Japans Premierminister Abe gibt nun den Trump
Handelsstreit. Zwischen Tokio und Seoul eskaliert ein Hightech-Konflikt – Japan streicht Südkorea von der bilateralen „Vorzugsliste“. Hintergrund ist ein alter Disput über Entschädigungen für südkoreanische Zwangsarbeiter.
Vor der japanischen Botschaft in Seoul setzte sich dieser Tage ein Südkoreaner in Brand. Der 78-Jährige verstarb an den schweren Verletzungen. Südkoreas Medien berichten, sein Schwiegervater sei während des Zweiten Weltkriegs von japanischen Firmen zur Arbeit gezwungen worden. Der Demonstrant habe mit seinem Suizid gegen die jüngsten Reaktionen Japans im bedrohlichen Streit beider Länder protestieren wollen.
Seit Wochen herrscht zwischen den ostasiatischen Nachbarn ein Verbalkrieg. Die Beziehungen, die wegen der Okkupation Südkoreas durch Japan im vergangenen Jahrhundert ohnehin fragil sind, verschlechtern sich mit jedem Tag. Tokio greift zur politischen Waffe des Handelskrieges und erlässt massive Exportbeschränkungen für Hightech-Materialien, die für die Herstellung von Halbleitern, Smartphones und Bildschirmen in der südkoreanischen Elektronikindustrie unersetzbar sind.
Betroffen sind Weltfirmen wie Samsung, SK Hynix und LG Display. Japanische Zulieferer müssen künftig für jede Ausfuhr spezieller Chemikalien, die in der Halbleiterproduktion notwendig sind, Einzelgenehmigungen beantragen, was Wochen dauern kann. Tokios Regierung begründet diesen Schritt mit „Sicherheitsbedenken“. Südkorea könne nicht länger als vertrauenswürdiger Handelspartner betrachtet werden. Seoul werde aus der bilateralen Vorzugsliste gestrichen und künftig keine Produkte mehr beziehen, die militärisch genutzt werden können.
Die Maßnahmen sollen am 28. August in Kraft treten. Eine Sprecherin des südkoreanischen Präsidialamtes konterte: „Unsere Regierung wird auf Japans unfaire Maßnahmen resolut reagieren.“Seoul sieht in den Maßnahmen eine politische „Schikane“, um der südkoreanischen Konkurrenz zu schaden. Tokio wolle bestimmte Produktionsketten zum Erliegen bringen − ungeachtet dessen, dass damit globale Handelsströme in Mitleidenschaft gezogen werden. Südkoreas Medien nennen Japans Premierminister, Shinzo¯ Abe, einen „wild gewordenen Handelskrieger“.
Formell geht es um die südkoreanische Forderung, frühere Zwangsarbeiter zu entschädigen. Auslöser des Streits ist ein Urteil des höchsten Gerichts von Südkorea, das im Oktober entschieden hat, die japanischen Konzerne Nippon Steel und Mitsubishi Heavy Industries müssten Betroffenen als Schadenersatz hohe Abfindungen zahlen. Seither haben mehr als 900 Südkoreaner Klage gegen japanische Unternehmen erhoben. Unlängst kündigten südkoreanische Anwälte an, Vermögenswerte von Mitsubishi Heavy Industries und anderen Konzernen in Südkorea zu veräußern, um Opfer der Zwangsarbeit zu entschädigen.
Für Japan sind alle Ansprüche aus Okkupations- und Kriegszeit mit dem Grundlagenvertrag von 1965 abgegolten. Damals zahlte Japan 300 Mio. US-Dollar Aufbauhilfe sowie 200 Mio. vergünstigte Kredite.
Nun denkt Seoul über „resolute“Exportbeschränkungen für Japan nach. Firmen und Bürger rufen dazu auf, keine japanischen Produkte zu kaufen. Händler melden Einbrüche beim Absatz von Waren made in Japan. Es wird sogar zum touristischen Boykott der Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio aufgerufen.
In der Sorge, dass ein eskalierender Streit die Lage in Ostasien destabilisieren könnte, wollen die USA vermitteln. Präsident Donald Trump bietet sich als Mediator an. Als Verbündeter von beiden werde Washington „tun, was es kann“, um den Konflikt zu entschärfen. Es geht um viel. Südkorea importierte 2018 Waren im Wert von 54,6 Mrd. Dollar aus Japan sowie Dienstleistungen für 11,5 Mrd. Zugleich lieferte Südkorea Waren im Wert von 30,5 Mrd. und Dienstleistungen im Wert von 8,7 Mrd. Dollar nach Japan.