Ideen gegen den Verkehrskollaps Unter dem Lkw-Transit leiden alle: Anrainer, Reisende und das politische Klima zwischen Tirol und Deutschland. Am Donnerstag gab es einen Transit-Gipfel. Die Tiroler Fahrverbote bleiben aber – vorerst.
Brenner.
Am Wochenende beginnen die Schulferien in Bayern und in Baden-Württemberg. Urlauber aus Süddeutschland werden sich dann auf verstopften Straßen über den Brenner nach Italien quälen. Am besten sollte man an diesem schlimmsten Stauwochenende des Jahres gar nicht aufbrechen, sondern auf einen Werktag ausweichen, rät der deutsche Automobilklub ADAC.
Der Transitverkehr belastet das Klima, auch jenes zwischen Österreich und dem großen Nachbarn. Am Donnerstag eilte Infrastrukturminister Andreas Reichhardt und nach einigem Zögern auch Tirols Landeshauptmann, Günther Platter (ÖVP), zum Transit-Gipfel ins Verkehrsministerium nach Berlin. Draußen hatte es 34 Grad, drinnen ging es Gastgeber Andreas Scheuer, dem deutschen Verkehrsminister, darum, aus dem Konflikt „die Hitze rauszunehmen“. Man einigte sich auf einen Zehn-Punkte-Plan, wobei sich Tirols Landeshauptmann vor dessen Umsetzung jede Euphorie verbittet. Er hat schon zu viele Versprechen gehört. „Einen jahrzehntelangen Streit kann man nicht in 24 Stunden lösen“, meinte auch CSU-Minister Scheuer. Und kurzfristig ändert sich – nichts.
Ganz unnachgiebig gibt sich Platter, dessen Anrainer lang unter dem Ausweichverkehr gestöhnt haben, also unter den Stauflüchtlingen, die das Navi von der Autobahn durch kleine Ortschaften lenkt. Die Fahrverbote für diese „Ausweichler“bleiben in Kraft, genauso wie die Lkw-Blockabfertigung, die München erzürnt. „Keinen Millimeter“gebe er nach, sagte Platter.
Der Transit-Konflikt hatte sich zuletzt immer weiter aufgeschaukelt. Tirol und Bayern richteten sich Unfreundlichkeiten aus. „Notwehr“, nannte Platter die Fahrverbote. „Die Deutschen verstehen offenbar nur diese Sprache.“Bayerns Ministerpräsident, Markus Söder, empfand das als keinen „guten Stil“und meinte mit drohendem Unterton, wenn die Tiroler die bayrischen Urlauber nicht wollten, dann könne man ja statt in Kitzbühel auch im Allgäu Skisport betreiben. Dass auch das Herzensprojekt der bayrischen CSU, die Pkw-Maut, an einer Klage Österreichs scheiterte, heizte den Konflikt weiter an.
Industrieverbände fürchten um Jobs
Der deutsche Verkehrsminister erwägt nun selbst eine Klage gegen Österreich wegen der Fahrverbote – auch wenn das in der Berliner Koalition nicht allen gefällt und am Donnerstag kein Thema war. Aber die Drohkulisse bleibt aufrecht. Der ganze Streit alarmierte deutsche und andere Industrieverbände, die eilig nach Brüssel schrieben, sie fürchteten um die Transitroute vom Norden nach Italien und „damit auch um Jobs“.
Und jetzt? Gibt es diesen Zehn-PunktePlan. Bis 2020 soll ein intelligentes und automatisches Lkw-Leitsystem aufgebaut werden. Taugt die Technik, um den Schwerverkehr zu dossieren, will Platter auf die Blockabfertigung verzichten – vorher nicht. Und die rollende Landstraße soll stufenweise ausgebaut werden. Derzeit können maximal 200.000 Lkw pro Jahr auf die Züge verladen werden, 2021 sollen es 450.000 sein. Wobei die Kapazitätsgrenzen derzeit nicht ausgereizt sind. Die rollende Landstraße soll deshalb viel stärker gefördert werden.
Vor allem aber drängt Platter auf die „Korridormaut“, die also auch die deutschen und italienischen Abschnitte mehr kostet: „Wir sind viel zu günstig.“Deshalb gebe es viel Umwegtransit. Lkw-Fahrer nehmen den längeren Weg über den Brenner in Kauf. Das zahlt sich aus. Also finanziell. Die Gesamtmaut auf der Strecke München–Verona etwa kostet „nur“126 Euro, über Basel–Chiasso sind es 236 Euro. Auch deshalb werden heuer erstmals 2,5 Millionen Lkw über den Brenner donnern – und damit mehr als über alle anderen Alpenquerungen in Frankreich und der Schweiz zusammen. Berlin hat nun seinen Widerstand gegen die Korridormaut aufgegeben. Allerdings braucht es dazu eine Änderung der EU-Wegekostenrichtlinie und Italien mit an Bord. Ende August trifft sich eine Arbeitsgruppe. Es könnte also noch dauern.
Die Deutschen drängen indes, dass Österreich das steuerliche Dieselprivileg einstampft. Denn auch der vergleichsweise billige Treibstoff zieht Lkw an. Verkehrsminister Reichhardt hält davon als isolierter Maßnahme aber nichts, wie er der „Presse“sagt. Platter will sich dafür aber offenbar einsetzen.
Den größten Lenkungseffekt hätte freilich der Brennerbasistunnel. 2028 soll er eingeweiht werden. Bloß hat Deutschland den Neubau des Zulaufs verschlafen. Errichtet wird er frühestens ab den 2030er-Jahren. Das nennt selbst Söder „absurd“. Man will beschleunigen. Aber noch ist nichts passiert.