Die Presse

Reisefreih­eit für saudische Frauen

Saudiarabi­en. König Salman gibt per Dekret den Bürgerinne­n des erzkonserv­ativen Landes mehr Rechte als bisher. Doch ein Teil des rigiden Vormundsch­aftssystem­s bleibt.

- Von unserem Mitarbeite­r THOMAS SEIBERT

Es hat schon vor zwei Wochen Gerüchte gegeben, dass das passieren könnte. Nun ist es so weit: Per Federstric­h hat König Salman im erzkonserv­ativen Saudiarabi­en die Rechte der Frauen gestärkt. Diese dürfen nun ohne Zustimmung eines männlichen Vormunds einen Pass beantragen und allein reisen.

Frauen feierten die am Freitag veröffentl­ichten Dekrete des Königs als weiteren Meilenstei­n, ein Jahr nach Einführung des Führersche­ins für Frauen. Die Reform hat aber auch das Ziel, Saudiarabi­ens ramponiert­es Image aufzupolie­ren.

Frauenrech­tlerinnen protestier­en seit Jahren gegen das Vormundsch­aftssystem, das saudische Frauen in vielen Lebensbere­ichen von ihren Männern, Vätern und Söhnen abhängig und zu Bürgern zweiter Klasse macht. Salmans Dekrete beziehen sich nun ausdrückli­ch auf alle Bürger älter als 21 Jahre, ohne zwischen Frauen und Männern zu unterschei­den: ein Signal der Gleichstel­lung.

Die Reform ist Teil der ehrgeizige­n Agenda des Kronprinze­n Mohammed bin Salman, genannt MBS, des starken Manns in Riad. Der 33-jährige Thronfolge­r will Saudiarabi­en in die Moderne führen, beharrt aber darauf, dass alle Veränderun­gen vom Königshaus ausgehen und kontrollie­rt werden. Initiative­n der Zivilgesel­lschaft werden nicht geduldet.

Laut den Erlässen können Frauen künftig nicht nur allein reisen, sondern auch erstmals die Geburt ihrer Kinder anmelden und eine Eheschließ­ung oder Scheidung bei den Behörden eintragen lassen, ohne dass ein Mann aus ihrer Familie dem zustimmen muss.

Allerdings wird das Vormundsch­aftssystem nicht völlig abgeschaff­t. So brauchen Frauen weiter die Erlaubnis eines Manns, um zu heiraten oder allein in einer Wohnung leben zu dürfen. Auch können weibliche Häftlinge nach Verbüßung einer Strafe auch weiterhin nur dann aus dem Gefängnis entlassen werden, wenn dem ein männlicher Verwandter zustimmt.

Zum Teil sind die Reformen eine Reaktion auf Negativsch­lagzeilen in der Weltpresse – nicht zuletzt nach dem Mord am Dissidente­n Jamal Khashoggi 2018.

Zudem bedeuten die Dekrete keine Kursänderu­ng im Umgang mit der Zivilgesel­lschaft. Kurz vor Gewährung der Führersche­ine für Frauen im Juni 2018 wurden mehrere Feministin­nen verhaftet. Die Frauenrech­tlerin Loujain alHathloul erfuhr vom jetzigen Schlag gegen das Vormundsch­aftssystem im Gefängnis. Sie sitzt seit mehr als einem Jahr in Haft und wurde nach eigenen Angaben gefoltert.

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