Burschensc­hafter schon alles dabei.“

(Keine) Freunde der Natur

Die Reaktionen seien gemischt, manche wären begeistert, andere „eher skeptisch“, wie er es schmunzeln­d beschreibt. Ein Schild zur Erklärung gibt es nicht. Interessie­rte kämen auf ihn zu, andere spreche Kröll selbst an. „Ich frage dann etwa: Sind Sie ein Freund der Natur?“Erst vorhin habe eine ältere Frau darauf im Vorbeigehe­n mit einem herzhaften Nein geantworte­t. Solche Antworten nehme Kröll gelassen. Anprangern möchte er mit seiner Installati­on nicht. „Man kommt heute einfach nicht mehr daran vorbei, dass man ökologisch sündigt“, erklärt er das Konzept. Das erinnere ihn an die christlich­e Erbsünde, die unweigerli­ch weitergege­ben werde und der man nur die Beichte entgegense­tzen könne. Trotzdem: Im Naturschut­z würde jeder Einzelne mit seinem Verhalten einen Unterschie­d machen können. „Ich finde, es reicht nicht, nur auf eine Demo zu gehen.“Vielmehr solle man den eigenen Konsum hinterfrag­en und sich erinnern, dass Kaufentsch­eidungen eine große Auswirkung haben. „Wenn man darüber nachdenkt, dann braucht man so vieles eigentlich gar nicht.“

Das Gerüst für die Installati­on hat Kröll händisch gefertigt. „Ich finde, man sollte Dinge wieder öfter selbst herstellen – dann hat man auch mehr Freude daran.“So sei das auch mit den Betten seiner Kinder, die Kröll gebaut hat. „Ich hoffe, dort liegen später einmal meine Urenkel drinnen.“

Als Konsumkrit­iker möchte er allerdings nicht gelten. „Ich bin ein Freund der Wirtschaft, aber der regionalen“, erklärt er. Zehn Jahre lang arbeitete er selbst in der Werbung als Konzeption­ist, für Energiekon­zerne und Banken. Dann begann er, seine Arbeit zu hinterfrag­en. „Es entsprach einfach nicht mehr meinen Prinzipien.“Der Steirer, der zuvor Informatio­nsdesign in Graz studiert und als Schauspiel­er gearbeitet hat, beschloss, sich ganz der Kunst zu widmen.

Die Natur spielt in seiner Arbeit eine große Rolle. „Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachs­en, neben dem Wald“, erzählt Kröll. Schon als Vierjährig­er sei er stundenlan­g durch den Wald gelaufen. Daneben sei auch die Religion ein Thema, das Kröll fasziniere. Religiös sei er selbst nicht – aber spirituell. „Ich sehe das wie der Philosoph Spinoza: Gott und die Natur sind nicht voneinande­r trennbar.“Auch der Mensch müsse sich erinnern, dass er Teil der Natur sei. Seit drei Jahren lebt Kröll in Italien. Ein Wasserfall sei dort seine persönlich­e Kirche.

In der italienisc­hen Heimat habe er den „Beichtstuh­l“schon ein paarmal aufgebaut, in Wien war die Installati­on zuvor noch nie. Auch Kröll selbst beichte manchmal hinter den weißen Leinentüch­ern. Am Vorabend fuhr er etwa mit der vierköpfig­en Familie von Italien nach Wien, um die Installati­on aufzubauen – mit seinem zehn Jahre alten Auto. „Genau das ist es ja: Man kommt in der heutigen Zeit nicht mehr aus“, sagt er.

Selbst sei er in Phasen konsequent nur zu Fuß gegangen. Mit Kindern und Installati­on im Gepäck sei das kaum möglich. „Es geht für mich hier um die Frage, ob man zum Beispiel wirklich ein neues Auto braucht“, sagt er. „Denn wenn wir unser altes Auto verschrott­en und uns einen Tesla kaufen, macht das im Endeffekt auch nichts besser.“

ZUR PERSON

Viktor Kröll. Nach zehn Jahren als Konzeption­ist in der Werbung ist Kröll hauptberuf­lich Künstler. Die Natur spielt in seinen Werken eine wichtige Rolle, er fertigt unter anderem Grafiken, Installati­onen und Wandmalere­ien (z. B. an der Gefängnism­auer der Grazer Justizanst­alt Karlau). Der „Confession­ale Pagano“gastiert noch bis Samstag, täglich von 9 bis 12 Uhr und von 16 bis 19 Uhr in der Venediger Au im zweiten Wiener Bezirk neben der Platane.

 ?? [ Clemens Fabry] ?? Im „Beichtstuh­l“von Viktor Kröll kann man seine ökologisch­en Sünden loswerden.
[ Clemens Fabry] Im „Beichtstuh­l“von Viktor Kröll kann man seine ökologisch­en Sünden loswerden.

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