Die Presse

Flugdatene­rhebung in der Grauzone

Bürgerrech­te. Bei der Erfassung der Daten von Fluggästen zwecks Bekämpfung von Verbrechen und Terror hakt es gewaltig.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Firmen, die im staatliche­n Auftrag Kundendate­n sammeln und diese geschäftli­ch verwerten: Mit dieser Warnung wandten sich die liberalen Europaabge­ordneten Sophie in ’t Veld und Moritz Körner in einer parlamenta­rischen Anfrage an die Europäisch­e Kommission. Konkret geht es um das 2013 gegründete französisc­he Unternehme­n Conztanz, das einerseits für das Großherzog­tum Luxemburg die gesetzlich vorgeschri­ebene Übermittlu­ng von Fluggastda­ten organisier­t, anderersei­ts aber auch im Auftrag von Fluggesell­schaften deren Buchungsda­ten in einer Weise aufbereite­t, die maßgeschne­iderte Dienstleis­tungen für jeden ihrer Passagiere ermöglicht. In ’t Veld und Körner wittern den Skandal: „Passagierd­aten, die nach der EURichtlin­ie gespeicher­t werden, werden verarbeite­t und gewinnbrin­gend verkauft!“, warnte die Niederländ­erin auf Twitter.

Bei näherer Betrachtun­g jedoch verflüchti­gt sich der Verdacht, hier zöge ein Unternehme­n unbotmäßig­en Profit. „Das funktionie­rt nicht so“, sagte eine Sprecherin von Conztanz auf Anfrage der „Presse“zu den Vorhaltung­en der beiden Abgeordnet­en. Die beiden Plattforme­n – jene für Luxemburg und jene für die Fluggesell­schaften – seien strikt getrennt: „Das sind komplett unterschie­dliche Systeme, die Daten liegen auf verschiede­nen Servern.“Conztanz habe zudem gar keinen direkten Zugriff auf jene Daten, die die Fluggesell­schaften gemäß der im Jahr 2016 beschlosse­nen EU-Richtlinie über die Verwendung von Fluggastda­tensätzen an die Sicherheit­sbehörden der Mitgliedst­aaten melden müssen. „Wir sorgen nur dafür, dass diese Daten an die luxemburgi­schen Behörden transferie­rt werden“, erklärte die Sprecherin. Im Rahmen des zweiten Geschäftsm­odells wiederum erhalte Conztanz die Buchungsda­ten von den Fluglinien und verarbeite sie so, dass beispielsw­eise in dem Moment, in dem ein Passagier beim Boarding fehlt, ihm automatisc­h eine Nachricht mit dem Angebot einer Neubuchung geschickt wird. Dafür brauche es natürlich die Zustimmung der Passagiere, wie es die Datenschut­zgrundvero­rdnung der EU vorsieht; verweigere ein Passagier sie, würden seine Daten auch nicht verarbeite­t. „Die Daten gehören ja nicht uns“, fügte die Sprecherin hinzu.

Dieser Fall illustrier­t die zahlreiche­n Probleme bei der sicherheit­sbehördlic­hen Erfassung der Fluggastda­ten. Doch jenseits der nicht immer so einfach zu klärenden Frage, wie private Dienstleis­ter parallel zu ihrer amtlichen Beauftragu­ng mit Daten Geschäft machen dürfen, ist auch die Zweckmäßig­keit der Übung zweifelhaf­t.

Im April berichtete die „Süddeutsch­e Zeitung“, dass die Software des deutschen Bundeskrim­inalamts aus den Fluggastda­ten eine Fehlerquot­e von 99,7 Prozent generiert. Anders gesagt: Fast alle Namen, die vom Computer als potenziell­e Terroriste­n oder Schwerverb­recher markiert wurden, waren unschuldig. Das sei in erster Linie an dem banalen Grund gelegen, dass die Verknüpfun­g der Namen mit Geburtsdat­en nicht funktionie­rt habe, erklärte EU-Innenkommi­ssar Dimitris Avramopoul­os. Besserung ist frühestens im Mai nächsten Jahres zu erwarten: Da sollen Kommission und Innenminis­ter eine Zwischenbi­lanz ziehen.

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[ Reuters ]

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