Es ist normal geworden, verrückt zu sein!
Ein Comedian wird Präsident in der Ukraine, ein gebildeter Clown wird Premier. Die Unterhaltungsgesellschaft liebt den Tabubruch.
Es ist also normal geworden, verrückt zu sein, und es wäre verrückt, normal zu sein, wenn man in den USA, in England oder in Österreich ein politisches Amt anstrebt. Wer heute normal ist, reißt keine Wähler mit. Warum ist das neue „Verrückt ist normal“aus dem Exil in der Kunst ausgebrochen und in der Politik angekommen? Wir wundern uns nicht mehr, dass ein Comedian Präsident in der Ukraine wird, wir wundern uns nicht über einen gebildeten Clown, der Premier von Großbritannien wird. Bei Donald Trump wundert uns gar nichts mehr.
Heute gilt das bisher Undenkbare als Neugedachtes. Es zählt das bisher Unerhörte zum ständig Gehörten, und es zählt das Rüpelhafte zur neuen Kryptowährung der Auffälligkeit. Die radikale und ungenierte Umsetzung des Aida-Prinzips kennzeichnet die aktuelle politische Kultur: Attention, Interest,
Desire, Action. Trump hat es eindrücklich vorgespielt – jetzt spielt es Boris Johnson nach, und Strache wird zurückkommen und seine Rolle ebenfalls wieder spielen. Aufmerksamkeit ist alles. Für Strache und seine Entschuldiger sind die Schuldigen sowieso diejenigen, die das „eh Normale“aufgedeckt haben. Die Fallensteller. Mein Gott, hat nicht fast jeder von uns schon gedacht und gesagt, dass er jemanden umbringen könnte? Es ist ja nichts so gewesen, wie es gewesen ist, denn das hat ja nur die Lügenpresse verbreitet, außerdem war es nur gedacht und dahergesagt, so, wie schon viele Testosteronheinis bedenkliche Inhalte in Wut, Alkohol oder Koks dahergeplappert haben. Was ist schon dabei, einmal so gedacht oder es auch gesagt zu haben – was ist schon dabei, gelogen zu haben und das dann als elastische Wahrheit oder Faktenunschärfe abzutun?
Was hat Trump, Johnson, Salvini und Konsorten großgemacht? Der Unterhaltungsfaktor.
In der eigenen Blase und in den Unzufriedenheitszirkeln ist es völlig egal, wie man sich benimmt, Hauptsache, es ist endlich anders. In der eigenen Welt erzeugt dies Zustimmung und Wählerschaft. Treue bis über das schlechte Benehmen hinaus.
Trump hat es auf der Weltbühne vorgespielt, Boris – der kleine Trump mit Wörterbuch – spielt es als gefährlichen Brandsatz nach. Als blendender Unterhalter und unterhaltsamer Blender zeigt er, wo es langgeht: zum Flächenbrand, dem die alten politischen Kulturen zum Opfer fallen. Normal geworden ist die Abkehr von der politischen Kultur des Abwägens, des Verhandelns, des Kompromisses, des Ausgleichs. Normal geworden ist die Verachtung von Minderheiten, Armen, staatstragenden Organisationen und Medienmitarbeitern. Normal geworden ist auch die Diffamierung des Rechtsstaats dort, wo er dem „neuen Normalen“als Bollwerk des „alten Normalen“im Wege steht.