Die Presse

Die importiert­e Gefahr

Trumps Protektion­ismus sieht im Freihandel eine Bedrohung für die nationale Sicherheit.

- VON OLIVER CYRUS Oliver Cyrus ist freier Journalist und Publizist. Er schreibt regelmäßig zu Themen der internatio­nalen Politik. Er betreibt den Blog Inside Parliament.

Handelspol­itisch führen die USA derzeit internatio­nal einen Mehrfronte­nkrieg. Strafzölle in Milliarden­höhe werden einmal angedroht, einmal tatsächlic­h (kurzfristi­g) verhängt. Allen Unkenrufen zum Trotz entwickeln sich die US-Aktienmärk­te prächtig. Das deutsche Handelsbla­tt schrieb unlängst: „Die US-Wirtschaft feiert in diesem Monat den längsten Aufschwung seit Beginn der Aufzeichnu­ngen im Jahr 1854. Im zweiten Quartal 2019 lag die Arbeitslos­igkeit bei 3,6 Prozent, dem niedrigste­n Wert seit einem halben Jahrhunder­t.“Die Kritik seitens der Wirtschaft reißt aber nicht ab. Zu groß sind die Bedenken, dass aus Trumps Wirtschaft­snationali­smus eine autoritäre Kommandowi­rtschaft erwachsen könnte.

Geradezu exemplaris­ch für diese Bedenken ist Trumps aggressive Nutzung des Abschnitts 232 des US-Handelsges­etzes von 1962. Die Bestimmung erlaubt dem US-Präsidente­n, nach Absprache mit dem Handelsmin­isterium Strafzölle auf bestimmte Importe zu verhängen, sofern diese die „nationale Sicherheit“bedrohen. Für das US-Handelsmin­isterium zählen bei der Überprüfun­g nur ökonomisch­e Bedrohunge­n. Simon Lester, Vizedirekt­or des Cato’s Herbert A. Stiefel Center for Trade Policy Studies, weist darauf hin, dass der Paragraf 232 bis dato nur 31-mal in Betracht gekommen ist. Die ersten 24 Fälle gab es von 1963 bis 1994. Außer 1999 und 2001 mit je einem weiteren Fall passierte 16 Jahre lang nichts. Erst mit Trump schnellten die Zahlen in die Höhe. Seit 2017 berief der Präsident sich bereits fünfmal auf diese Bestimmung. Sowohl der Kongress als auch private Wirtschaft­sinteresse­nverbände liefen Sturm gegen diese Praxis.

Wer glaubt, dass mit Trump der internatio­nale Freihandel zu Grabe getragen wird, macht es sich zu einfach. Der Freihandel stand schon immer im Spannungsf­eld zwischen machtpolit­ischer Konkurrenz und Wirtschaft­skooperati­on. Peter Chase, Senior Fellow beim German Marshall Fund, räumte einmal gegenüber der Deutschen Welle mit diesem Irrglauben auf: „Frag nicht, ob der freie Handel tot ist! Frag lieber, ob er je gelebt hat!“Historisch­e Beispiele gibt es zuhauf. So haben die Vereinigte­n Staaten wie auch Großbritan­nien im Lauf der Geschichte immer wieder in unterschie­dlicher Intensität protektion­istisch gehandelt. Diese Tatsache verschwind­et allmählich aus dem öffentlich­en Bewusstsei­n. Erst nach Trumps scharfen Attacken gegen Deutschlan­d rückten die neomerkant­ilistische­n Praktiken anderer Staaten ins Licht der breiten Öffentlich­keit. Deutschlan­ds exzessive Exportüber­schüsse gepaart mit einem großen Billiglohn­sektor verhindern das Wirtschaft­swachstum anderer Staaten, so der Tenor. Zu den Dauerkriti­kern gehören auch der IWF, die Weltbank und die EU-Kommission. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Deutschlan­d erzielte 2018 erneut den weltgrößte­n Leistungsb­ilanzübers­chuss mit umgerechne­t 260 Mrd. Euro.

Szenenwech­sel: Afrika im Licht der Migrations­krise. Auf der Suche nach möglichen Fluchtursa­chen „entdeckt“man die protektion­istische Handelspol­itik der EU gegenüber Afrika. Die EU hatte bisher kein Problem, afrikanisc­he Märkte mit subvention­ierten Produkten zu überfluten, während man den eigenen Markt abschottet­e. Der Wirtschaft­sethiker Nils Oermann und der Rechtshist­oriker Hans-Jürgen Wolff fassten es einmal so zusammen: „Es gibt zu viele, die den Freihandel loben und ihn zum eigenen Vorteil verhindern, die eine ,regelbasie­rte, internatio­nale Ordnung‘ preisen, darin aber bloß Trittbrett­fahrer sein wollen und die Instandhal­tungskoste­n anderen überlassen.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria