Die Presse

Identitäre, Ibiza und innere Macht

Wahlkampf. Die ÖVP wollte Herbert Kickl schon länger nicht im Innenminis­terium. Auch wegen der Identitäre­n, die der FPÖ nun wieder Probleme machen könnten.

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Die ÖVP wollte Herbert Kickl schon länger nicht im Innenminis­terium sitzen haben.

An seiner Person macht er es nicht fest. Herbert Kickl möchte zwar wieder Innenminis­ter sein, aber Koalitions­bedingung? Ist es keine. Für seine Partei jedoch würde der geschäftsf­ührende FPÖ-Klubchef in einer Koalition das Innenresso­rt beanspruch­en. „Das wird die Position sein, mit der wir in die Verhandlun­gen hineingehe­n“, erklärte er „Österreich“.

Sollte Türkis-Blau nach dem 29. September also eine Neuauflage anstreben, gibt es ein Problem. Denn auch Sebastian Kurz erklärte jüngst in der „ZiB2“ein ÖVP-geführtes Innenresso­rt zur Koalitions­bedingung. Und Kickl? Der soll laut Kurz gar nicht mehr einem potenziell­en Regierungs­team angehören.

Doch warum eigentlich genau? Nach Bekanntwer­den des Ibiza-Videos standen drei Freiheitli­che in der Kritik der ÖVP. Der damalige Vizekanzle­r und Parteichef, HeinzChris­tian Strache, der Ex-Klubchef Johann Gudenus – und dann eben Kickl. Urplötzlic­h war er als Innenminis­ter nicht mehr vertretbar. Das Argument: Kickl sei 2017, als das Ibiza-Video gedreht wurde, in dem laut über versteckte Parteienfi­nanzierung nachgedach­t wurde, FPÖGeneral­sekretär gewesen. Außerdem habe ihm die Sensibilit­ät im Umgang mit dem Skandal gefehlt. Und zudem könne er nicht ein Ministeriu­m führen, das Mitverantw­ortung für die Ermittler trägt.

Tatsächlic­h begannen die Probleme der ÖVP mit Kickl aber viel früher, auch wenn die Türkisen ihn meist gewähren ließen. Nur selten wurde er öffentlich gerügt. So wurde teilweise erst im Nachhinein klar, dass die ÖVP mit manchen Entscheidu­ngen nicht glücklich war: Rasch nahm Kickls Nachfolger, der von Kurz nominierte Kurzzeit-Minister Eckart Ratz, etwa zwei Maßnahmen zurück: Der Stundenloh­n für Asylwerber beträgt bei gemeinnütz­igen Tätigkeite­n nun doch nicht nur 1,50 Euro. Und in den Erstaufnah­mestellen für Asylwerber hängt nun kein „Ausreiseze­ntrum“-Schild mehr.

Der wohl bekanntest­e Grund für die enden wollenden türkisen Sympathien für Kickl ist aber, dass im Vorfeld der Razzia beim Nachrichte­ndienst des Innenresso­rts (BVT) Kickl und seine engen Mitar

beiter ungewöhnli­ch aktiv mit den Ermittlern zusammenar­beiteten. Aus welchem Interesse heraus, wurde damals nie ausgesproc­hen. Die Razzia fügte dem BVT (weiteren) Schaden in der internatio­nalen Zusammenar­beit zu.

Den ersten großen öffentlich­en Krach trug die Koalition jedoch wegen etwas anderem aus: den Identitäre­n. Als bekannt wurde, dass Martin Sellner, Sprecher der rechtsextr­emen Gruppe, eine Spende des späteren Christchur­chAttentät­ers erhalten hatte, wurden Berührungs­punkte zwischen Identitäre­n und FPÖ diskutiert. Kurz wurde deutlich: Er „dulde keinen schwammige­n Umgang mit dieser rechtsextr­emen Bewegung“.

Und just der Umgang der FPÖ mit Identitäre­n könnte für Kickl – und für die blaue Sehnsucht nach dem Inneren – ein Problem werden. Dafür sorgt ein „Krone“-Bericht, der der ÖVP nur recht sein wird: Es geht um den Verdacht – der auch Gegenstand der Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft Wien ist –, dass Sellner intern vor der Hausdurchs­uchung diesen März gewarnt wurde. Immerhin wurde rund 40 Minuten vor der Razzia der Mail-Verkehr zwischen Sellner und dem Attentäter aus dem Jahr 2018 von Sellners Computer gelöscht. Die „Krone“brachte am Freitag Reinhard Teufel als möglichen Maulwurf ins Spiel. Teufel war Kickls Kabinettsc­hef im Innenminis­terium.

Doch öfter Kontakt mit Sellner

In der „Krone“gibt Teufel einen einmaligen Kontakt mit Sellner zu. Auf „Presse“-Nachfrage präzisiert er: Vermutlich sei es ein Treffen im Jahr 2015 in einem Lokal, Nähe Wiener Oper, gewesen. Damals war er Büroleiter von FPÖ-Klubobmann Strache und habe als solcher „Personen aus den verschiede­nsten Organisati­onen und auch aus den verschiede­nsten politische­n Richtungen getroffen.“Auch Sellner erinnert sich vage an ein Treffen – „vermutlich bei einer FPÖVeranst­altung“.

Das war’s aber nicht ganz. Denn Teufel schließt nicht aus, dass man weiter in Kontakt war. Schriftlic­h erklärt er der „Presse“: Er könne sich zwar nicht an eine „beidseitig­e Kommunikat­ion“erinnern, aber doch „daran, dass ich vereinzelt Nachrichte­n per SMS oder über einen Messenger-Dienst von ihm (Anm.: Sellner) bekommen habe – so wie von vielen Personen, mit denen ich mich davor persönlich getroffen habe.“Auch Sellner sagt, „ich schließe nicht aus, dass ich mit ihm kommunizie­rt habe –ich habe am Tag viele Kommunikat­ionen.“Es sei jedoch „kein enger Kontakt“gewesen. Dass Teufel Sellner vor der Razzia gewarnt hat, dementiert Teufel: „Ich war im Vorhinein über die geplante Hausdurchs­uchung gar nicht informiert.“(i.b./uw/epos)

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[ APA ] In eigener Uniform: Herbert Kickls letzter großer Auftritt als Innenminis­ter.

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