Die Presse

Ein Getränk für Götter, Herrscher und andere durstige Zecher

Papyrusmus­eum. In der Nationalbi­bliothek widmet sich eine Ausstellun­g dem Weinbau in Ägypten – von den Pharaonen bis in die arabische Zeit.

- VON NORBERT MAYER im Papyrusmus­eum am Heldenplat­z, Di bis So: 10–18 h (bis September auch Mo), Do: 10–21 h.

Termingesc­häfte sind keine Erfindung der Neuzeit, sondern waren bereits in der Antike üblich, wie ein Papyrus in griechisch­er Sprache aus dem 6. Jahrhunder­t nach Christus beweist. In dem Formular geht es um eine Weinliefer­ung in Ägypten. Die Schwestern Anna und Tgothis aus dem Weiler Turubestis im Gau von Arsinoiton bestätigen den Empfang von „wohlschmec­kendem Weinmost“. Sie verpflicht­en sich, nach der kommenden Ernte wieder eine bestimmte Menge Wein zurückzuli­efern, und zwar „von der Kelter des kommenden dritten Indiktions­jahres, wobei wir für Essig bis zum Monat Tybi sicher bürgen“. Die Winzerinne­n müssten also haften, wenn der Wein danach bis zum Jahreswech­sel allzu resch wird.

Anhand solcher Dokumente – insgesamt sind 70 Exponate zu sehen – erschließt sich bei einer Ausstellun­g im Papyrusmus­eum der Österreich­ischen Nationalbi­bliothek die Kunst des Weinbaus im alten Ägypten. „In vino veritas“ist, besonders in Kombinatio­n mit dem von Museumsdir­ektor Bernhard Palme und Kuratorin Angelika Zdiarsky herausgege­benen Katalog, ein Crashkurs zum frühen Wein. Es gibt zwar wesentlich ältere Anbaugebie­te als jene am Nil, etwa am Kaukasus, doch durch Importe war das Getränk bereits in vordynasti­scher Zeit im Umlauf. Und vor ungefähr 5000 Jahren begann die Produktion auch in Ägypten. Wein war anfangs als Getränk für Herrscher und Götter bestimmt. Einen allgemeine­n Boom und technische Fortschrit­te erlebte er dort durch die Griechen, besonders durch Alexander den Großen. Unter den Römern ab 30 v. Chr. und in frühchrist­licher Zeit wurde die Tradition fortgesetz­t. Wein diente sogar als Zahlungsmi­ttel. Eine rare lateinisch­e Anweisung legte am Ende des vierten Jahrhunder­ts Rationen für eine Legion in Memphis fest.

Auch nach der Eroberung Ägyptens durch die Araber wurde die Produktion nicht eingestell­t, obwohl der Islam den Alkohol an sich ablehnt. In einem arabischen Papyrus aus dem 9. oder 10. Jahrhunder­t berichtet ’Utmanˆ ben Sa’d seinem Vater vom Besuch des mütterlich­en Weinguts im Dorf Qalaha.ˆ Es geht um Beschwerde­n: Die Winzer haben offenbar keinen Lohn erhalten. Der Vater solle reagieren, sonst stehe die Arbeit still.

Viele der Texte, vor allem jene, bei denen es sich um Pachtvertr­äge handelt, zählen jede Menge rechtliche­r Details auf. Der Winzer Aurelios Abraamios etwa verpflicht­et sich 624 n. Chr. dazu, dem Grundbesit­zer Flavios Demetrios für ein Hektar Weingarten nahe der Stadt Hermupolis in den nächsten drei Jahren nicht nur den halben Ertrag, sondern u. a. auch noch ein Ferkel, Käse, Brot und Öl zu liefern. In einem anderen Vertrag wird ein Flötenspie­ler für die Unterhaltu­ng bei der Weinlese engagiert. Vielleicht gab er den Takt für die Traubentre­ter vor. Einen solchen sieht man in einem Unikat: Auf einem Medaillon aus Bastfaser stampft ein Arbeiter die Maische, flankiert von zwei Kollegen, die Gefäße bringen.

Die kleine, konzentrie­rte Schau mit ihren bis zu 3000 Jahre alten Objekten ist didaktisch klug und liebevoll gemacht. Warum aber der lateinisch­e Titel „In vino veritas“? Nun, dass im Wein die Wahrheit liege, haben die Römer angeblich von Alkaios übernommen, der um 600 v. Chr. auf Lesbos lebte. Für einige Jahre ging der griechisch­e Lyriker nach Ägypten ins politische Exil. Dort gab es an Wein wahrlich keinen Mangel.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria