Die Presse

Verbrannt, versenkt, beschossen

An der Brandverhü­tungsstell­e in Linz werden Bauprodukt­e und -materialie­n auf Herz und Nieren geprüft, um ihr Verhalten im Brandfall oder bei Unwettern zu testen – unter anderem mit einer dort entwickelt­en Hagelkanon­e.

- VON WOLFGANG DÄUBLE

Wir werden dafür bezahlt, Dinge kaputt zu machen“, sagt Bauingenie­ur Hans Starl, während er die Besucher durch die Prüfhallen seines Instituts führt. Ein verschmitz­tes Lächeln kann er sich dabei nicht verkneifen, denn was nach dem Traumjob von so manchem Fünfjährig­en klingt, hat der gebürtige Steirer tatsächlic­h zum Beruf gemacht: Er verbrennt Dinge in riesigen Öfen, setzt sie unter Wasser oder beschießt sie mit Eiskugeln.

Schon in der ersten Halle des Instituts für Brandschut­ztechnik und Sicherheit­sforschung (IBS) in Linz wird aber deutlich, dass es sich bei Starls Profession nicht um Kindereien handelt: Neun Meter hoch ragen die Brennkamme­rn des größten Ofens am Institut, der dank einer offenen Seite ein wenig an den Chor einer kleineren Kirche erinnert. In die Seitenwänd­e sind in regelmäßig­en Abständen armdicke Löcher eingelasse­n, die den leichten Geruch nach heißem Metall erklären, der durch die Hallen zieht – es sind die Brenner, aus denen Starl zur Demonstrat­ion bläuliche Flammen fauchen lässt.

Bei einer tatsächlic­hen Brandschut­zprüfung werden hier Bauprodukt­e wie eine Tür oder ein Fenster in einen passenden Rahmen gemauert, und damit wird die offene Seite des Ofens verschloss­en. Das dahinter lodernde Inferno wird dann über zahlreiche Sensoren gemessen, denn um beurteilen zu können, ob die Testobjekt­e den jeweiligen Bauvorschr­iften entspreche­n, braucht es absolut präzise und reproduzie­rbare Bedingunge­n.

Die Anforderun­gen an die geprüften Bauteile sind streng, je nach Widerstand­sklasse müssen z. B. Brandschut­ztüren zwischen einer halben und drei Stunden dem Feuer standhalte­n. Dabei darf auch über die Türschlöss­er oder den Griff keine größere Hitze in den Nebenraum geleitet werden, die Türen müssen trotz Verformung dicht halten. „Nach etwa zehn Minuten hört man einen dumpfen, metallisch­en Aufprall“, so Starl, „dann hat der Türschließ­er aus Aluminium etwa 700 Grad erreicht, ist geschmolze­n und die darin verbaute Stahlfeder ist zu Boden gefallen. Auf der anderen Seite der Tür darf man davon aber trotzdem nichts spüren.“

Gänzlich ohne Hitze kommt man dagegen in einem erst kürzlich erschlosse­nen Arbeitsfel­d des IBS aus: „Mittlerwei­le kann man Feuerwider­standsprüf­ungen auch sehr gut am Computer simulieren“, erklärt Vorstandsv­orsitzende­r Arthur Eisenbeiss. Für erste Bauprodukt­e haben Simulation­en bereits erstaunlic­h realitätsn­ahe Ergebnisse geliefert, er hält es daher für realistisc­h, dass man sie schon bald für die Produktent­wicklung einsetzen kann.

Auf dem Prüfgeländ­e in Linz wird nicht nur am Brandschut­z gearbeitet und geforscht: „Wir wollen die Sicherheit­skonzepte vom Brand auch auf Naturkatas­trophen anwenden“, so Eisenbeiss. Welche Schäden extreme Wettererei­gnisse wie Hagel, Sturm oder Starkregen an Gebäuden anrichten können und wie man sie verhindern kann, steht daher ebenfalls im Fokus der Forscher in Linz. An vorderster Front mit dabei: Hans Starl.

Für seine Doktorarbe­it entwickelt er derzeit eine Methode, mit der das Auftreten und die Auswirkung­en von Hangwasser auf Gebäude in verschiede­nen Wetterszen­arien vorhergesa­gt werden sollen. „Wie sich nach Starkregen das Wasser seinen Weg bahnt und welche Belastunge­n die Baustruktu­ren aushalten müssen, dazu gibt es bisher fast keine wissenscha­ftlichen Untersuchu­ngen – obwohl die dadurch entstehend­en Schäden immens sind“, betont Starl. Das Gleiche gelte auch für den Hagelschla­g: Erstaunlic­herweise gab es für dieses Wetterphän­omen, das jährlich Hunderte Millionen Euro an Gebäudesch­äden verursacht, bis vor Kurzem weder Bauteilprü

(IBS) ist eine Prüf-, Inspektion­s- und Zertifizie­rungsstell­e für Brandschut­z. Das IBS ist ein Tochterunt­ernehmen der Brandverhü­tungsstell­e Oberösterr­eich (BVS), die wiederum Mitglied der Austrian Corporativ­e Research (ACR) ist, eines Dachverban­ds von 18 Instituten, die mit 770 Mitarbeite­rn über 64 Millionen Euro im Jahr erwirtscha­ften. fungen noch bautechnis­che noch wissenscha­ftliche Grundlagen. Das hat der Bauingenie­ur mit seinem Lieblingsp­rojekt geändert: der Hagelkanon­e, genannt Hail Mary.

Das 750.000 Euro teure Gerät steht im hintersten Raum der IBS-Hallen. Hier schießt Starl speziell entwickelt­e, rissfreie Eiskugeln mit zwei bis sieben Zentimeter­n Durchmesse­r und Geschwindi­gkeiten von bis zu 140 km/h auf Baumateria­lien, um ihre Widerstand­sfähigkeit für Hagelschla­g zu messen. Die Ergebnisse werden dann im sogenannte­n Hagelregis­ter online publiziert. Die Präzision und Reproduzie­rbarkeit, mit denen hier gearbeitet wird, seien in Europa unangefoch­ten, erklärt Starl nicht ohne Stolz. Und wenn es um simulierte­n Hagelbesch­uss geht, ist er wohl der mit Abstand versiertes­te Experte: Über 14.000 Schuss hat er mit Hail Mary bereits abgefeuert, „diese Erfahrung kann einem niemand mehr nehmen“.

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