Hagelschauer zerstört Frankreichs Tourtraum
Tour de France. Der zweite Teil des Alpen-Showdowns fand ein jähes Ende, ein Unwetter machte die Abfahrt vom Dach der diesjährigen Rundfahrt unpassierbar. So übernahm Ineos-Profi Egan Bernal, 22, das Gelbe Trikot.
Manche schüttelten die Köpfe, auch Julian Alaphilippe ärgerte sich, andere waren ungläubig. Doch am Ende werden alle eingesehen haben, dass es die einzig richtige Entscheidung war: Knapp 30 Kilometer vor dem Ziel der 19. Etappe der Tour de France von Saint-Jean-de-Maurienne nach Tignes, auf der spektakulären Abfahrt hinunter vom Col de l’Iseran, wurde das Rennen neutralisiert und abgebrochen.
Der Grund: Ein Hagelschauer hatte die Strecke unterhalb von Val d’Isere mit Schnee und Eis zugedeckt, eine Schlammlawine tat ihr Übriges. Der Abbruch war alternativlos. „Das wäre zu gefährlich gewesen“, meinte auch Ralph Denk, Sportlicher Leiter des Bora-Rennstalls mit dem Gesamtfünften Emanuel Buchmann und dem Österreicher-Trio Mühlberger, Konrad und Pöstlberger.
Gewertet wurden die Zeiten am Col de l’Iseran, mit 2770 Metern Höhe das Dach der diesjährigen Tour, also 37,5 km vor dem eigentlichen Ende dieser Alpenetappe. Damit sieht es in der Gesamtwertung wie folgt aus: Der kolumbianische Ineos-Profi Egan Bernal, der zuvor attackiert hatte, übernahm als Tagessieger das Gelbe Trikot. Der erst 22-Jährige trägt außerdem das Weiße Trikot des besten Jungprofis und führt nun vor den beiden letzten Etappen vor Alaphilippe, der sich in der Rolle des ersten Verfolgers wiederfindet.
Der französische Lokalmatador verlor das „Maillot Jaune“am Col de l’Iseran und zeigte sich enttäuscht. Schließlich wollte Alaphilippe als einer der besten Abfahrer im Feld die verlorenen Sekunden auf der verbliebenen Abwärtsstrecke wiedergutmachen – ein ambitioniertes Unterfangen allerdings. Doppelt bitter aus französischer Sicht: Mitfavorit Thibaut Pinot, in den Bergetappen bisher der stärkste Mann, musste auf Platz fünf der Gesamtwertung liegend schon früh auf dem 19. Teilstück unter Tränen aufgeben (Oberschenkelverletzung).
Der ultimative Wahnsinn steht aber erst bevor. Wenn heute auf dem 33,4 km langen (!) Schlussanstieg hinauf nach Val Thorens die endgültige Entscheidung über den Gesamtsieg fällt (ab 13.25 Uhr, live, Eurosport), werden sich die Fahrer in einer schmalen Gasse durch zigtausende Fans den Weg zum 2365 Meter hoch gelegenen Wintersportort bahnen. Bei so viel Gedränge an der Strecke ist die Grenze zwischen Euphorie und unkalkulierbarem Sicherheitsrisiko fließend, Selfie-Jäger, Pyrotechnik und unachtsame Zuschauer sorgen immer öfter für Unfälle und gefährliche Szenen. Und die Wetterprognose sieht für heute nicht viel besser aus. (joe)