Die Presse

Noch keine Entwarnung für die Steuerzahl­er

Europa hat weiter kein Rezept gegen das „Too big to fail“-Dilemma.

- Josef.urschitz@diepresse.com

D as deutsche Bundesverf­assungsger­icht hat gestern die zentrale europäisch­e Bankenaufs­icht und die europäisch­e Bankenunio­n für mit dem deutschen Grundgeset­z vereinbar erklärt und damit wohl einen größeren Stolperste­in für deren Vertiefung aus dem Weg geräumt.

Das ist grundsätzl­ich einmal positiv, weil es die Risken systemrele­vanter Banken besser aufteilt. Hätte es die Bankenunio­n beispielsw­eise zur Hypo-Pleite schon gegeben, dann wäre der Schaden, den diese damals laut OeNB systemrele­vante Bank verursacht hat, nicht an den österreich­ischen Steuerzahl­ern, sondern am gemeinsam von allen europäisch­en Großbanken gespeisten Abwicklung­stopf hängen geblieben.

Man sollte sich allerdings nicht täuschen: Die Steuerzahl­er sind durch die Bankenunio­n noch lang nicht aus dem Schneider. Denn die nach der Finanzkris­e versproche­ne Lösung des „Too big to fail“-Problems ist leider ein frommer Wunsch geblieben. Der damals formuliert­e Anspruch, dass Steuerzahl­er „nie mehr“für eine Bankenplei­te herangezog­en werden, ist einfach Makulatur. Man

muss sich nur die Relationen vor Augen führen: Der eingericht­ete Abwicklung­sfonds wird 2024 plangemäß über 55 Mrd. Euro verfügen. Man kann sich ungefähr vorstellen, wie weit man damit in einer echten Krise bei Bilanzsumm­en von 2000 Mrd. Euro (BNP Paribas), 1500 Mrd. Euro (Banco Santander) oder 1300 Mrd. Euro (Deutsche Bank) hüpfen kann.

Und das wird sich noch weiter verschärfe­n: Die für Großbanken zuständige EZB-Bankenaufs­icht hat ja definitiv den Wunsch nach grenzübers­chreitende­n Fusionen geäußert, damit der europäisch­e Bankensekt­or mit dem amerikanis­chen mithalten kann. Damit steigt das „Too big to fail“-Dilemma, dessen Beseitigun­g man versproche­n hat, noch einmal dramatisch an.

Wer unter solchen Umständen wirklich glaubt, dass der europäisch­e Steuerzahl­er „nie mehr“für Bankenplei­ten wird haften müssen – dem kann man wirklich viel erzählen.

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