Macht Spinat wirklich stark?
Spinat ist gesund, das ist unbestritten. Die zwischenzeitlich belächelte These vom kräftigenden grünen Wundermittel bekommt neuen Aufwind.
Popeye, der Seemann, hat uns in seinen Comics gezeigt, wie es geht: Iss eine Dose Spinat, und die Muskeln wachsen geradezu in Sekundenschnelle. Lange Zeit belächelt, bekommt diese These durch eine neue Studie der Freien Universität Berlin neuerdings wieder Aufmerksamkeit: Forscher haben nachgewiesen, dass der Inhaltsstoff Ecdysteron, ein pflanzliches Phytosteroid, tatsächlich das Muskelwachstum anregt.
46 Probanden, hauptsächlich Sportler, deren Muskelmasse und Kraft am Anfang der Studie erhoben wurden, bekamen zehn Wochen lang Spinatextrakt in unterschiedlich hohen Dosierungen oder ein Placebo. Die Studie war doppelblind: Weder die Teilnehmer noch die Wissenschaftler wussten, wer zu welcher
Gruppe gehörte. Am Ende der Studie wurden wieder Muskelmasse und Kraft gemessen. Das Ergebnis: „Bei den Teilnehmern, die Ecdysteron erhalten hatten, wurde ein signifikant höherer Zuwachs an Muskelmasse beobachtet“, so die Forscher.
Muskelmasse allein ist zu wenig
Doch Piero Lercher, Sport- und Präventivmediziner und organisatorischer Leiter des Public-Health-Lehrgangs der Medizinischen Universität Wien, ist skeptisch: „Grundsätzlich sind Studien immer mit Vorsicht zu genießen, denn man kann mit ihnen und ihrer Interpretation eine These, aber auch ihr Gegenteil beweisen.“Ecdysteron sei ein Hormon, das auf die Proteinstruktur wirkt und bei vielen Tieren vorkommt, die sich häuten. „Es ist etwa verantwortlich für die Häutung und Metamorphose von Krebsen, Spinnen und Insekten. Und überdies wird es von vielen Pflanzen als Abwehr gegen Fressfeinde gebildet.“Um eine Wirkung zu erzielen, kommt es allerdings, wie bei den meisten Dingen, auf die Dosierung an. „Es gibt bereits sogenannte Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt, die Ecdysteron enthalten, man sollte aber im Auge behalten, dass es sich dabei um ein Hormon handelt, das nicht unbedacht eingenommen werden soll“, warnt der Sportmediziner. „Will man diese Muskelsteigerung auf natürliche Weise erreichen, nämlich tatsächlich nur mit Spinat, müsste man mindestens vier Kilo davon jeden Tag essen, das wäre eine extrem einseitige Ernährung, die sogar eine potenzielle Gesundheitsgefährdung darstellen würde.“
Nur den Spinat oder eines der Ecdysteron-Extrakte zu sich zu nehmen hilft zudem allerdings wenig, denn dann wächst zwar vielleicht die Muskelmasse, aber ohne dass der Muskel auch gleichzeitig an Kraft gewinnt: „Die neuromuskuläre Koppelung, die dafür sorgt, dass der Muskel auch kräftig wird, funktioniert nur über gezieltes Training.“
Den Vorschlag einiger Forscher, nunmehr den Spinat oder zumindest das Ecdysteron auf die Dopingliste zu setzen, sieht Lercher äußerst skeptisch. „Die Flora und Fauna sind voll von derartigen Substanzen, da müsste die halbe Pflanzenwelt auf eine Dopingliste, abgesehen davon, dass der Nachweis meist schwierig zu erbringen wäre. Und Doping ist immer eine Frage des Missbrauchs, nicht des Gebrauchs. Überdies gibt es andere Studien, die keine Leistungssteigerung nachgewiesen haben.“Popeye hat damit sowohl recht als auch unrecht. Spinat steigert zwar bei hoher Dosierung die Muskelmasse, aber die bleibt ohne Training kraftlos.