Die Presse

Das immer gleiche Spiel mit den „österreich­ischen Lösungen“

Die Mär von den sicheren Arbeitsplä­tzen und den nationalen Interessen hat selten mit der Wirklichke­it zu tun. Und doch wird sie ständig erzählt. Am Beispiel Lauda.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Anneliese Rohrer ist Journalist­in in Wien. diepresse. com/rohrer

Wie wäre es, wenn sich die ohnehin allzu schweigsam­en Politologe­n in Österreich mit Wirtschaft­sprofessor­en zu einem gemeinsame­n Forschungs­projekt zum Thema „Österreich­ische Lösungen“für marode Betriebe zusammenfi­nden würden? Sie könnten untersuche­n, warum diese meist nicht funktionie­ren, jedenfalls nie halten, was bei ihrer Verkündung versproche­n worden ist. Danach könnten sie endlich die richtigen Schlüsse ziehen, aus denen man ableiten kann, wie in Hinkunft die immer gleichen Ärgernisse vermieden werden können.

So schwer kann das nicht sein. Die Idee dazu drängt sich jetzt geradezu auf, nachdem der Boss der irischen Fluglinie Ryanair, Michael O’Leary, der Lauda Line die „Daumenschr­auben“angesetzt hat, wie Hedi Schneid in der „Presse“schrieb. Für Lauda kämen die Forschungs­ergebnisse aber ohnehin zu spät, zumal der Belegschaf­t eine Frist von 14 Tagen eingeräumt wurde. Von Gehaltskür­zungen, Entlassung­en und einem generellen Aus ist die Rede.

Es war und ist immer dasselbe Spiel: Ein Unternehme­n gerät ins Schleudern, die Politik mischt sich ein, eine „österreich­ische Lösung“wird groß gefeiert – und kurz- oder längerfris­tig stellt sich alles als Chimäre heraus.

Bei Lauda war es eher kurzfristi­g und eindeutig: Im Jänner 2018 kauft Niki Lauda – er ist im Mai verstorben – von der insolvente­n Air Berlin die Tochter Niki zurück. Er hatte sie seinerzeit der deutschen Fluglinie verkauft. In einem ORFRadioin­terview bedankte er sich bei den damaligen Regierungs­mitglieder­n Sebastian Kurz und Norbert Hofer für ihre Unterstütz­ung: Sie hätten, so Lauda, „logischerw­eise eine österreich­ische Airline haben wollen“und „nicht eine spanische oder irgendeine ausländisc­he“. Welch hehrer Gedanke hier ein spanisches Konsortium aus dem Geschäft drängte! Der Belegschaf­t wurden Versprechu­ngen gemacht, der Kollektivv­ertrag als gesichert dargestell­t, die Gewerkscha­ft freute sich. Im März 2018 wollte man „durchstart­en“.

Doch schon wenige Wochen später war nicht mehr alles österreich­isch. Lauda verkaufte zuerst 25 Prozent der Firma an Ryanair. Von einer grandiosen Partnersch­aft und Jobsicherh­eit war die Rede. Und Hofer freute sich, dass die Fluggesell­schaft in „österreich­ischen Händen“bleibt. Ende 2018 war dann nichts mehr österreich­isch, Ryanair übernahm zu 100 Prozent. Der Rest waren Drohungen.

Da Niki Lauda in Österreich als Ikone galt, könnte man einwenden, alles wäre ohne seine schwere Erkrankung anders gekommen. Wäre da nicht zeitgleich ein zweiter Fall passiert und gäbe es nicht weitere Beispiele in der Vergangenh­eit. Zeitgleich war der Verkauf des Möbelkonze­rns Kika/Leiner an Rene´ Benko. Mitte Juni 2018 wurde der Deal als „österreich­ische Lösung“mit tatkräftig­er Unterstütz­ung der Politik verkündet, die Arbeitsplä­tze als gesichert beschriebe­n. Zwei Monate später, im August 2018, wurde der Abbau von 1150 Stellen öffentlich.

Und wer erinnert sich nicht mehr an das Mantra von der „österreich­ischen Lösung“für die nationale Fluglinie AUA – so lang, bis sie 2008 an die Lufthansa verkauft, von dieser gerettet werden musste? Das Drama um das Österreich­ische bei dem Technikkon­zern Eumig liegt schon länger zurück. Bruno Kreisky hielt ihn so lang am Leben, bis 1981 die Firma und alle Arbeitsplä­tze weg waren.

Für diese glücklose Praxis im Mischberei­ch Wirtschaft und Politik muss es doch eine Erklärung geben. Was ist in der DNA Österreich­s, dass es immer wieder zu dem gleichen wunschlose­n Unglück kommen kann? Verstehen Politiker generell zu wenig von Wirtschaft? Kreisky hat das wenigstens immer wieder zugegeben. Ist den Menschen die Wahrheit nicht zumutbar und ihr Gedächtnis ohnehin zu kurz? Oder soll ein Problem nur ganz schnell von der aktuellen Tagesordnu­ng verschwind­en? Forscher bitte melden.

 ??  ?? VON ANNALIESE ROHRER
VON ANNALIESE ROHRER

Newspapers in German

Newspapers from Austria