Der Herr über die Kostüme
Festspiele. Jan Meier leitet seit 2015 die Kostüm- und Maskenabteilung der Salzburger Festspiele. Manchmal muss er dabei über seinen Schatten springen.
Die verschlungenen Wege und Gänge zwischen den Festspielhäusern kennt Jan Meier wie seine Westentasche: Eine Runde durch die Kostümwerkstätten der Salzburger Festspiele gehört für ihn zum Beginn jedes Arbeitstags.
Seit 2015 leitet er die Kostüm- und Maskenabteilung des Festivals, die Werkstätten sind zwischen Neutorstraße und Toskaninihof über den gesamten Festspielkomplex verteilt: Weißnäherei, Damen- und Herrenschneiderei, Färberei, Schuhmacherei, Hutmacherei, das Stofflager oder der Fundus. Während des Jahres hat Meier 37 fest angestellte Mitarbeiter. Im Sommer wächst das Team, das an Kostümen und Masken arbeitet, auf über 250 Personen an.
„Ich habe großen Respekt vor dem Handwerk“, sagt Meier. Es wird kreativ, aber auch unglaublich genau und perfekt gearbeitet. Die Perfektion hat der aus Lübeck stammende 50-Jährige selbst von der Pike auf gelernt. Er war noch Lehrling in einer traditionsreichen Kürschnerei in seiner Heimatstadt, als der damalige Chef die jungen Mitarbeiter zu sich rief und ihnen im Garten einen Schmetterling zeigte. „So müssen Sie arbeiten, beide Flügel sind absolut gleich“, prägte der Kürschner seinen Lehrlingen ein. „Er hat meine Augen für Perfektion geschärft“, erinnert sich Meier.
Dass er Kürschner werden wollte, hat er schon als Kind gewusst: „Ich bin als Bub den Damen hinterhergelaufen und wollte ihre Pelze berühren, weil sie so weich waren.“Doch nach der Lehre war ihm dieses Handwerk dann doch zu wenig. Meier studierte in Hamburg Modedesign, absolvierte seinen Zivildienst in einer psychiatrischen Tagesstätte und verdiente als Koch und Kellner sein Geld. Mit Freunden entwarf er nebenbei kleine Kollektionen und reiste um die Welt.
„Das waren meine Wanderjahre“, sagt er. Schließlich landete er 1998 als Aushilfe in der Herrenschneiderei des Lübecker Theaters – und fand damit seine Berufung. Als freischaffender Kostümbildner arbeitete er für große Häuser und kleine Bühnen, für Schauspiel, Oper und Tanz. 2002 arbeitete er erstmals als Kostümassistent bei Richard Strauss’ „Die Liebe der Danae“für die Salzburger Festspiele, 2013 kehrte er als Bühnen- und Kostümbildner für Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“, der im Hof der Salzburger Residenz aufgeführt wurde, zurück. Seit 2015 sind auch die künstlerischen Wanderjahre vorbei.
Meier übernahm die Direktion für Kostüm und Maske bei den Salzburger Festspielen. Es war ein großer Schritt. „Ich war vorher nie fest angestellt, hatte keinen Lebensmittelpunkt“, erzählt er. Doch die Herausforderung, für ein Festival wie Salzburg zu arbeiten, reizte ihn mehr als die Ungebundenheit. „Es ist unglaublich schön und spannend. In den Wochen vor dem Beginn der Festspiele fängt die Stadt richtig zu vibrieren an.“Wenn es ihm unter dem Jahr in Salzburg zu eng wird, macht er Reisen oder genießt die Natur. Oder er arbeitet – wie zuletzt für „Der Hase mit den Bernsteinaugen“in Linz – an eigenen Projekten. „Das ist meine private Auszeit“, sagt Meier.
In Salzburg kommt er wenig zum Entwerfen und Schneidern. Er ist der, der den Überblick über alle Produktio
wurde 1969 in Lübeck geboren. Er lernte Kürschner und studierte Design. 1998 entdeckte er seine Leidenschaft für Theater. Nach Jahren als freischaffender Kostümbildner leitet er seit 2015 die Kostüm- und Maskenabteilung der Salzburger Festspiele. Drei Kleider hat er für diesen Sommer selbst entworfen – unter anderem Roben für Anna Netrebko. nen hat, der dafür sorgt, dass alle Fäden zusammenlaufen. Heuer im Sommer fordert Achim Freyer, der im „Oedipe“für Bühne und Kostüme verantwortlich zeichnet, die Werkstätten besonders. „Für den Chor gibt es Fantasiekostüme in Schwarz, die Solisten sind bunt. Als klassischer Herrenschneider muss man bei diesen Entwürfen über seinen Schatten springen und ganz anders herangehen. Freyer öffnet den Blick auf die Kostüme neu“, sagt Meier.
Ganz anders „Orphee´ aux Enfers“– die Produktion wird sehr bunt. „Von Jahrhundertwende bis Travestie, aber sehr klassisch in der Verarbeitung“, beschreibt Meier die Kostüme: „Da brauchen wir jedes Gewerk.“Beim „Idomeneo“ist wiederum die Präzision wichtig. „Das Team legt großen Wert darauf, dass die Farbtöne exakt mit jenen auf den Figurinen übereinstimmen. Da haben wir viel herumprobiert, bis es endlich passte.“
Drei Kleider hat Meier für diesen Sommer selbst entworfen: Wenn Anna Netrebko als Adriana Lecouvreur auf der Bühne steht, trägt sie große Roben. „Da geht es nur um Schönheit, das Publikum soll berauscht werden.“Meier wird in Stoffen und Farben schwelgen. Das, was er an seinem Beruf so liebt.