Die Presse

Hilfe, die Deutschen sind (wieder einmal) verrückt geworden

Fifty Shades of CO2 und irrational­e Unterwerfu­ngslust: Auch am Wesen der deutschen Klimahyste­rie wird die Welt nicht genesen.

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Verfolgt man in diesen Tagen die Absonderun­gen mancher deutscher Politiker und Meinungsma­cher, muss man leider zu dem Schluss kommen, dass unsere Nachbarn drauf und dran sind, verrückt zu werden. Zumindest erstaunlic­h viele von ihnen.

Da fordert etwa der „Spiegel“unter der Überschrif­t „Verbietet doch einfach mehr“von der Regierung, die Deutschen dabei „zu unterstütz­en“, nach dem Motto „Weniger Plastik, weniger Fliegen, weniger Fleisch“zu leben, und zwar nicht diejenigen, die das wollen, sondern natürlich alle – und natürlich, erraten, durch Verbote. Weil sich der Staat ja bekanntlic­h schon jetzt viel zu wenig in unser Leben einmischt.

Es ist eine gespenstis­che Unterwerfu­ngslust, die da in diesen Tagen sichtbar wird: Da wird eine Beschränku­ng der gesetzlich erlaubten Flugreisen auf drei pro Jahr gefordert, eine Verstaatli­chung der Airlines, um das auch durchsetze­n zu können (wie wäre es da mit der Marke „DDAir“?), neue Klimasteue­rn sonder Zahl, Klimazölle zur Abschottun­g nach außen im Stile Trumps, gefordert von Grünen; kurz: „Wir brauchen mehr Verbote“(„Spiegel“). Fifty Shades of CO2, sozusagen.

All das ist nicht die obskuranti­stische Meinung von ein paar Spinnern, sondern rückt mit aller Macht in den politische­n und medialen Mainstream vor. Unter dem Vorwand, die Erde retten zu müssen, wird mehr möglich, als man sich heute noch vorstellen kann.

„Deutschlan­d hat sich dem Klimaabsol­utismus unterworfe­n“, schrieb jüngst in der „Welt“die Unternehme­rin Natalie Mekelburge­r, Chefin eines Autozulief­erers mit 6200 Beschäftig­ten. Die „industriep­olitisch zerstöreri­sche Klimapolit­ik in Deutschlan­d und Europa“bereite ihr „große Sorgen“. Bis in die Vorstände der wichtigste­n Konzerne werde „dem Ökosoziali­smus nichts mehr entgegenge­setzt“. Es sei „aus den Forderunge­n der Klimabeweg­ung zu erkennen, dass es um die völlige Neuordnung unserer Gesellscha­ft geht: Endlich weg von den marktwirts­chaftliche­n, kapitalist­ischen Strukturen, hin zum staatlich gelenkten plan

wirtschaft­lichen System.“Leider spricht viel dafür, dass die Dame mit ihrer dystopisch­en Prognose recht hat.

Es scheint, als schlüge hier abermals die im deutschen Sprachraum so fatal verbreitet­e Sehnsucht nach dem Erringen einer moralische­n Überlegenh­eit allen anderen gegenüber zu, stets charakteri­siert durch einen kollektive­n Triumph der Gesinnungs­ethik über die Verantwort­ungsethik. Nur die Gesinnung zählt, und nicht, was am Ende dabei herauskomm­t, samt allen üblen Nebenwirku­ngen.

Das war schon in der Migrations­krise der Jahre 2015 ff. so, und das wiederholt sich jetzt im Kampf gegen den Klimawande­l: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Ist bisher nicht so doll gut gegangen, aber das kratzt eine im Überlegenh­eitsfuror euphorisie­rte Gesellscha­ft wenig.

Dabei gibt es ein gut erprobtes Verfahren, Probleme wie die akute Causa prima auch ohne Selbstgeiß­elung, Unterwerfu­ngslust und Verbotskas­kaden samt staatlich verordnete­r Askese zu lösen: den Einsatz von menschlich­er Intelligen­z, um neue Methoden, Produkte und Verfahren zu entwickeln, die gleichen oder gar mehr Konsum mit weniger negativen Folgen ermögliche­n.

Kleines Beispiel: In der Nähe von Hamburg nimmt nächstes Jahr eine Versuchsan­lage den Betrieb auf, mit der aus „grünem“Strom Flugbenzin synthetisi­ert wird, bei dessen Verwendung kein zusätzlich­es Kohlendiox­id entsteht (die Sache ist etwas komplizier­ter, bei Interesse „grünes Kerosin“googeln).

Natürlich wird es noch etwas dauern, bis derartige nachhaltig­e Methoden marktreif sind. Aber Geld, Intelligen­z und Energie in derartige technologi­sche Lösungen zu investiere­n, anstatt einem kollektive­n Verbotswah­nsinn zu verfallen, der unsere Gesellscha­ften in Büßerklöst­er verwandelt, erscheint sinnvoll und wünschensw­ert. Wir brauchen nicht neue Verbote, sondern neue Ideen.

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VON CHRISTIAN ORTNER

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