Das riskante Spiel mit den Zinsen Heute Abend wird die US-Notenbank Fed eine Trendwende einläuten. Erstmals seit mehr als zehn Jahren dürfte sie die Zinsen senken.
Geldpolitik.
Wien. Es war nur eine kurze Phase, in der sich die wichtigste Notenbank der Welt getraut hat, ihre Geldpolitik nach der Finanzkrise ein wenig zu straffen. 2015 hat man erstmals die auf null gesenkten Zinsen erhöht, weitere Erhöhungen sind gefolgt. Damit ist Schluss. Es wird erwartet, dass der Leitzins heute um einen Viertelprozentpunkt auf die Spanne von 2,0 bis 2,25 Prozent gesenkt wird.
1 Wozu sind Zinssenkungen eigentlich gut, und warum senkt die Fed jetzt die Zinsen?
Zinssenkungen erlauben es den Banken, an Unternehmen und Private günstigere Kredite zu begeben. Staaten können sich leichter verschulden. Das erhöht die Ausgabefreudigkeit, was in Rezessionszeiten die Konjunktur stützt. Doch ist in den USA derzeit weit und breit keine Rezession in Sicht. Im zweiten Quartal ist die US-Wirtschaft auf das Jahr hochgerechnet um 2,1 Prozent gewachsen, im ersten Quartal um 3,1 Prozent. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig. Schlecht geht es der US-Konjunktur also keineswegs. Doch besteht die Gefahr, dass sie sich abschwächt, etwa wegen des Handelsstreits.
2 Wenn niedrige Zinsen der Konjunktur helfen, warum sollte man sie überhaupt je erhöhen?
Wenn alle Geld ausgeben, könnte irgendwann die Inflation aus dem Ruder laufen. Zudem kommt es zu Fehlanreizen, wenn Geld zu billig ist. Der Druck auf hoch verschuldete Unternehmen und Staaten, sich zu sanieren, nimmt ab. Firmen übernehmen lieber andere Firmen, statt selbst innovativ zu sein. Investoren kaufen Immobilien oder Aktien zu sehr hohen Preisen. Wohnungen werden für breite Schichten unerschwinglich. Die Aktienkurse steigen, was die Vermögensunterschiede zwischen Wohlhabenden (die tendenziell mehr Aktien haben) und der Mittelschicht erhöht: Niedrige Zinsen bewirken damit indirekt, dass die Reichen noch reicher werden. Sparer werden hingegen langsam enteignet, weil die Inflation höher als die Zinsen ist. Und wenn trotz Nullzinsen eine Rezession ausbricht, haben die Notenbanken nicht mehr so viele Möglichkeiten, um gegenzusteuern.
3 Warum drängt US-Präsident Trump so stark darauf, dass die Zinsen gesenkt werden?
Donald Trump will 2020 wiedergewählt werden. Daher ist ihm besonders wichtig, dass bis dahin weder die Konjunktur noch die Börsen einen Knick erleiden. Dass dadurch die Fallhöhe größer wird und der Absturz später umso drastischer ausfallen könnte, ist ihm momentan nicht so wichtig. Trump ist übrigens keineswegs der einzige Politiker, der Einfluss auf die an sich unabhängige Notenbank seines Landes nehmen will, um die Zinsen zu senken. Auch der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan,˘ hat das wiederholt getan und schließlich den NotenbankChef ausgewechselt, um trotz hoher Inflationsraten seine Zinssenkung durchzusetzen.
4 Was macht eigentlich die Europäische Zentralbank (EZB) in dieser Situation?
Der Leitzins in der Eurozone liegt schon seit drei Jahren bei null Prozent. Wenn Banken Geld bei der EZB parken, müssen sie sogar Strafzinsen zahlen. Es wird erwartet, dass die Zinsen noch länger niedrig bleiben oder gar weiter sinken. Viel Auswahl hat die EZB ohnehin nicht, denn eine starke Zinserhöhung würde hoch verschuldeten Staaten wie Italien und vielen Banken, Unternehmen und Privatleuten schwer zusetzen. Kritiker beklagen jedoch, dass die EZB gar keine Mittel mehr hat, um im Fall einer tatsächlichen Konjunkturschwäche der Wirtschaft mit Zinssenkungen unter die Arme zu greifen.
5 Kann die US-Notenbank heute Abend auch etwas ganz Unerwartetes tun?
Theoretisch ja. So könnte sie die Zinsen gleich um einen halben Prozentpunkt senken, also stärker als erwartet. Das würde Trump freuen. Er könnte aber die Frage aufwerfen, ob es wirklich so arg um die Konjunktur bestellt ist, dass die Fed zu einer so drastischen Maßnahme greifen muss, und auf den Märkten für Beunruhigung sorgen. Weniger wahrscheinlich ist, dass die Fed die Zinsen nicht senkt oder sie gar erhöht. Da sich Börse und Unternehmen bereits auf eine Zinssenkung eingestellt haben, würde auch das Unruhe hervorrufen.
