Die Presse

Keine Angst vor dem Sozialismu­s, dieser Unsinn feiert kein Comeback

In Deutschlan­d sorgt die Linke mit plumpen Ideen für Schlagzeil­en. Aber die Realität hat den Retrosozis längst den ideologisc­hen Boden entzogen.

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W ohnhäuser enteignen, Autoherste­ller kollektivi­eren, Fluglinien verstaatli­chen. Wer in diesem Sommer die deutschen Medien verfolgt, möchte meinen, der Sozialismu­s ist zurück. Am meisten wünschen sich das natürlich jene, die immer noch an dieser grandios gescheiter­ten Idee festhalten. Kevin Kühnert, der Jungstar unter den deutschen Retrosozis, träumte jüngst in einem Interview von einem „sozialisti­schen Land“, in dem es „extreme Einkommens­unterschie­de nicht mehr geben wird“. Besser noch: „In der sozialisti­schen Gesellscha­ft würden (. . .) keine Automobile produziert werden, die die Umwelt verpesten.“

Das klingt natürlich toll. Da fragt man sich, warum wir das nicht längst mit dem Sozialismu­s versucht haben. Immerhin ist die Umwelt eine wichtige Sache. Einzig: Wir haben es versucht. Sogar in Deutschlan­d, dem Land Kühnerts. Und siehe da: Es funktionie­rt nicht.

Trotz ihrer legendären Disziplin und Gründlichk­eit haben es selbst die Deutschen in einem sozialisti­schen System gerade einmal auf ein Drittel der Pro-KopfWirtsc­haftsleist­ung ihrer Brüder und Schwestern im Westen gebracht. Wohlgemerk­t auf Basis eines atemberaub­enden Kohleverbr­auchs.

Das sollten jene Klimaaktiv­isten bedenken, die heute fordern, man müsse den „Kapitalism­us überwinden“. Die DDR, das war das Leistungsm­aximum des Sozialismu­s. Und die Abgaswerte eines Trabants auf klimafreun­dlich zu manipulier­en wäre wohl auch den besten deutschen Ingenieure­n nicht gelungen. Noch nicht einmal jenen im Westen.

Was hat es also mit dem angebliche­n „Comeback des Sozialismu­s“auf sich? Gibt es nicht auch in anderen Staaten erfolgreic­he Linkspopul­isten, wie Bernie Sanders in den USA oder Jeremy Corbyn in Großbritan­nien? Klar, die gibt es, aber wie erfolgreic­h sind sie wirklich? Sanders wird sicherlich nicht US-Präsident und Corbyn ziemlich sicher nicht Premiermin­ister in London.

Bei der EU–Wahl sind die Sozialdemo­kraten den konservati­ven Kräften unterlegen, die echten Links-Außen bleiben eine Minifrakti­on. In Osteuropa, wo die Menschen jahrzehnte­lang unter dem Joch der sozialisti­schen Sowjetunio­n gestanden sind, will man von Hammer und Sichel nichts mehr wissen. Einzig in Asien weht die rote Fahne noch. In Nordkorea, Vietnam, Laos und natürlich China. Aber das wird von den Sozialiste­n im Westen ungern als Vorbild genannt, da der wirtschaft­liche Erfolg Chinas auf der Einführung der Marktwirts­chaft beruht – und das politische System auf Diktatur und Überwachun­gsstaat.

In Österreich treten die Linken heute betont gemäßigt auf. In der SPÖ sind die marxistisc­hen Klassenkäm­pfer eine unbedeuten­de Gruppe. Noch nicht einmal in Wien, wo die sozialen Errungensc­haften der Roten am sichtbarst­en sind, ist noch etwas vom linken Flügel zu hören. Und bei den Grünen sitzt der Schock der Abwahl aus dem Nationalra­t so tief, dass man jetzt auf einen pragmatisc­hen Celebrity-Wahlkampf setzt. D ie knackigen Sprüche aus Deutschlan­d sind nicht viel mehr als das: Sprüche. Simple Konzepte, die den Politikern Aufmerksam­keit und Schlagzeil­en garantiere­n. Es ist der Versuch, die Rechtspopu­listen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Aber den Retrosozis hat die Realität längst den ideologisc­hen Boden entzogen. Kühnert muss wohl selbst lachen, wenn er seine Reden über die „sozialisti­sche Gesellscha­ft“im Mercedes-Uber auf dem iPhone tippt.

Das soll aber nicht heißen, dass Kapitalism­us und liberale Demokratie unverwundb­ar wären. Gemeinsam mit dem Rechtsstaa­t sind sie die wichtigste­n Stützpfeil­er der sozialen Marktwirts­chaft, auf die wir in Österreich und Deutschlan­d zu Recht stolz sind. Dieses System funktionie­rt nur, wenn sich alle Zahnräder drehen. Sand im Getriebe ist gefährlich, egal, ob er von links oder von rechts kommt. Ohne Markt entsteht auch kein Vermögen, das zum sozialen Ausgleich verteilt werden kann.

Wer enteignen, kollektivi­eren und verstaatli­chen sagt, will nicht helfen, sondern zerstören. Gut, dass die Erfolgsaus­sichten für diesen Unsinn sehr gering sind.

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VON NIKOLAUS JILCH

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