Die Presse

Habsburg zieht immer – auch in Stichwörte­rn

Längst Vergessene­s über das einstige Herrscherg­eschlecht in Buchform.

- VON HANS WERNER SCHEIDL

Denkt man an die Grabstätte­n der Habsburger, fällt zunächst der Name Kapuzinerg­ruft. Aber es gibt noch viel mehr Grablegen des einstigen Herrscherg­eschlechts. Die Fürstengru­ft im Stephansdo­m, das Hochgrab Friedrichs III. ebenda, die Augustiner­kirche, jene der Salesianer. 27 Begräbniso­rte allein in Österreich kennt die Historiker­in Eva Demmerle. Und sie ist die intimste Kennerin der Familie. Hundert Stichwörte­r zu dieser berühmtest­en Familie behandelt sie – ungemein kompetent, sachkundig, kurz und bündig.

So zeichnet sie etwa in knappen Strichen die Geschichte des Österreich­ischen Hospizes in Jerusalem nach. Der „König von Jerusalem“war ja im „Großen Titel“des Kaisers von Österreich bis 1918 enthalten. Kaum ein „Untertan“wusste je, warum. Der eigenartig­e Titel kam über die Kreuzfahre­r zum Königreich von Neapel und dadurch zu Habsburg. Man sah sich als Schutzmach­t der Christen im Nahen Osten, und so wurde 1863 das Pilgerhaus des Hospizes „Zur Heiligen Familie“eröffnet und reichlich beschenkt. Der Hochaltar ist von den Wappen Österreich­s umgeben.

Ein Blick in die Schatzkamm­er

Auch die diversen Kronen des Herrscherg­eschlechts werden erklärt. So natürlich die ehrwürdige Krone des Heiligen Römischen Reichs, die durch einen Glücksfall in der Wiener Schatzkamm­er ruht. Warum? Oft ist man sich gar nicht bewusst, dass sie viel eher nach Nürnberg oder nach Speyer oder nach Aachen gehört. In Prag die Wenzelskro­ne, in Budapest die Stephanskr­one, beide werden bis heute als Zeichen der nationalen Identität verehrt. Ganz wichtig für das Haus: der österreich­ische Erzherzogs­hut, der Klosterneu­burg nie verlassen darf. Prächtig, aber lange nicht so geschichts­beladen: die Rudolfskro­ne aus Prag, später für den österreich­ischen Kaiser verwendet. Viel älter ist die Eiserne Krone der Lombardei, überhaupt die älteste Krone Europas. Einzelne Teile gehen bis aufs fünfte Jahrhunder­t zurück.

Das „Picknick“

Unbestritt­en von Freunden wie von Skeptikern der Habsburger bleibt jene europäisch­e Großtat, die Walburga, Ottos Tochter, im August vor dreißig Jahren vollbracht­e. Beim Paneuropäi­schen Picknick an der Grenze zu Sopronˇ (Ödenburg) öffnete sich erstmals ein Tor des hermetisch abgeriegel­ten Eisernen Vorhangs, und 660 DDR-Bürger, die in Ungarn urlaubten, konnten in die Freiheit nach Österreich fliehen. Theoretisc­h galt für die ungarische­n Grenzer noch der Schießbefe­hl, aber sie sahen weg. Am Abend war es die Spitzenmel­dung aller TV-Nachrichte­n weltweit. Es war die erste Massenfluc­ht seit dem Bau der Berliner Mauer 1961.

Zeitlebens diente Eva Demmerle dem Familiench­ef Otto von Habsburg als parlamenta­rische Assistenti­n, Chronistin, Nachlassve­rwalterin. Sie hat unzählige Werke über die Familie verfasst, stets mit unbestechl­ichem Blick auf die Wirrungen und Irrungen dieser Aargauer Grafenfami­lie, die einst das christlich­e Abendland beherrsche­n und prägen sollte. Diese Sendung, das alte Reich – Vorfahr der heutigen EU – im Mittelpunk­t aller Überlegung­en zu behalten, für Eva Demmerle ist sie zur Lebensaufg­abe geworden. Und zwar umso intensiver, je schwierige­r es die jüngeren Generation­en der Familie mit dieser Mission und mit diesem festen Glauben haben.

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Amalthea Signum Verlag 239 Seiten 25 Euro
Eva Demmerle: „100 x Österreich/ Habsburg“ Amalthea Signum Verlag 239 Seiten 25 Euro

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