Wien/Kabul. Es ist der längste Krieg, den die USA bisher geführt haben: Seit Ende 2001 kämpfen amerikanische Soldaten in Afghanistan. Nun kommen aus Washington verstärkt Signale, den Einsatz abzuschließen zu wollen. „Er war unmissverständlich: Beendet die endlosen Kriege, zieht ab, reduziert.“Mit diesen Worten beschrieb nun US-Außenminister Mike Pompeo bei einem Treffen des Economic Club of Washington, wie sich Präsident Donald Trump das weitere Vorgehen am Hindukusch vorstellt. Trump habe den Auftrag gegeben, die Zahl der USSoldaten in Afghanistan bis zu den US-Präsidentenwahlen 2020 deutlich zu reduzieren.
Auch nach fast 18 Jahren nach Beginn ihres Einsatzes haben die US-Streitkräfte Verluste in Afghanistan zu beklagen. Am Montag wurde bekannt gegeben, dass zwei US-Soldaten ums Leben gekommen seien. Und vor allem die Zahl der getöteten Afghanen steigt ständig an. Erst am Wochenende starben bei einem Attentat in der Hauptstadt, Kabul, mindestens 24 Menschen.
Washington versucht derzeit, durch Verhandlungen mit den extremistischen Taliban einen Ausweg aus dem langjährigen militärischen Engagement zu finden.
1 Wie hat das US-Engagement in Afghanistan begonnen?
Militärisch mischten die USA bereits in den 1980er-Jahren in Afghanistan mit. 1979 waren Truppen der Sowjetunion in dem Land am Hindukusch einmarschiert. Afghanische Rebelleneinheiten starteten einen Untergrundkrieg gegen die sowjetischen Soldaten und die Moskau-treue Regierung in Kabul. Um den Gegner Sowjetunion zu schwächen, unterstützten die USA die Rebellen – die sogenannten Mujaheddin – mit Waffen und Geld. Aufseiten der Mujaheddin kämpften mit US-Hilfe auch Jihadisten aus diversen Ländern, darunter der spätere al-QaidaFührer Osama bin Laden.
2 Welche Aufgabe hat die internationale Militärmission in Afghanistan?
Nach dem Abzug der Sowjets 1989 fielen die afghanischen Rebellen übereinander her. Die extremistische Miliz der Taliban brachte ab 1996 weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle. Sie gestattete al-Qaida-Chef Bin Laden und seinen Kämpfern, in Afghanistan Camps einzurichten. Ab Beginn der 1990erJahre nahm bin Laden die USA als neuen großen Feind ins Visier. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 startete Washington einen Feldzug gegen al-Qaida und die Taliban. Und auch nach der Vertreibung der Extremisten aus Kabul setzten die USA mit Luftwaffen und Elitesoldaten den Kampf gegen versprengte Taliban und al-QaidaKämpfer fort. Zugleich wurde unter der Führung der Nato eine internationale Schutztruppe entsandt, um die neue afghanische Regierung beim Wiederaufbau des Landes zu unterstützen. Auch Österreich beteiligte sich 2002 und 2005 mit Kontingenten an der internationalen Truppe.
Mittlerweile wurde die Zahl der internationalen Soldaten in Afghanistan deutlich heruntergefahren. Die Mission der Nato-geführten Schutztruppe wurde 2014 beendet. Die Nachfolgemission „Resolute Support“steht ebenfalls unter Nato-Kommando. Sie ist vor allem für Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen Streitkräfte zuständig. Bei „Resolute Support“sind derzeit rund 17.000 internationale Soldaten aus 39 Nato-Staaten und anderen Ländern im Einsatz. Den größten Beitrag zur Mission leisten die USA mit 8500 Soldaten. Zusätzlich sind noch US-Eliteeinheiten im Antiterrorkampf in Afghanistan im Einsatz.
3 Welche Chancen haben die Friedensverhandlungen mit den Taliban in Doha?
Voraussetzung für eine Truppenreduktion oder den gesamten Abzug aus Afghanistan ist für Washington ein Erfolg der Friedensgespräche mit den Taliban. Die Verhandlungen haben im Sommer 2018 in Doha, der Hauptstadt des Golfemirats Katar, begonnen. Bisher fanden bereits sieben Gesprächsrunden statt. Der Schönheitsfehler dabei: Bei den Verhandlungen mit den Taliban sitzt die afghanische Regierung unter Präsident Ashraf Ghani nicht mit am Tisch. Die Taliban erkennen die Regierung in Kabul nicht an. Ghani hat aber bereits angekündigt, bei den für 28. September geplanten Wahlen erneut anzutreten.
Die Taliban befinden sich in einer starken Position, da sie in den vergangenen Jahren ihren Einfluss in vielen Teilen des Landes sukzessive ausgeweitet haben. Neben der Extremistenorganisation treiben mittlerweile auch die Jihadisten des sogenannten Islamischen Staats (IS) in Afghanistan ihr Unwesen. Und in mehreren Regionen sind lokale Warlords die eigentlichen Machthaber, die sich um die Vorgaben der Regierung in Kabul nur wenig kümmern. Selbst eine Einigung der USA mit den Taliban würde noch lang nicht bedeuten, dass dauerhafter Frieden in Afghanistan einkehrt.
Hauptleidtragende des Konflikts sind die Zivilisten. Laut neuem Bericht der UN-Mission in Afghanistan (Unama) wurden im ersten Halbjahr 1397 Menschen bei Luftangriffen und Bodeneinsätzen der Regierungstruppen getötet oder verletzt. Damit stieg die Zahl der Opfer gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 31 Prozent.