Bäume halten einen Stumpf am Leben
Neuseeländische Ökologen plädieren dafür, den Wald als Superorganismus zu sehen.
Oberhalb des Bodens wirken Bäume wie stolze, autarke Individuen, aber im Untergrund sieht es anders aus: Die Wurzeln mehrerer Bäume – bisweilen auch unterschiedlicher Arten – bilden oft weit ausgedehnte Geflechte, an denen auch Pilze beteiligt sind und über die Wasser, Nährstoffe und Mikroorganismen ausgetauscht werden. Das ist für Biologen nicht zuletzt deshalb faszinierend, weil sie sich als Darwinisten stets fragen: Wem beziehungsweise wessen Genen bringt das welchen Vorteil? Die Antwort ist durchaus nicht immer klar.
Fasziniert waren auch Martin Bader und Sebastian Leuzinger, Ökologen an der Auckland University in Neuseeland, als sie bei einer Wanderung durch West Auckland den Stumpf eines Kauribaums – das sind die größten Bäume in Neuseeland – entdeckten und feststellten: Er lebt, obwohl er absolut keine Blätter mehr hat.
Wie ist das möglich? Offenbar halten die umliegenden Bäume ihn am Leben, indem sie ihn über das gemeinsame Wurzelgeflecht mit Wasser versorgen. „Für den Stumpf sind die Vorteile offensichtlich“, sagt Leuzinger: „Er wäre ohne diese Verbindungen tot. Aber warum erhalten die grünen Bäume diesen Opa am Leben, obwohl er für sie nichts zu tun scheint?“Eine Erklärung sei, dass sich die Verbindungen gebildet haben, als er noch Fotosynthese betrieb und daher Kohlenhydrate zum gemeinsamen Ressourcenpool beitragen konnte; als er das nicht mehr konnte, sei das den anderen einfach nicht aufgefallen. Oder es sei ein so großer Vorteil für alle Bäume, ein möglichst weit ausgedehntes Wurzelsystem zu haben, dass es die Kosten für einen Versorgungsfall ausgleicht. Jedenfalls habe das „weitreichende Konsequenzen für unsere Sicht auf Bäume“, sagt er, „vielleicht haben wir es gar nicht mit Bäumen als Individuen zu tun, sondern mit dem Wald als Superorganismus“.
Ein „Wood Wide Web“, wie es Bader und Leuzinger in iScience (25. 7.) nennen, ist auch für die Reaktion von Bäumen auf Trockenheit wichtig, es erhöht die Überlebenschancen aller Beteiligter. Allerdings können sich mit dem Wasser auch Krankheitserreger leichter ausbreiten, etwa der Algenpilz, der das in Neuseeland grassierende Baumsterben hervorruft.