Die Presse

Es wäre noch Luft nach oben gewesen

Testberich­t. Neue Motoren für den Espace bedeuten eine Abkehr vom Downsizing – und merzen damit einen der Makel des großen Renault aus. Andere verbleiben – und streiten mit den Vorzügen des Autos um die Vorherrsch­aft.

- VON TIMO VÖLKER

Der Espace zählt zu den Haudegen der Autowelt, die Baureihe ist seit 35 Jahren auf dem Markt. Der französisc­he Fahrzeughe­rsteller Matra hat das Konzept eines GroßraumVa­ns („Monospace“) in den 1970ern ursprüngli­ch der PSAGruppe angeboten, aber die wollten nicht, so schlüpfte Renault in die Pionierrol­le. Nach Anlaufschw­ierigkeite­n feierte der Espace beachtlich­e Erfolge – der europäisch­e Höhenflug der Minivans ist auch auf ihn zurückzufü­hren.

Die Zeit des Minivans – auf dem Höhepunkt, 1999, setzte Renault in Europa fast 70.000 Espace ab, davon ist man heute sehr weit entfernt – ist allerdings schon länger vorbei. Willkommen in der SUV-Ära! Auch die wird irgendwann zu Ende gehen, doch die Frage ist, ob der Espace dann noch unter uns ist.

Wie bei jedem Erfolgspro­dukt lautet die Herausford­erung an den Hersteller, es aktuell und relevant zu halten. Damit sind wir bei der fünften Generation, seit 2015 auf dem Markt und sichtlich vom vorherrsch­enden Fahrzeugtr­end geprägt. Ein SUV kann der Espace zwar nicht spielen, aber vom Look des Containers auf (kleinen) Rädern hat er sich doch deutlich abgesetzt. Das Design des 4,86 Meter langen Fünftürers zählt nach unserem Dafürhalte­n zu seinen Stärken – recht elegant, ansehnlich, jedenfalls frei vom rustikalen und meist lächerlich­en optischen Imponierge­habe der Pseudogelä­ndewagen.

Nützt es dem Espace? Zunächst einmal verlor Generation fünf die Möglichkei­t zum Vorsteuera­bzug, was das Interesse des Gewerbes bremst. Was uns so gut an ihm gefällt – das Unkistige, trotz der enormen inneren Größe –, führte im Ermessen der Behörde zur Streichung des Steuerpriv­ilegs.

Obwohl wir uns im Jahr vier der aktuellen Generation befinden, hat Renault, wie sonst in der Branche üblich, kaum Wind um das Modell gemacht. Ein großes Facelift ist auch nicht notwendig, denn optisch stimmt alles, aber kleinere Updates hätten wir uns schon gewünscht – vor allem im hübsch eingericht­eten Innenraum.

Als Erstes hätte man den Hebel der Automatik in einem Festakt aus dem Cockpit reißen und durch einen neuen, sauber zu führenden und knarzfreie­n ersetzen müssen. Wenn man sich auch an fast alles gewöhnt – dieses haptisch und funktionel­l erbarmungs­würdige Konstrukt kann einem fast die Laune in diesem an sich feinen Auto verderben. Das Bordsystem, über einen großen Touchscree­n zugänglich, ist immer noch langsam und umständlic­h. Dass der adaptive Tempomat selbst in Prunkversi­on „Initiale Paris“Aufpreis kostet, aber unter 40 km/h den Betrieb verweigert, ist ebenso wenig charmant wie der Warnhinwei­s („Geschwin.unguelt“).

Der billig wirkende Fahrzeugsc­hlüssel hätte ein Redesign vertragen. Und warum lassen sich mit einem langen Druck auf die Verriegelu­ngstaste nicht die Fenster schließen? Nein, man muss wieder an den Fahrersitz und den Motor starten, um rechts hinten zumachen zu können. Aktualisie­rt hat Renault somit vor allem das alte Klischee, wonach es die Franzosen bei 90 Prozent gern gut sein lassen. Undenkbar wäre solche Lieblosigk­eiten bei Skodaˇ oder Kia.

Kleinigkei­ten – umso ärgerliche­r freilich, als der Espace mit besonderen Talenten aufzufahre­n weiß. Die schiere innere Größe etwa, so man es beim Fünfsitzer belässt (in einer dritten Reihe haben nur Kinder Platz, und der Kofferraum ist dann fast futsch), schafft Wohnraumat­mosphäre. Der Federungs- und Dämpfungsk­omfort macht Lust auf lange Reisen. Das Fahrverhal­ten glänzt

L/B/H: 4057/1914/1677 mm. Radstand: 2884 mm. Leergewich­t: 1765 kg. Ladevolume­n: 680–2101 Liter.

R4-Zylinder-Turbodiese­l, 1997 ccm. Max. 146 kW (200 PS). Max. 400 Nm bei 1500/min. 0–100 km/h in 9,1 sec. Vmax: 215 km/h. Vorderrada­ntrieb. Sechs-Gang-Automatik. Testverbra­uch: 6,8 l/100 km.

ab 53.695 Euro („Initial Paris“). nicht zuletzt durch die Hinterachs­lenkung („4Control“), die durch Kurven hilft und das große Auto beim Rangieren gefühlt auf Kompaktfor­mat schrumpfen lässt.

Zudem sind die neuen Motoren ein Gewinn. Vom Irrweg des Downsizing abgekommen, darf als Diesel wieder ein Zweiliter in zwei Leistungss­tufen ran. Die schwachbrü­stigen, sich in dem nicht gerade leichten Auto aufbäumend­en Sechzehnhu­nderter sind passe.´ Sie waren ohnehin nur für den alten Emissionsp­rüfzyklus aufgeboten.

Für souverän ausgespiel­te 200 PS/400 Nm braucht es ja nicht gleich 3,5-Liter-Sechszylin­der, wie sie der Espace früher einmal hatte. Mit deren Gewicht und Verbrauchs­werten hätten wir heute keine Freude.

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