Zwischen Massenbewegung und viel Häme
Aktivismus. Die „Fridays for Future“-Bewegung hat eine neue Protestwelle der (sehr) Jungen ausgelöst. Warum sich gerade Schüler so aktiv für Klimaschutz einsetzen, und warum das in Österreich überrascht, erklärt Jugendforscher Matthias Rohrer.
Die Freitage gehören nun schon seit einiger Zeit der Zukunft, auch in den Sommerferien. An diesem Freitag zum Beispiel findet in Wien die 33. Klima-Demo statt, diesmal in Meidling. Auch in Innsbruck gehen die Jungen am Freitag unter dem Motto „Die Klimakrise kennt keine Ferien“auf die Straße. Der nächste Protest der österreichischen „Fridays for Future“-Bewegung findet aber an einem Donnerstag statt. Und zwar schon morgen, mit einem Klima-Picknick an der Donaulände in Linz.
Die „Fridays for Future“-Bewegung, für die weltweit Hunderttausende Jugendliche auf die Straße gehen, um für Klimaschutz zu protestieren, hat auch Österreich ein relativ ungewohntes Bild gebracht: Junge Menschen, teils sehr junge Schüler, die gemeinsam auf die Straße gehen. Endlich wieder eine echte Jugendbewegung!
Jugendforscher Matthias Rohrer vom Institut für Jugendkulturforschung überrascht die Protestbereitschaft in Österreich nicht. Generell sei etwa ein Viertel der jungen Menschen „protestwillig“und bereit, sich für ein Anliegen zu engagieren. Was neu sei: Dass „Fridays for Future“viele Schüler auf die Straße gebracht hat. „Das ist für Österreich überraschend“, so Rohrer. Denn anders als in Deutschland, wo es immer wieder SchülerDemos gibt und etwa Demos zum Thema Datenschutz auf Gymnasiasten durchgeschlagen haben, sind es in Österreich traditionell Studenten, die sich für (oder gegen, man denke an die stark studentisch geprägten Anti-Regierungs-Demos) eine Sache engagieren.
Die Jungen haben also den Klimawandel für sich entdeckt. Von einer echten Jugendbewegung würde Rohrer nicht sprechen, da das Engagement sich nicht quer durch alle Jugendgruppen ziehe. „Das ist schon das junge Bildungsbürgertum, das hier auf die Straße geht“, also Schüler und Studenten aus gut gebildeten Familien. „Es ist keine Protestbewegung der breiten Masse“, sagt Rohrer. Aber: „Sie wird sehr wohl auch von anderen Jugendgruppen wahrgenommen.“
Allerdings nehme das Interesse am Klimawandel ab, je bildungsferner die Jugendlichen sind. „Für sie ist das Klimaschutzthema mäßig wichtig, da sind andere Themen drängender, Probleme im Hier und Jetzt. Ihnen geht es weniger um die Zukunft.“
Den besser gebildeten jungen Menschen hingegen schon, auch wenn sich deswegen nicht alle gleich den öffentlichen Demos anschließen: In einer im Juli veröffentlichen Studie des Sinus-Instituts, für die in Deutschland 14- bis 24-Jährige befragt wurden, gaben 68 Prozent an, dass ihnen der Klimawandel „große Angst“mache, Mädchen und junge Frauen (74 Prozent) nehmen den Klimawandel noch öfter als Bedrohung wahr als Buben und junge Männer (62 Prozent). Etwa ein Viertel der Befragten (24 Prozent) gab an, schon einmal an einer „Fridays for Future“-Demo teilgenommen zu haben, zehn Prozent davon sogar mehrmals. Zahlen, die sich für Rohrer mit seiner Wahrnehmung der österreichischen Jugendlichen decke. Die schwedische Schülerin Greta Thunberg als zentrale Figur der Bewegung habe dabei eine große Rolle gespielt. Mit ihr identifizieren sich junge Menschen besser als etwa mit Politikern.
Während anfangs oft die Überraschung überwog, dass sich „die Jungen“nun „endlich einmal“engagieren, gibt es nun oft weniger freundliche Töne. In deutschen Medien etwa klingt immer wieder Häme durch. Tenor: Auf die Straße gehen die Jungen aus gutem Hause in schicker Markenkleidung. Das Engagement sei egoistisch motiviert – weil sie ihre persönliche Zukunft gefährdet sehen. Man kann das gerechtfertigt finden oder nicht – viele Proteste basieren auf der Zukunftsangst einzelner Gruppen. Dass der Klimawandel als Thema so viele Junge mitgerissen hat, liege auch daran „dass das eine Generation ist, die sowieso schon pessimistisch in die Zukunft blickt. Gerade für Jugendliche ist es ein Kernthema, ob die Welt noch lebenswert ist, wenn sie erwachsen sind.“Sind sie aber auch bereit, sich für den Klimaschutz einzuschränken? Ja und nein. Einerseits Jahrgang 1986, arbeitet seit 2008 am Institut für Jugendkulturforschung: Von 2008 bis 2012 war Matthias Rohrer als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Department Wien tätig, seit 2013 verstärkt er das Team im Department Hamburg als Studien- und Projektleiter. setzen Jugendliche vermehrt auf umweltfreundliche Mobilität, fahren vermehrt öffentlich, Führerschein und Auto werden unattraktiv. Viele sind bereit, auf Fernreisen zu verzichten. Andererseits wollen viele nicht auf Billigmode (mit verheerender CO2-Bilanz) oder neue Smartphones verzichten. „Die Jugendlichen finden zwar, dass der Verzicht auf der Individualebene beginnen muss, aber auch, dass es eine größere Lösung braucht.“
Sprich: Politik und Wirtschaft seien gefordert, Lösungen zu entwickeln. Wobei das Vertrauen in Politik bei den Jungen sehr gering sei, so Rohrer. Dass nun so gut wie alle Parteien das Thema für sich entdeckt haben, nehmen die Jungen – mit Ausnahme der Grünen, denen sie hohe Kompetenz zutrauen – nicht als glaubwürdig wahr. Was die Proteste der Jungen auf alle Fälle geschafft hätten, so Rohrer, sei, den Klimaschutz in der breiten Gesellschaft zum Thema zu machen.