Boris ist da! Fad wird es mit dem neuen Premier nicht
Boris Johnson hat keinen Plan, wie alles verlaufen wird, seine Mitstreiter auch nicht.
Boris Johnson als Premierminister ist zumindest eines, sehr unterhaltsam. Das zeigt er in seiner Antrittsrede im House of Commons. Seine umfassende Regierungsumbildung kam nicht überraschend, jedoch besteht sie nicht, wie die deutschsprachigen Medien übertreiben, nur aus hartgesottenen EU-Skeptikern, sondern, wie die politische Kommentatorin der BBC Laura Kuenssberg analysierte, überwiegend aus Pragmatikern. Der Austritt soll nach der Vorstellung dieser Regierung durchgezogen werden. Die derzeitigen Diskussionen, wie das gehen soll, etwa durch Zeitablauf am 31. Oktober, wenn das Austrittsabkommen nicht doch von der EU von seiner zu stark disziplinierenden Schlagseite befreit wird, sind für unsere Ohren etwas befremdlich. Es wird tatsächlich über die Kaltstellung (Prorogation) des Parlaments geredet, und zwar, dass die Parlamentssession vor dem 31. Oktober beendet und erst nach dem 31. Oktober eröffnet wird. Derzeit ist das Abkommen für das Parlament unannehmbar, weil es einen Eingriff in die Souveränität des Vereinigten Königreichs bewirkt, von der EU immer intendiert, mit dem Nordirland-Problem als Faustpfand.
Boris Johnson hat keinen konkreten Plan, wie alles verlaufen soll, seine Mitstreiter ebenfalls nicht. Wenn die EU auf dem Vertrag beharrt, bleibt nur der ungeregelte Austritt oder Neuwahlen. Wie das Abkommen gestrickt ist, lässt sich an den vereinbarten Zahlungen ermessen, die das Vereinigte Königreich zu leisten hätte. Es soll nämlich den vollen „reste a` liquider“bezahlen, 21 Milliarden Euro. Einen Betrag, den die übrigen Mitgliedstaaten nie werden bezahlen müssen. Das liegt am Budgetsystem der EU, welches zwischen den zugesagten Beiträgen und den tatsächlich abgerechneten unterscheidet. Die verbleibenden Staaten werden nur nach dem tatsächlichen Geldbedarf belastet und nicht nach den Zusagen. Die Diffe
renz beträgt ungefähr 15 Milliarden Euro zulasten des UK. Auch nicht fein, was Barnier & Co. da den Briten aufs Auge gedrückt haben und sie schlucken mussten. Die Bedeutung des Vereinigten Königreichs für die verbleibenden Mitgliedstaaten ist nicht zu unterschätzen. Wenn es erst einmal ausgetreten ist, ist es nach den USA der wichtigste Handelspartner. Die Exporte der europäischen Handelspartner ins UK überwiegen mit rund 100 Milliarden die Importe von der Insel. Hinzu kommen die Direktinvestitionen in Infrastruktur- und Versorgungsunternehmen durch europäische Unternehmer aufgrund der viel offeneren Wirtschaftspolitik. Heathrow zum Beispiel gehört Ferrovial, einer spanischen Baufirma, und die verdient ein Milliarde im Jahr damit. Jährlich fließen gut 40 Milliarden an Zinsen, Dividenden und Lizenzen an die kontinentaleuropäischen Investoren und somit auch Steuern in die Staatskassen der übrigen 27. Wer angesichts dieser Umstände vom Rosinenpicken redet, kann weder rechnen noch versteht er irgendetwas von Wirtschaft und ist wahrscheinlich Politiker oder Journalist.
Ökonomisch betrachtet sind vielmehr die Deutschen die Rosinenpicker. Vor dem Hintergrund wird man sehen, wie sich alles entwickelt. In seiner Rede hat der neue Premierminister klargestellt, dass die EU-Bürger, die im UK leben, besonders geachtet und mit Dankbarkeit für ihren Beitrag zur UKWirtschaft ausgestattet und besonders willkommen sind. Ebenso hat er zum Ausdruck gebracht, dass er die europäischen Partner als Freunde sieht. Er wird alles versuchen, um das UK aus der EU zu führen. Wenn man ihn lässt. Ein Urteil über seine Politik dürfen die Wähler spätestens 2022 sprechen, wenn nicht doch früher.