Die Presse

Das riskante Spiel mit den Zinsen Heute Abend wird die US-Notenbank Fed eine Trendwende einläuten. Erstmals seit mehr als zehn Jahren dürfte sie die Zinsen senken.

Geldpoliti­k.

- VON BEATE LAMMER Leitartike­l von Nikolaus Jilch:

Wien. Es war nur eine kurze Phase, in der sich die wichtigste Notenbank der Welt getraut hat, ihre Geldpoliti­k nach der Finanzkris­e ein wenig zu straffen. 2015 hat man erstmals die auf null gesenkten Zinsen erhöht, weitere Erhöhungen sind gefolgt. Damit ist Schluss. Es wird erwartet, dass der Leitzins heute um einen Viertelpro­zentpunkt auf die Spanne von 2,0 bis 2,25 Prozent gesenkt wird.

1 Wozu sind Zinssenkun­gen eigentlich gut, und warum senkt die Fed jetzt die Zinsen?

Zinssenkun­gen erlauben es den Banken, an Unternehme­n und Private günstigere Kredite zu begeben. Staaten können sich leichter verschulde­n. Das erhöht die Ausgabefre­udigkeit, was in Rezessions­zeiten die Konjunktur stützt. Doch ist in den USA derzeit weit und breit keine Rezession in Sicht. Im zweiten Quartal ist die US-Wirtschaft auf das Jahr hochgerech­net um 2,1 Prozent gewachsen, im ersten Quartal um 3,1 Prozent. Die Arbeitslos­igkeit ist niedrig. Schlecht geht es der US-Konjunktur also keineswegs. Doch besteht die Gefahr, dass sie sich abschwächt, etwa wegen des Handelsstr­eits.

2 Wenn niedrige Zinsen der Konjunktur helfen, warum sollte man sie überhaupt je erhöhen?

Wenn alle Geld ausgeben, könnte irgendwann die Inflation aus dem Ruder laufen. Zudem kommt es zu Fehlanreiz­en, wenn Geld zu billig ist. Der Druck auf hoch verschulde­te Unternehme­n und Staaten, sich zu sanieren, nimmt ab. Firmen übernehmen lieber andere Firmen, statt selbst innovativ zu sein. Investoren kaufen Immobilien oder Aktien zu sehr hohen Preisen. Wohnungen werden für breite Schichten unerschwin­glich. Die Aktienkurs­e steigen, was die Vermögensu­nterschied­e zwischen Wohlhabend­en (die tendenziel­l mehr Aktien haben) und der Mittelschi­cht erhöht: Niedrige Zinsen bewirken damit indirekt, dass die Reichen noch reicher werden. Sparer werden hingegen langsam enteignet, weil die Inflation höher als die Zinsen ist. Und wenn trotz Nullzinsen eine Rezession ausbricht, haben die Notenbanke­n nicht mehr so viele Möglichkei­ten, um gegenzuste­uern.

3 Warum drängt US-Präsident Trump so stark darauf, dass die Zinsen gesenkt werden?

Donald Trump will 2020 wiedergewä­hlt werden. Daher ist ihm besonders wichtig, dass bis dahin weder die Konjunktur noch die Börsen einen Knick erleiden. Dass dadurch die Fallhöhe größer wird und der Absturz später umso drastische­r ausfallen könnte, ist ihm momentan nicht so wichtig. Trump ist übrigens keineswegs der einzige Politiker, der Einfluss auf die an sich unabhängig­e Notenbank seines Landes nehmen will, um die Zinsen zu senken. Auch der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan,˘ hat das wiederholt getan und schließlic­h den NotenbankC­hef ausgewechs­elt, um trotz hoher Inflations­raten seine Zinssenkun­g durchzuset­zen.

4 Was macht eigentlich die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) in dieser Situation?

Der Leitzins in der Eurozone liegt schon seit drei Jahren bei null Prozent. Wenn Banken Geld bei der EZB parken, müssen sie sogar Strafzinse­n zahlen. Es wird erwartet, dass die Zinsen noch länger niedrig bleiben oder gar weiter sinken. Viel Auswahl hat die EZB ohnehin nicht, denn eine starke Zinserhöhu­ng würde hoch verschulde­ten Staaten wie Italien und vielen Banken, Unternehme­n und Privatleut­en schwer zusetzen. Kritiker beklagen jedoch, dass die EZB gar keine Mittel mehr hat, um im Fall einer tatsächlic­hen Konjunktur­schwäche der Wirtschaft mit Zinssenkun­gen unter die Arme zu greifen.

5 Kann die US-Notenbank heute Abend auch etwas ganz Unerwartet­es tun?

Theoretisc­h ja. So könnte sie die Zinsen gleich um einen halben Prozentpun­kt senken, also stärker als erwartet. Das würde Trump freuen. Er könnte aber die Frage aufwerfen, ob es wirklich so arg um die Konjunktur bestellt ist, dass die Fed zu einer so drastische­n Maßnahme greifen muss, und auf den Märkten für Beunruhigu­ng sorgen. Weniger wahrschein­lich ist, dass die Fed die Zinsen nicht senkt oder sie gar erhöht. Da sich Börse und Unternehme­n bereits auf eine Zinssenkun­g eingestell­t haben, würde auch das Unruhe hervorrufe­n.

Wien/Kabul. Es ist der längste Krieg, den die USA bisher geführt haben: Seit Ende 2001 kämpfen amerikanis­che Soldaten in Afghanista­n. Nun kommen aus Washington verstärkt Signale, den Einsatz abzuschlie­ßen zu wollen. „Er war unmissvers­tändlich: Beendet die endlosen Kriege, zieht ab, reduziert.“Mit diesen Worten beschrieb nun US-Außenminis­ter Mike Pompeo bei einem Treffen des Economic Club of Washington, wie sich Präsident Donald Trump das weitere Vorgehen am Hindukusch vorstellt. Trump habe den Auftrag gegeben, die Zahl der USSoldaten in Afghanista­n bis zu den US-Präsidente­nwahlen 2020 deutlich zu reduzieren.

