Die Kosten und die Wahrheit
Analyse. Mit dem Ende der Koalition ist die Reform der Bankenaufsicht abgeblasen. Vorerst – wie man in der FMA hofft. In der Notenbank arbeitet man hingegen daran, dass sich ja nichts ändert.
Josef Urschitz meint: Reine Kostendeckung verträgt sich nicht mit Ökoverkehrspolitik.
Wien. Die große Reform der Bankenaufsicht ist dank Heinz Christian Straches Eskapaden auf Ibiza gescheitert. Vorerst auf jeden Fall, denn niemand weiß, ob sie eine neue Regierung wieder in der Form aus der Lade ziehen wird.
Wir erinnern uns: Der ehemalige Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) hatte nach langen, zähen Verhandlungen mit dem Koalitionspartner FPÖ im November 2018 verkündet, er werde der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) die Aufsicht über die Banken entziehen und diese zur Gänze der Finanzmarktaufsicht (FMA) übertragen. Gleichzeitig plante er, die FMA gänzlich umzubauen. Statt wie bisher zwei Vorstände sollte die Behörde künftig nur mehr einen haben, konkret Klaus Kumpfmüller (ÖVP). Sein Kollege Helmut Ettl (SPÖ) sollte zu vollen Bezügen in die OeNB zurückkehren. Man werde dort für ihn eine sinnvolle Aufgabe finden, hieß es.
Bei der FMA und Vorstand Kumpfmüller war die Freude über die geplanten Änderungen groß – so wie bei Ettl, der OeNB-Belegschaft und ihrem Gouverneur, Ewald Nowotny, der Groll. Die Notenbank verkomme zu einer nachgeordneten Dienststelle, ihre Unabhängigkeit sei gefährdet, warnte Nowotny, sooft er dazu Gelegenheit hatte.
Auf der Zielgerade gestürzt
Doch manchmal wendet sich das Blatt schneller, als man denkt. Und dann werden Sieger zu Verlierern und umgekehrt. So auch in diesem Fall. Nachdem Sebastian Kurz die Koalition am 18. Mai für beendet erklärt hatte, war allen Beteiligten klar, dass damit auch die Reform der Bankenaufsicht zu den Akten gelegt würde – just wenige Tage bevor sie im Parlament hätte beschlossen werden sollen. Zugegeben, für Kumpfmüller eine besonders bittere Sache. Bedeutet es für ihn doch, nun so weiterarbeiten zu müssen wie bisher – also ohne Bankaufsicht im Gepäck, dafür weiterhin mit Helmut Ettl im Schlepptau, von dem er sich innerlich schon verabschiedet hatte. Ettl hingegen reibt sich die Hände und tut derzeit alles, um zu zeigen, dass die ganze Reform ohnehin niemand braucht.
Erst vergangenen Sonntag meldete er sich im „Standard“zu Wort, um der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass die beiden Institutionen – also FMA und Notenbank – „die Kompetenzabgrenzung nachschärfen müssten. So kann man die Vorteile beider Häuser zusammenbringen.“Und genau dafür sei jetzt die Zeit reif. Ihm sei zwar klar, dass die neue Regierung über die Aufteilung der Kompetenzen entscheiden müsse, „aber ich gehe davon aus, dass wir auf absehbare Zeit so wie bisher weiterarbeiten werden. Die Aufsicht funktioniert und ist effektiv.“
Haber und Ettl einer Meinung
Und wie es der Zufall so will, hat sich nun auch am Donnerstag der designierte Nationalbank-Vizegouverneur Gottfried Haber zu diesem Thema zu Wort gemeldet. Bekanntlich ist Haber auf einem türkisen Ticket in die Notenbank gesegelt. Gegen die vorerst abgeblasene Löger-Reform zu wettern, stünde ihm daher nicht allzu gut zu Gesichte.
Doch nun, wo Haber fest im Sessel der OeNB sitzt, mag ihm an einem Machtverlust des Hauses nicht gelegen sein. Deshalb stärkt er wohl Helmut Ettl den Rücken. Es gehe darum, dass die Zusammenarbeit zwischen OeNB und FMA wirksam sei. Das sei wichtiger als die Frage, „wessen Schreibtisch wo steht“. Diesen Satz wird Kumpfmüller nicht goutieren. Wie gut die Kooperation zwischen FMA und OeNB auch funktionieren mag, ein Ersatz für die Aufsichtsreform ist sie für ihn keinesfalls. Er sei froh, dass das neue Management der OeNB nun bereit sei, gemeinsam mit der FMA die Prozesse zu verschlanken.
Insbesondere dort, wo die OeNB Verantwortung trägt, wie etwa bei der Finanzmarktstabilität. Dieses Thema bliebe ihr nämlich auch nach einer möglichen Reform, sagt er zur „Presse“: „Aber unabhängig davon ist meiner Erfahrung nach die schlagkräftigste, aber auch effizienteste Form der Aufsicht in Österreich eine integrierte Aufsichtsbehörde für alle Sektoren des Finanzmarktes. Also auch die Zusammenführung der Bankenaufsicht in der FMA – aber das ist eine Entscheidung, die auf politischer Ebene zu treffen ist.“