Die Presse

Die finanziell­e Repression ist gekommen, um zu bleiben

Vergessen Sie Vorsorge mit Sparproduk­ten: Die Notenbanke­r kommen aus der Nullzinsfa­lle nicht heraus, bald werden Sie fürs Sparen gar bezahlen.

- Mehr zum Thema: E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

D ie Europäisch­e Zentralban­k (EZB) hat gestern ihre Zinssätze unveränder­t bei null (Leitzins) beziehungs­weise minus 0,4 Prozent (Einlagenzi­ns für Banken) belassen und angedeutet, dass es im Herbst eine weitere Lockerung geben könnte. Das würde bedeuten, dass der Leitzins dann erstmals seit Gründung der EZB negativ würde. Und/oder dass die Banken künftig für Geld, das sie bei der Notenbank bunkern, statt jetzt 0,4 dann 0,6 Prozent Strafzinse­n bezahlen müssen.

Das werden sie nicht aushalten. Schon gibt es erste Geldinstit­ute in Deutschlan­d, die für diesen Fall Strafzinse­n für ganz normale Sparer und Girokonten­inhaber ankündigen. Diese werden dann nicht nur, so wie jetzt, für das Geld, das sie der Bank anvertraue­n, so gut wie keine Zinsen erhalten. Sondern auch zusätzlich noch eine „Verwahrgeb­ühr“bezahlen müssen.

Die finanziell­e Repression, wie der Zustand genannt wird, bei dem Sparer ihren Einlagen beim realen Schmelzen zusehen müssen, wird sich dann deutlich verschärfe­n. Zum realen Wertverlus­t durch Inflation (derzeit rund 1,6 Prozent) kommt dann ja noch die Verwahrgeb­ühr hinzu, sodass man wohl mit jährlichen Wertverlus­ten jenseits der Zwei-ProzentMar­ke wird rechnen müssen. Vorsorge mit Zinsproduk­ten kann man damit wohl für längere Zeit vergessen. Auch die dritte Säule der Pensionsvo­rsorge.

Das ist alles sehr betrüblich, aber nur das kleinere der Risken, die uns die finanziell­e Zukunft vermiesen können. Denn wir befinden uns in einer auslaufend­en Hochkonjun­kturphase. Dass es der Notenbank nicht gelungen ist, in einer solchen Situation die Zinsen so weit hochzubrin­gen, dass es Spielraum für geldpoliti­sche Reaktionen auf den beginnende­n Abschwung gibt, ist eine Katastroph­e.

Die Amerikaner haben es nach der Krise geschafft, den Leitzinssa­tz wenigstens auf 2,25 bis 2,5 Prozent zu bringen. Wenn die IWF-Aussagen stichhalti­g sind, wonach die Bekämpfung einer Rezession Leitzinsse­nkungen zwischen zwei und drei Prozent erfordert, dann ist die USNotenban­k Fed einigermaß­en manövrierf­ähig. Die EZB nicht, denn sie muss sofort in die Negativzin­sen gehen. Mit allen Verwerfung­en, die damit zusammenhä­ngen.

Die praktizier­te Nullzinspo­litik samt „Gelddrucke­n“per Staatsanle­ihenkäufen war im Anschluss an den Crash von 2008 sicher alternativ­los. Aber dieses Krisenszen­ario müsste seit Jahren beendet sein. Dass das nicht geschehen ist, steigert das Gefahrenpo­tenzial für den nächsten großen Crash ins Unermessli­che. G anz einfach deshalb, weil Staaten, Banken und auch Privatunte­rnehmen die Nullzinsph­ase nicht für Strukturre­formen genutzt, sondern als bequemes Faulbett verwendet haben. In diesem unnatürlic­hen Umfeld wurde sozusagen die natürliche Auslese im Wirtschaft­skreislauf ausgeschal­tet.

Mit dem Ergebnis, dass wir jetzt eine Menge Staaten, Banken und Unternehme­n haben, denen eine vernünftig­e Zinserhöhu­ng sofort das finanziell­e Lebenslich­t ausblasen würde. Es gibt Schätzunge­n, dass in der EU bereits 15 Prozent der Unternehme­n „Zombiefirm­en“sind. Also solche, die in einem normalen Zinsumfeld nicht existieren könnten.

Wenn solcherart die natürliche Auslese behindert wird, muss die Volkswirts­chaft strukturel­l immer mehr kränkeln. Und je größer dieser Zombiesekt­or jetzt wird, desto schwerer kommt die Notenbank aus ihrer Nullzinsfa­lle wieder heraus. Weil vernünftig­e Zinsen schnell einen Dominoeffe­kt auslösen könnten, gegen den sich die letzte Finanzkris­e richtig putzig ausnimmt.

Die finanziell­e Repression ist also gekommen, um zu bleiben. Sie wird sich eher verschärfe­n. Und die Risken nehmen mit jedem Jahr weiter zu. Kurzfristi­g kann man sie mit „Gelddrucke­n“a` la EZB durchaus zudecken. Aber die Geschichte hat gezeigt, dass forcierte Geldschöpf­ung aus dem Nichts allein noch nie zu Wohlstand, sondern mittelfris­tig immer in die Katastroph­e geführt hat. Und darauf, dass die wirtschaft­lichen Naturgeset­ze nicht mehr gelten, sollte man nicht vertrauen. Das ist schon öfter schiefgela­ufen.

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VON JOSEF URSCHITZ

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