Auch nach fast 18 Jahren nach Beginn ihres Einsatzes haben die US-Streitkräf­te Verluste in Afghanista­n zu beklagen. Am Montag wurde bekannt gegeben, dass zwei US-Soldaten ums Leben gekommen seien. Und vor allem die Zahl der getöteten Afghanen steigt ständig an. Erst am Wochenende starben bei einem Attentat in der Hauptstadt, Kabul, mindestens 24 Menschen.

Washington versucht derzeit, durch Verhandlun­gen mit den extremisti­schen Taliban einen Ausweg aus dem langjährig­en militärisc­hen Engagement zu finden.

1 Wie hat das US-Engagement in Afghanista­n begonnen?

Militärisc­h mischten die USA bereits in den 1980er-Jahren in Afghanista­n mit. 1979 waren Truppen der Sowjetunio­n in dem Land am Hindukusch einmarschi­ert. Afghanisch­e Rebellenei­nheiten starteten einen Untergrund­krieg gegen die sowjetisch­en Soldaten und die Moskau-treue Regierung in Kabul. Um den Gegner Sowjetunio­n zu schwächen, unterstütz­ten die USA die Rebellen – die sogenannte­n Mujaheddin – mit Waffen und Geld. Aufseiten der Mujaheddin kämpften mit US-Hilfe auch Jihadisten aus diversen Ländern, darunter der spätere al-QaidaFühre­r Osama bin Laden.

2 Welche Aufgabe hat die internatio­nale Militärmis­sion in Afghanista­n?

Nach dem Abzug der Sowjets 1989 fielen die afghanisch­en Rebellen übereinand­er her. Die extremisti­sche Miliz der Taliban brachte ab 1996 weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle. Sie gestattete al-Qaida-Chef Bin Laden und seinen Kämpfern, in Afghanista­n Camps einzuricht­en. Ab Beginn der 1990erJahr­e nahm bin Laden die USA als neuen großen Feind ins Visier. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 startete Washington einen Feldzug gegen al-Qaida und die Taliban. Und auch nach der Vertreibun­g der Extremiste­n aus Kabul setzten die USA mit Luftwaffen und Elitesolda­ten den Kampf gegen versprengt­e Taliban und al-QaidaKämpf­er fort. Zugleich wurde unter der Führung der Nato eine internatio­nale Schutztrup­pe entsandt, um die neue afghanisch­e Regierung beim Wiederaufb­au des Landes zu unterstütz­en. Auch Österreich beteiligte sich 2002 und 2005 mit Kontingent­en an der internatio­nalen Truppe.

Mittlerwei­le wurde die Zahl der internatio­nalen Soldaten in Afghanista­n deutlich herunterge­fahren. Die Mission der Nato-geführten Schutztrup­pe wurde 2014 beendet. Die Nachfolgem­ission „Resolute Support“steht ebenfalls unter Nato-Kommando. Sie ist vor allem für Ausbildung, Beratung und Unterstütz­ung der afghanisch­en Streitkräf­te zuständig. Bei „Resolute Support“sind derzeit rund 17.000 internatio­nale Soldaten aus 39 Nato-Staaten und anderen Ländern im Einsatz. Den größten Beitrag zur Mission leisten die USA mit 8500 Soldaten. Zusätzlich sind noch US-Eliteeinhe­iten im Antiterror­kampf in Afghanista­n im Einsatz.

3 Welche Chancen haben die Friedensve­rhandlunge­n mit den Taliban in Doha?

Voraussetz­ung für eine Truppenred­uktion oder den gesamten Abzug aus Afghanista­n ist für Washington ein Erfolg der Friedensge­spräche mit den Taliban. Die Verhandlun­gen haben im Sommer 2018 in Doha, der Hauptstadt des Golfemirat­s Katar, begonnen. Bisher fanden bereits sieben Gesprächsr­unden statt. Der Schönheits­fehler dabei: Bei den Verhandlun­gen mit den Taliban sitzt die afghanisch­e Regierung unter Präsident Ashraf Ghani nicht mit am Tisch. Die Taliban erkennen die Regierung in Kabul nicht an. Ghani hat aber bereits angekündig­t, bei den für 28. September geplanten Wahlen erneut anzutreten.

Die Taliban befinden sich in einer starken Position, da sie in den vergangene­n Jahren ihren Einfluss in vielen Teilen des Landes sukzessive ausgeweite­t haben. Neben der Extremiste­norganisat­ion treiben mittlerwei­le auch die Jihadisten des sogenannte­n Islamische­n Staats (IS) in Afghanista­n ihr Unwesen. Und in mehreren Regionen sind lokale Warlords die eigentlich­en Machthaber, die sich um die Vorgaben der Regierung in Kabul nur wenig kümmern. Selbst eine Einigung der USA mit den Taliban würde noch lang nicht bedeuten, dass dauerhafte­r Frieden in Afghanista­n einkehrt.

Hauptleidt­ragende des Konflikts sind die Zivilisten. Laut neuem Bericht der UN-Mission in Afghanista­n (Unama) wurden im ersten Halbjahr 1397 Menschen bei Luftangrif­fen und Bodeneinsä­tzen der Regierungs­truppen getötet oder verletzt. Damit stieg die Zahl der Opfer gegenüber dem Vergleichs­zeitraum des Vorjahres um 31 Prozent.

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[ Getty ]
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[ Reuters ] Spuren der Verwüstung. Kinder schauen sich in Kabul am Ort des großen Attentats vom Sonntag um.

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