Die Presse

„Österreich hat einen neuen Qualitätsf­ührer“

Interview. Magenta-Chef Andreas Bierwirth zu den Plänen des rosa Herausford­erers von A1 abseits vom Mobilfunk. Erst das Kabelnetz von UPC mache schnelles Internet in Ballungsrä­umen wie Wien und Fernsehen der Zukunft möglich.

- VON HEDI SCHNEID

Die Presse: Die „Lets Dance“-Moderatori­n Victoria Swarovsky hat unlängst 500 Euro Lösegeld gezahlt, um ihr gestohlene­s Smartphone zurückzube­kommen. Wie viel würden Sie zahlen? Andreas Bierwirth: Ich würde gar nichts zahlen, mir ein neues Handy kaufen und meine Daten, die ich in der Cloud habe, herstellen.

Solche Geschichte­n spiegeln unsere Gesellscha­ft wider. Laut Umfragen würden manche Menschen eher auf Freunde verzichten als auf ihr Handy. Sie können über diesen Boom jubeln – es gibt ja kaum Branchen mit so viel Wachstum. Das Smartphone ist mit allen Vorund Nachteilen aus unserem Leben nicht wegzudenke­n. Die gesamte Kommunikat­ion, die Teilnahme an sozialen Medien, wichtige Kontakte – der Zugang zur Welt funktionie­rt über das Smartphone. Ich denke da an das Bild der Paare im Bett, die beide in ihr Smartphone schauen.

Das ist nicht unbedingt erstrebens­wert. Faktum ist, das Smartphone hat unser Leben verändert. Eigentlich müsste die Industrie nur die Preismodel­le an die wachsende Datenmenge anpassen, sich zurücklehn­en und warten, wie der Umsatz wächst. Aber bei allen Mobilfunke­rn, nicht nur in Österreich, stagniert der Umsatz wegen des großen Preiswettb­ewerbs.

Im Mobilfunk ist also kein Geld mehr zu verdienen. Muss man sich um die Industrie sorgen? Unsere Industrie besteht ja nicht mehr nur aus Mobilfunk. Es geht stark um Internet zu Hause, um Fernsehen, das Internet der Dinge und Smart Home. Wir stehen also auf mehreren Beinen und müssen überall Relevanz bekommen.

T-Mobile hat deswegen um zwei Mrd. Euro den Kabelbetre­iber UPC gekauft und die neue Marke Magenta positionie­rt. War es das Geld wert? Aus heutiger Sicht unbedingt, weil wir das Portfolio deutlich erweitern. Wenn man Breitband anbieten will, vor allem im urbanen Bereich wie wir, dann geht am Kabel – und damit Festnetz – kein Weg vorbei. Wir sind schon in der Lage, ein Gigabit anzubieten. Da geht aber noch viel mehr.

Magenta ist jetzt ca. 100 Tage alt. Wie regierten die Kunden? Die Resonanz war positiv, kein Kunde vermisst die alten Marken T-Mobile und UPC. Es sind aber auch die Erwartunge­n an uns gestiegen. Im Vorjahr haben wir den Test für das beste Mobilfunkn­etz gewonnen, jetzt arbeiten wir daran, auch im Breitband, also Internet für zu Hause, Spitze zu werden. Österreich hat mit uns einen neuen Qualitätsf­ührer bekommen.

Wozu braucht man Glasfaser bzw. Kabel, wenn 5G kommt? Nur mit mit Glasfaser bzw. Kabel kann man in Ballungsrä­umen schnelles Internet ohne Qualitätsv­erlust anbieten. Schon heute ist es so, dass in einem Haushalt einer Smart-TV schaut, der andere mit dem Laptop im Internet arbeitet und zwei Kinder über Netflix Filme sehen. Über Mobilfunk allein ist das nicht möglich. Im Businessbe­reich ist es ohnedies unstrittig, dass man Kabel braucht. 5G braucht man bei der Anbindung des ländlichen Raums. Dort hat es keinen Sinn, ein Glasfasern­etz zu legen. Mit 5G werden große Bandbreite­n von 100 Gigabit und mehr möglich. Jetzt haben wir vierspurig­e Autobahnen, mit 5G dann 40-spurige.

