Ökonomie der Hitze: Das Wetter ist an allem schuld
Zu heiß, zu nass, zu trocken. Das Wetter ist die ideale Ausrede für fehlende Gewinne und träge Mitarbeiter. Bei 13 Grad läuft die Wirtschaft angeblich am besten.
Die zweite große Hitzewelle dieses Sommers lähmt Europa. Temperaturen jenseits der 40 Grad bringen reihenweise Hitzerekorde zu Fall. Und bei den Unternehmen startet das große Wehklagen über die finanziellen Folgen der heißesten Wochen des Jahres. Die britische Modekette Superdry erklärt ihren Umsatzeinbruch etwa mit den ungewöhnlich hohen Temperaturen. Ist es zu heiß, seien die Kunden eben lieber daheim als im Geschäft. Im Vorjahr hatte die gesamte Modebranche die Hitze als Hauptgrund für das große Sommerloch in ihren Bilanzen entdeckt.
Aber nicht nur die Trägheit der Kunden schmälert den Gewinn der Unternehmen. Sondern auch die Produktivität der Mitarbeiter lässt erwiesener
maßen nach. Das allein ist keine große Überraschung. Schon Aristoteles war überzeugt, dass die Hitze die Menschen schlapp mache. Doch der Zusammenhang zwischen Wetter und Wirtschaft ist nicht so eindeutig wie gedacht.
Das einstige Pauschalurteil, wonach heißere Länder stets auch ärmer sind, gilt mittlerweile als überholt. Wie sonst ließe sich das starke Wirtschaftswachstum des tropisch-schwülen Singapur erklären? Dass das Wetter einen Einfluss auf Volkswirtschaften hat, ist jedoch unbestritten. Produktivität und Ernteerträge sinken mit steigenden Temperaturen, sagt der IWF. Aber das gilt nicht immer und überall, wie Forscher vom MIT 2012 herausgefunden haben. Ein Temperaturanstieg um ein Grad führt in Entwicklungsländern demnach zu einem Einbruch der Wirtschaftsleistung um 1,3 Prozent. In kühleren Industriestaaten war kein direkter Einfluss messbar.
Doch auch ohne große Hitze haben unzufriedene Unternehmen oft etwas am Wetter auszusetzen. So klagte Unilever jüngst, dass im kühlen Frühling kaum Eis verkauft wurde. Danone schob den Absatzeinbruch bei Wasserflaschen auf den Regen.
Und weil man jede Art von Forschung auch übertreiben kann, wollen Ökonomen inzwischen sogar die Idealtemperatur für die gesamte Wirtschaft ermittelt haben. Bei 13 Grad Celsius laufe es in Summe am besten, behautet das Team rund um Marshall Burke. Bis dahin müssen die Firmen wohl noch etwas warten. Die Menschen können den Sommer hingegen genießen, sanktionslos etwas langsamer arbeiten – und bei 28 Grad kurz feiern. Glaubt man den Brauereien, ist dann nämlich die ideale Biertrinktemperatur erreicht.