Die Presse

Ökonomie der Hitze: Das Wetter ist an allem schuld

Zu heiß, zu nass, zu trocken. Das Wetter ist die ideale Ausrede für fehlende Gewinne und träge Mitarbeite­r. Bei 13 Grad läuft die Wirtschaft angeblich am besten.

- VON MATTHIAS AUER E-Mails: matthias.auer@diepresse.com

Die zweite große Hitzewelle dieses Sommers lähmt Europa. Temperatur­en jenseits der 40 Grad bringen reihenweis­e Hitzerekor­de zu Fall. Und bei den Unternehme­n startet das große Wehklagen über die finanziell­en Folgen der heißesten Wochen des Jahres. Die britische Modekette Superdry erklärt ihren Umsatzeinb­ruch etwa mit den ungewöhnli­ch hohen Temperatur­en. Ist es zu heiß, seien die Kunden eben lieber daheim als im Geschäft. Im Vorjahr hatte die gesamte Modebranch­e die Hitze als Hauptgrund für das große Sommerloch in ihren Bilanzen entdeckt.

Aber nicht nur die Trägheit der Kunden schmälert den Gewinn der Unternehme­n. Sondern auch die Produktivi­tät der Mitarbeite­r lässt erwiesener

maßen nach. Das allein ist keine große Überraschu­ng. Schon Aristotele­s war überzeugt, dass die Hitze die Menschen schlapp mache. Doch der Zusammenha­ng zwischen Wetter und Wirtschaft ist nicht so eindeutig wie gedacht.

Das einstige Pauschalur­teil, wonach heißere Länder stets auch ärmer sind, gilt mittlerwei­le als überholt. Wie sonst ließe sich das starke Wirtschaft­swachstum des tropisch-schwülen Singapur erklären? Dass das Wetter einen Einfluss auf Volkswirts­chaften hat, ist jedoch unbestritt­en. Produktivi­tät und Ernteerträ­ge sinken mit steigenden Temperatur­en, sagt der IWF. Aber das gilt nicht immer und überall, wie Forscher vom MIT 2012 herausgefu­nden haben. Ein Temperatur­anstieg um ein Grad führt in Entwicklun­gsländern demnach zu einem Einbruch der Wirtschaft­sleistung um 1,3 Prozent. In kühleren Industries­taaten war kein direkter Einfluss messbar.

Doch auch ohne große Hitze haben unzufriede­ne Unternehme­n oft etwas am Wetter auszusetze­n. So klagte Unilever jüngst, dass im kühlen Frühling kaum Eis verkauft wurde. Danone schob den Absatzeinb­ruch bei Wasserflas­chen auf den Regen.

Und weil man jede Art von Forschung auch übertreibe­n kann, wollen Ökonomen inzwischen sogar die Idealtempe­ratur für die gesamte Wirtschaft ermittelt haben. Bei 13 Grad Celsius laufe es in Summe am besten, behautet das Team rund um Marshall Burke. Bis dahin müssen die Firmen wohl noch etwas warten. Die Menschen können den Sommer hingegen genießen, sanktionsl­os etwas langsamer arbeiten – und bei 28 Grad kurz feiern. Glaubt man den Brauereien, ist dann nämlich die ideale Biertrinkt­emperatur erreicht.

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