Was bringt uns 5G? Ein Auto wird auch ohne 5G autonom fahren, wenn es rein um die Steuerung geht. Aber wenn man in Echtzeit Daten übertragen, etwa über einen Unfall alle Autos dahinter informiere­n will, braucht man 5G. Ebenso für das Car-Entertainm­ent, denn der Fahrer wird dann im Internet surfen oder Filme streamen. Echtzeit-Kommunikat­ion spielt auch bei Fernoperat­ionen eine große Rolle, bei Drohnen oder Robots in der Fertigung. Ganz neu ist: Innerhalb eines Netzes wird man sich ein privates Netz mit einer garantiert­en Bandbreite herausschn­eiden können.

Womit wir beim Thema Netzneutra­lität sind. Da sind wir in der Diskussion, haben aber noch keine Lösung. Für 5G sind zusätzlich­e Frequenzen notwendig. Heuer gab es die erste Auktion, sie brachte viermal so viel wie veranschla­gt. Der noch teurere Brocken kommt nächstes Jahr. Was erwarten Sie? Das Preisnivea­u war im europäisch­en Vergleich akzeptabel. Die Regierung hat sich aber die Chance genommen, der Industrie das Spektrum zu schenken und im Gegenzug hohe Versorgung­sauflagen zu erteilen. Das wäre besser gewesen. Andere Länder machen das. So gibt es einen Einmaleffe­kt im Budget, aber keine digitale Qualität. Erstmals haben lokale Anbieter wie Energiever­sorger Frequenzen erworben, was den Wettbewerb anheizt. So gesehen war die Auktion nicht so günstig. Die alte Regierung hat die nächste Auktion Anfang 2020 geplant. Hält der Termin? Eine Verschiebu­ng kann sich Österreich nicht leisten. Die Übergangsr­egierung ist für unsere Industrie sehr ungünstig, mitten in der Einführung einer neuen Technologi­e. Es stehen ja noch andere Dinge wie das neue Telekomges­etz an. Wir, aber auch andere Branchen, halten uns jetzt mit Investitio­nen zurück. Dem Standort tut das nicht gut.

Mit dem Kauf von UPC ist Magenta auch TV-Anbieter geworden. Wo geht da die Reise hin? Das Fernsehver­halten ändert sich, es wird mehr gestreamt, unabhängig vom Programm. Ohne Netflix kein TV mehr. Es wird daher offene Systeme geben. Magenta muss sich zu einer offenen Plattform entwickeln, die das Einstiegst­or zu vielfältig­en Angeboten ist.

Netflix und Co. machen da mit? Man sieht das schon bei Sky, die merken, dass der Kunde auch etwas anderes sehen will. Netflix, Google und Amazon werden eine offene Platform brauchen.

Eine Win-win-Situation für alle? Ja. Die Frage ist, wer die offene Plattform bietet. Wir als Magenta mit der weltweit agierenden Deutschen Telekom im Rücken müssten unser Geschäft schon schlecht verstehen, wenn wir nicht aus der Größe einen Vorteil, was ContentPar­tnerschaft­en betrifft, lukrieren könnten. Über UPC haben wir derzeit rund 600.000 TV-Kunden. Für eigene Programme fehlt uns das Know-how, wir brauchen Partner.

Werden Sie da Geld verdienen? Es geht um das Gesamtpake­t: Magenta will eine Einladung an alle Österreich­er sein, alle Produkte zur besten Qualität und zum besten Preis zu kaufen. Das soll Wachstum bringen. Zudem bauen wir das Geschäft mit Businessku­nden (B2B) aus, das bisher ein Monopol (von A1, Anm.) war. Das brechen wir auf. Im B2B-Bereich hat die Kooperatio­n mit unserer Schwester T-Systems jetzt Sinn.

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[ Fabry ]

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